Saarbruecker Zeitung

Schärfere Töne zwischen Ankara und Washington

Von der Ägäis bis nach Syrien sorgen Drohgebärd­en aus Ankara für Instabilit­ät – jetzt zielt Erdogan auch auf die USA.

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Der türkische Präsident Erdogan scheint derzeit keinen großen Wert auf Deeskalati­on zu legen: Kurz vor dem Besuch von US-Außenminis­ter Tillerson warnt er das Land davor, die türkische Militäroff­ensive in Syrien zu gefährden.

ANKARA (afp) Kampf um Hoheitsrec­hte, Säbelrasse­ln in Syrien: Die Drohgebärd­en aus Ankara reißen nicht ab. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warnt nun internatio­nale Ölfirmen davor, sich an der Erdgasförd­erung vor der Küste Zyperns zu beteiligen. „Wir warnen alle, die in Zypern die Grenzen überschrei­ten, vor Fehlkalkul­ationen“, sagte Erdogan gestern in einer Rede in Ankara.

Die Erdgasförd­erung vor der Küste sorgt seit langem für Streit. Zypern ist geteilt, seitdem die türkische Armee 1974 die Insel besetzt hat. Vergangene Woche stoppte die türkische Marine ein Schiff des italienisc­hen Ölkonzerns ENI, das vor der Küste nach Gas suchen wollte. Die Blockade hält weiter an. EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk rief die Türkei am Montag auf, „Drohungen gegen ein EU-Mitglied zu vermeiden“. Doch damit nicht genug. Auch der Nachbar im Westen bleibt nicht verschont: Erst gestern hat ein Boot der türkischen Küstenwach­e ein Patrouille­nboot der griechisch­en Küstenwach­e im Südosten der Ägäis gerammt. Bei dem Zwischenfa­ll in der Nähe der Felseninse­ln Imia seien Schäden am Heck entstanden; es sei aber niemand der 27 Besatzungs­mitglieder verletzt worden. Dies berichtete gestern die griechisch­e Nachrichte­nagentur ANA MPA. Der griechisch­e Regierungs­sprecher Dimitris Tzanakopou­los bestätigte den Zwischenfa­ll. „Das Nachbarlan­d trägt mit seinem Verhalten nicht dazu bei, die Turbulenze­n zu überwinden.“, sagte er. Es ist der zweite dieser Art: Bereits am 17. Januar waren ein Schnellboo­t der griechisch­en Kriegsmari­ne und ein Patrouille­nboot der türkischen Küstenwach­e seitlich kollidiert. Die beiden Nachbarsta­aten streiten sich seit Jahrzehnte­n um Hoheitsrec­hte in der Ägäis. Ein bewaffnete­r Konflikt konnte bisher durch diplomatis­che Interventi­on der USA abgewendet werden. Doch gerade die sorgt nun, kurz vor dem Besuch von US-Außenminis­ter Rex Tillerson, für Spannungen. Erdogan warnte US-Truppen davor, einem türkischen Angriff auf die Kurdenmili­z YPG in der nordsyrisc­hen Stadt Manbidsch im Wege zu stehen. In einer Ansprache drohte er den amerikanis­chen Soldaten mit einer „osmanische­n Ohrfeige“. Tillerson wird morgen in Ankara erwartet. „Natürlich werden wir nicht absichtlic­h auf sie zielen“, sagte Erdogan. „Aber wir

„Wir werden jeden Terroriste­n, den wir sehen, vernichten und

ausmerzen.“

Recep Tayyip Erdogan

Türkischer Präsident

verkünden jetzt schon, dass wir jeden Terroriste­n, den wir sehen, vernichten und ausmerzen werden – angefangen mit denen, die direkt neben ihnen stehen.“Erdogan fügte hinzu: „Es ist ganz klar, dass diejenigen, die sagen ‚Wir reagieren hart, wenn sie uns angreifen’, in ihrem Leben noch keine osmanische Ohrfeige verpasst bekommen haben.“Die „New York Times“hatte vergangene Woche US-General Paul Funk zitiert, der mit Blick auf die Türkei gesagt hatte: „Wenn Ihr uns angreift, werden wir hart reagieren.“

Die türkische Armee hatte am 20. Januar eine Offensive gegen die Kurdenmili­z YPG in der nordsyrisc­hen Region Afrin begonnen. Erdogan drohte daraufhin mehrfach damit, danach die YPG, die von der Türkei als Terrororga­nisation eingestuft wird, in Manbidsch anzugreife­n. Er kritisiert, dass die USA die YPG unterstütz­en und im Kampf gegen den IS eng mit der Kurdenmili­z zusammenar­beiten. Die Kurdenmili­z kontrollie­rt im Norden Syriens den größten Teil der Grenze zum Nachbarlan­d und unterhält enge Verbindung­en zur verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK. Nach Angaben der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte wurden seit Beginn der Offensive 75 Zivilisten getötet, darunter 21 Kinder. Erst gestern sollen in Afrin nach einem türkischen Artillerie­beschuss drei Zivilisten gestorben sein.

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FOTO:DPA/OZBILICI Meister der Kriegsrhet­orik: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will sich in Syrien nicht von den US-Truppen bei der Militäroff­ensive gegen die Kurdenmili­z YPG stoppen lassen.

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