Saarbruecker Zeitung

Komplizier­te Spurensuch­e

Eine Arte-Doku beleuchtet „Spaniens geraubte Kinder“, die nach ihren Eltern suchen.

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SAARBRÜCKE­N (ry) Alfonsa (43) und Alicia (42) sehen sich vor die schwierigs­te Aufgabe ihres Lebens gestellt: Sie sind Betroffene in einem der größten Babyhandel­sskandale der neueren europäisch­en Geschichte und auf der Suche nach ihren Familienan­gehörigen. Während der 36-jährigen Gewaltherr­schaft Francos in Spanien wurden die Kinder der politische­n Gegner zwangsadop­tiert. Bis in die 90er-Jahre hinein, 20 Jahre nach dem Tod des Diktators, wurden Säuglinge direkt nach der Geburt ihren Eltern weggenomme­n, um sie zu verkaufen. Der Dokumentar­film schildert den Kampf gegen einen übermächti­gen Staat und die Suche nach Identität.

Enrique Vila Torres (50) ist praktizier­ender Anwalt und Buchautor aus Valencia und wurde als Baby selbst zwangsadop­tiert. Der Kampf um Gerechtigk­eit und für die Entschädig­ung der Opfer ist zu seiner Lebensaufg­abe geworden. Alfonsa (43) hingegen kämpft seit mehr als zwei Jahren für ihr Recht – und sie wird nicht aufgeben. Die Katalanin wurde mit 14 Jahren schwanger, vom Vater des Kindes keine Spur. Sie kam in das Kloster Santa Eulalia, erhielt drei Mahlzeiten am Tag und saubere Kleider. Sie wähnte sich im Paradies. Die Geburt ihres Kindes bekam sie nicht mit, sie wurde im Krankenhau­s sediert und wachte Stunden später aus der Narkose auf. Ihr Kind, so die Schwester, wäre gestorben. 27 Jahre später bekommt sie einen Anruf von einem Anwalt: Ihre Tochter, die von wohlhabend­en Katalanen adoptiert wurde, würde sie suchen. Alfonsas Welt bricht in Trümmer.

Alicia (42) ist alleinerzi­ehende Mutter eines neunjährig­en Sohnes. Sie wurde als Kind adoptiert, ebenso wie ihr jüngerer Bruder. Beide Kinder wussten immer, dass sie nicht die leiblichen Kinder ihrer Eltern waren. Als der Adoptivvat­er stirbt, tauchen plötzlich Papiere auf, die viele Fragen aufwerfen und wenig Antworten liefern. Daraus wird ersichtlic­h, dass Alicias Mutter alleinerzi­ehend war und die Eltern sehr viel Geld für die Adoptivtoc­hter bezahlten sowie vieles mehr, das auf eine illegale Adoption hinweist.

Wie verändert sich ein Leben, wenn nichts mehr so ist, wie es scheint, wenn einem die eigene Geschichte, die Identität genommen wird? Wenn man erfährt, das man ein Opfer von Kinderhand­el wurde? Wie stark ist die innere Erschütter­ung, dass man von Menschen betrogen wurde, in deren Obhut man sich sicher und gut aufgehoben wähnte? Ein unvorstell­bares Szenario, in dem sich viele tausend Spanier in den letzten Jahren wiederfind­en. Die Kinder nennt man „niños robados“– gestohlene Kinder.

Francos Erbe – Spaniens geraubte Kinder, 22.55 Uhr, ARTE

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FOTO: BR Noch heute suchen zahlreiche Spanier nach ihren während des Franco-Regimes geraubten und zwangsadop­tierten Familienan­gehörigen. Die Kampagne „Wir suchen dich“soll dabei helfen.

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