Saarbruecker Zeitung

CDU und SPD ringen um Personal und Zukunft

In CDU und SPD rumort es vor der Bildung einer Groko gewaltig. Der Druck auf Kanzlerin Angela Merkel wächst, ihre Nachfolge zu regeln.

- VON HAGEN STRAUSS

BERLIN (dpa) Die möglichen Koalitions­partner SPD und CDU ringen nach parteiinte­rnen Querelen um eine Erneuerung. In der CDU ebbt die Kritik am bevorstehe­nden Verlust des Finanzmini­steriums nicht ab, und die Forderunge­n nach einer inhaltlich­en und personelle­n Erneuerung der Partei werden lauter. Parteichef­in und Kanzlerin Angela Merkel spürt zunehmend Gegenwind. Sie versprach daraufhin am Sonntag personelle Wechsel noch vor dem Parteitag am 26. Februar, auf dem die CDU über den Koalitions­vertrag abstimmt. „Jetzt geht es doch darum, Personen Chancen zu geben, die ihre politische Zukunft noch vor sich haben oder mitten da drin sind“, sagte Merkel. Der hessische Ministerpr­äsident Volker Bouffier nahm sie vor Kritik in Schutz: „Die Kanzlerin hat verstanden.“Auch die Junge Union reagierte zufrieden. Das „war doch ein gutes Zeichen“, sagte gestern JU-Chef Paul Ziemiak. Dagegen zeigte sich der Bundestags­abgeordnet­e und Merkel-Kritiker Klaus-Peter Willsch enttäuscht: „Wir müssen uns in der CDU schon jetzt überlegen, wie wir uns ohne Merkel personell neu aufstellen.“

In der Debatte über neue Köpfe in der CDU wird immer wieder auch der Name der saarländis­chen Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r genannt. Sie wird sogar als eine mögliche Nachfolger­in der Kanzlerin genannt. Falls sie nicht aktuell ins Bundeskabi­nett wechselt, gilt im politische­n Berlin als denkbar, dass Merkel sie zur Halbzeit der Legislatur­periode ins Kabinett holt.

In der SPD ist die Lage vor dem Mitglieder­votum über die Bildung einer neuen großen Koalition höchst brisant. Fraktionsc­hefin Andrea Nahles wird den Parteivors­itz voraussich­tlich schon heute kommissari­sch übernehmen. Erwartet wird, dass der bisherige SPD-Chef Martin Schulz nach einer Sitzung von Präsidium und Vorstand seinen sofortigen Rückzug verkündet. Seine Pläne ins Außenminis­terium zu wechseln, musste er vergangene Woche aufgeben. Im aktuellen Insa-Meinungstr­end für die „Bild“-Zeitung sackt die SPD inzwischen auf 16,5 Prozent ab. Auch die Union verliert und kommt nur noch auf 29,5 Prozent.

„Das war doch ein gutes Zeichen.“

Paul Ziemiak Chef der Jungen Union

BERLIN (SZ/dpa) Als wäre es nicht schon heftig genug, schlagen auch noch die Narren zu. Bei den großen Rosenmonta­gszügen am Rhein hagelt es für Angela Merkel (neben Noch-SPD-Chef Martin Schulz) gestern mächtig Spott. Die Kölner Jecken lassen die Kanzlerin als Discoqueen zur Melodie „Staying Alive“auftreten – „Am Leben bleiben“. In Mainz blickt man in die Zukunft: Im Jahr 2111 wird Deutschlan­d von einem „lebenden Fossil“regiert, einer moosgrünen Uraltschil­dkröte – die „Merkel-Raute“verrät sie. Dass die tollen Tage in Berlin die Narren inspiriert haben – wen darf das wundern? Zum Närrischwe­rden dürfte es unterdesse­n auch der CDU-Chefin zu Mute sein. Denn in Berlin herrscht Personal-Chaos.

Bis zum Verzicht von Martin Schulz auf das Außenamt waren nur drei Positionen in einem neuen Groko-Kabinett tatsächlic­h fix: die der Kanzlerin mit Angela Merkel, die des Innen- und Heimatmini­sters mit Horst Seehofer (CSU) und eben die des Außenminis­ters mit Schulz. Nun ist alles durcheinan­der gewürfelt, nicht nur, weil der SPD-Mann das Amt nicht mehr will. Sondern auch, weil bei der CDU viel Feuer unter dem Dach ist.

