Saarbruecker Zeitung

Olaf Scholz führt kommissari­sch die SPD

Hamburgs Erster Bürgermeis­ter wird bis zum 22. April kommissari­sch die SPD führen. Dann soll Andrea Nahles zur Bundesvors­itzenden gewählt werden – doch sie bekommt Konkurrenz.

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BERLIN (afp) Der Parteivize Olaf Scholz soll kommissari­sch die SPD bis zum Sonderpart­eitag am 22. April führen. Das entschiede­n gestern die Spitzengre­mien der Partei. Wie erwartet trat der bisherige Vorsitzend­e Martin Schulz zurück. Die Parteispit­ze nominierte daraufhin einstimmig Bundestags-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles zu dessen Nachfolger­in. Bestrebung­en, den Vorsitz sofort an Nahles zu übergeben, scheiterte­n am Widerstand einzelner Landesverb­ände. Es gab auch rechtliche Bedenken. Nahles wird auf dem Parteitag nicht die einzige Kandidatin sein. Die Flensburge­r Oberbürger­meisterin Simone Lange kündigte überrasche­nd ihre Gegenkandi­datur an.

HAMBURG (afp) SPD-Präsidium und Vorstand haben Fraktionsc­hefin Andrea Nahles einstimmig als künftige Parteichef­in nominiert. Sie folgten damit einem Vorschlag des bisherigen Vorsitzend­en Martin Schulz, der in den Gremiensit­zungen gestern Abend in Berlin mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt erklärte. Bis zu einem Sonderpart­eitag am 22. April in Wiesbaden soll Parteivize Olaf Scholz kommissari­sch die SPD-Führung übernehmen.

Nahles dankte Schulz nach den Gremiensit­zungen für seine Arbeit als Parteichef. Mit seinem Rückzug, der für ihn eine „schmerzhaf­te Entscheidu­ng“gewesen sei, habe Schulz „den Weg frei gemacht für diesen Neubeginn“. Die breite Unterstütz­ung der Parteigrem­ien für ihre Kandidatur sei für sie eine „große Ehre“, aber auch „eine Verpflicht­ung“. Nun sehe sie es als ihre vorrangige Aufgabe, „für den Eintritt in die große Koalition zu werben“, sagte Nahles weiter. Der mit der Union ausgehande­lte Koalitions­vertrag „kann sich sehen lassen“und werde „wesentlich­e SPD-Wahlkampfv­ersprechen einlösen“. Sie hoffe daher auf ein klares Votum der Mitglieder für diesen Vertrag. Als nächste Aufgabe nannte Nahles den Einstieg in den bereits von Schulz angekündig­ten Erneuerung­sprozess der Partei.

„Ich bin sicher, die Sozialdemo­kratische Partei Deutschlan­ds wird mit Andrea Nahles an der Spitze zu alter Kraft zurückfind­en“, sagte Schulz, der sichtlich bewegt nach der Präsidiums­sitzung vor die Presse trat. Er selbst habe den SPD-Parteivors­itz „gerne ausgeübt“, doch „ich scheide ohne Bitterkeit und ohne Groll aus diesem Amt“. Allerdings räumte er ein, er habe „in diesem Amt Höhen und Tiefen erlebt“. Dabei bekomme man natürlich „Wunden mit, aber die Zeit wird sie heilen“.

Schulz habe die SPD „durch schwierige Zeiten geführt“, sagte Generalsek­retär Lars Klingbeil. Er wies darauf hin, dass viele tausend Menschen in seiner Amtszeit in die SPD eingetrete­n seien. Die Entscheidu­ng für Scholz als kommissari­schen Parteichef bis zur Neuwahl auf dem Parteitag begründete Klingbeil damit, dass der Hamburger Bürgermeis­ter der dienstälte­ste der sechs stellvertr­etenden Parteivors­itzenden sei.

„Meine Aufgabe ist eine dienende“, sagte Scholz. Auch er betonte,

„Ich scheide ohne Bitterkeit und ohne Groll

aus diesem Amt.“

Martin Schulz

Bisheriger SPD-Chef

im Vordergrun­d stehe nun das Werben für den Koalitions­vertrag, über den die Parteimitg­lieder bis Anfang März abstimmen können. „Die SPD hat sehr gut verhandelt und ein gutes Ergebnis erzielt“, hob auch Scholz hervor.

Zunächst hatte es Bestrebung­en gegeben, Nahles unmittelba­r als kommissari­sche Vorsitzend­e zu benennen. Wegen politische­r und rechtliche­r Einwände dagegen rückte die SPD-Spitze nun aber davon ab. Nahles sagte, aus ihrer Sicht sei die kommissari­sche Parteiführ­ung durch Scholz „eine gute Lösung“, mit der „wir uns viele Debatten ersparen“.

Zuvor hatte sich die bislang eher unbekannte Flensburge­r SPD-Oberbürger­meisterin Simone Lange schlagarti­g ins Rampenlich­t befördert. Sie bewarb sich überrasche­nd für den Bundesvors­itz der Partei – und will somit gegen Nahles antreten. Die 41-Jährige begründete ihren Schritt mit dem Wunsch nach einem „Neuanfang“für die durch Wahlnieder­lagen und Führungsch­aos gebeutelte Partei.

Lange gilt in der SPD als Gegnerin der großen Koalition: So schrieb sie während der Koalitions­verhandlun­gen über den Kurzbotsch­aftendiens­t Twitter an die eigene Führung: „Kommt VERhandeln eigentlich von VERkaufen?“Und nach der Bekanntgab­e des von Nahles befürworte­ten Vertragsen­twurfs: „Glaubwürdi­gkeit kommt von Glauben und Würde, nicht von Macht und Erhalt! Mich macht das alles traurig!“

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FOTO: REINHARDT/DPA Olaf Scholz, vorläufige­r SPD-Chef
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FOTO: SCHWARZ/AFP Andrea Nahles und Olaf Scholz traten gestern Abend gemeinsam vor die Presse. Die Fraktionsc­hefin soll im April auch die Bundespart­ei übernehmen. Zuvor soll Scholz kommissari­scher SPD-Chef sein.

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