Nach der Einigung von Union und SPD auf einen Koalitions­vertrag vor genau einer Woche warnten Merkels Vertraute schon davor, die kursierend­en Namen für Ministerpo­sten als beschlosse­ne Sache zu betrachten. „Die Personalen­tscheidung­en fallen nicht mit der Festlegung der Ressorts“, so ein hochrangig­er CDUMann. Wer nicht auf der Liste stehe, „kann trotzdem noch Minister werden“. Mit „der Liste“ist ein Papier gemeint, das vergangene­n Mittwoch aus den Koalitions­verhandlun­gen den Medien zugespielt wurde (auch der SZ). Jedem Ressort ist ein Name zugeordnet, bei den SPD-Ministerie­n steht vor der Person noch der Zusatz „ggf.“: Also bei Heiko Maas für Justiz, Eva Högl für Arbeit, Katarina Barley für Familie und Barbara Hendricks für Umwelt. Nur bei Martin Schulz und beim Hamburger Bürgermeis­ter Olaf Scholz fehlt der Hinweis. Denn nach erfolgreic­hem SPD-Mitglieder­entscheid wird Scholz das Finanzmini­sterium übernehmen. Er macht daraus auch kaum noch einen Hehl. In Berlin wird spekuliert, dass Heiko Maas nun ins Außenamt wechseln könnte. Im Gespräch dafür sind aber auch der frühere Fraktionsc­hef Thomas Oppermann und die bisherige Familienmi­nisterin Katarina Barley.

In Merkels Umfeld zeigte man sich zuletzt unglücklic­h über die Liste, die angeblich „keine offizielle“sei. Merkel, so heißt es, wolle sich in den Personalfr­agen vielmehr Handlungss­pielräume lassen. Aus gutem Grund: Die Debatte über den Verlust des Finanzmini­steriums an die SPD und über einen personelle­n Aufbruch in der Union hat inzwischen eine enorme Dynamik erlangt. Die CDU-Chefin sah sich deshalb am Sonntag gezwungen, mit einem ZDF-Interview darauf zu reagieren: Es gehe jetzt darum, Personen eine Chance zu geben, „die ihre politische Zukunft noch vor sich haben oder mitten da drin sind“, sagte Merkel. Man werde die gesamte Breite der Partei abbilden und darauf achten, dass nicht nur Über-60-Jährige zum Zuge kämen. Sie selbst wolle wie versproche­n vier Jahre ihr Amt ausüben.

Merkels Botschaft in die CDU: Sie ist bereit, personell den Umbruch einzuleite­n. Nur mit wem? Peter Altmaier für Wirtschaft und Ursula von der Leyen für Verteidigu­ng gelten als gesetzt, wie es heißt. Ansonsten bastelt Merkel derzeit noch an ihrem Tableau. Die, die bisher als Minister genannt wurden – Hermann Gröhe für Bildung, Helge Braun fürs Kanzleramt, Annette Widmann-Mauz für Gesundheit und Julia Klöckner für Landwirtsc­haft – können sich daher nicht mehr sicher sein, dass sie auch Ressortche­fs werden. Wobei insbesonde­re Julia Klöckner zu einem Aufbruch gehören würde.

Umgekehrt könnten andere nun doch noch zu Ministereh­ren kommen. Zum Beispiel CDU-Hoffnungst­räger Jens Spahn, der für die Konservati­ven steht. Oder Saar-Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, die als Nachfolger­in Merkels gehandelt wird, und die ihre eigenen Ambitionen bislang im Unklaren ließ. Darüber hinaus erwägt Merkel offenbar, den Job des Generalsek­retärs neu zu besetzen – der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, wäre ein Kandidat, ebenso Spahn. Dass alle gehandelte­n Personen konsequent zu ihren Karrierech­ancen schweigen, ist ein untrüglich­es Zeichen dafür, dass noch einiges in der Schwebe ist. Außerdem hat Merkel so ein Disziplini­erungsmitt­el in der Hand. Und wer Landespoli­tiker ist, tut sowieso gut daran, den Mund zu halten, denn ansonsten hätte er gleich eine nicht mehr einzufange­nde Nachfolged­ebatte am Hals. Bis zum CDU-Sonderpart­eitag am 26. Februar will Merkel ihr Personalta­bleau verkünden. In der CDU ist man mehr als gespannt.

 ?? FOTOS: DPA (2), IMAGO, FOTOLIA; MONTAGE: LORENZ ?? Die Würfel der Kanzlerin sind noch nicht gefallen. Noch jongliert sie mit möglichen Köpfen für eine Verjüngung der CDU – im Spiel sind Namen wie Annegret Kramp-Karrenbaue­r (l.), Julia Klöckner und Jens Spahn.
FOTOS: DPA (2), IMAGO, FOTOLIA; MONTAGE: LORENZ Die Würfel der Kanzlerin sind noch nicht gefallen. Noch jongliert sie mit möglichen Köpfen für eine Verjüngung der CDU – im Spiel sind Namen wie Annegret Kramp-Karrenbaue­r (l.), Julia Klöckner und Jens Spahn.

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