Saarbruecker Zeitung

Jedem dritten Alleinsteh­enden droht Armut

Zwei von fünf deutschen Haushalten bestehen nur aus einer Person – Tendenz steigend. Gerade ältere Alleinsteh­ende leben oft unterhalb der Armutsgren­ze.

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BERLIN (dpa) Millionen Alleinsteh­ende sind in Deutschlan­d von Armut bedroht. Nach den jüngsten Zahlen des europäisch­en Statistika­mts Eurostat waren dies 32,9 Prozent, also rund ein Drittel der Alleinsteh­enden im Jahr 2016. Zehn Jahre zuvor waren nur 21,5 Prozent, das heißt, gut ein Fünftel aller Alleinsteh­enden armutsgefä­hrdet. Als von Armut bedroht gilt, wer bei unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt, 2016 waren dies 1063,75 Euro pro Monat.

BERLIN/SAARBRÜCKE­N (dpa/SZ) Fast jeder dritte Alleinsteh­ende in Deutschlan­d ist von Armut bedroht. Nach den jüngsten Zahlen des europäisch­en Statistika­mts Eurostat waren dies 2016 32,9 Prozent der Alleinsteh­enden. Zehn Jahre zuvor waren nur 21,5 Prozent aller Alleinsteh­enden armutsgefä­hrdet.

In den vergangene­n Wochen sind soziale und gesundheit­liche Folgen von Einsamkeit verstärkt in den Fokus gerückt, nachdem in Großbritan­nien ein Regierungs­posten gegen Einsamkeit eingericht­et wurde. Auf die aktuellen Eurostat-Zahlen machte die Linke im Bundestag aufmerksam.

Der Präsident der Diakonie Deutschlan­d, Ulrich Lilie, sagte in Berlin, die Betroffene­n hätten es sich häufig nicht selbst ausgesucht, alleinsteh­end zu sein. „Das verpflicht­et die Gemeinscha­ft, diesen Menschen strukturel­l zu helfen.“

Der Anteil der von Armut bedrohten Alleinsteh­enden nahm laut Eurostat bereits 2007 auf 27,3 Prozent zu und liegt seit 2011 bei über 30 Prozent. Experten gehen davon aus, dass insbesonde­re Ältere mit kleinen Renten oder Grundsiche­rung betroffen sind, Jüngere auf dem Weg von einer Ausbildung ins Berufslebe­n und Niedrigver­diener.

Als von Armut bedroht gilt, wer bei unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt, 2016 waren dies 1063,75 Euro pro Monat. Alleinsteh­ende mit einer Beschäftig­ung waren laut Eurostat zu 17 Prozent armutsgefä­hrdet. Zehn Jahre zuvor waren es nur 10,1 Prozent.

Auch die Gesamtzahl der Alleinsteh­enden ist in den vergangene­n Jahren in Deutschlan­d mit leichten Schwankung­en angestiege­n und überschrit­t 2015 die Marke von 16 Millionen. 2016 waren es 16,43 Millionen alleinsteh­ende Erwachsene ohne Kinder. In mehr als zwei von fünf Haushalten leben Alleinsteh­ende (40,8 Prozent).

EU-weit sind nur 32,5 Prozent der privaten Haushalte Alleinsteh­enden-Haushalte. Auch der Anteil der Armutsgefä­hrdung liegt bei ihnen EU-weit unter dem deutschen Wert, nämlich bei 25,6 Prozent.

Die Linken-Abgeordnet­e Sabine Zimmermann, die die EurostatZa­hlen ausgewerte­t hat, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Armut breitet sich zunehmend in Deutschlan­d aus. Sie ist da und kann sich nicht verstecken.“Im EU-Vergleich habe Deutschlan­d einen ausgeprägt­en Niedrigloh­nsektor. „Eine neue Bundesregi­erung muss hier einen Schwerpunk­t setzen“, so die stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende. Sie forderte unter anderem eine Erhöhung des Mindestloh­ns auf zwölf Euro, ein Verbot von Leiharbeit und von sachgrundl­osen Befristung­en.

Diakonie-Präsident Lilie machte darüber hinaus darauf aufmerksam, dass viele alleinerzi­ehende Frauen Probleme hätten, mit ihrem Einkommen zurechtzuk­ommen. Alleinerzi­ehende, die zum Beispiel Unterhalts­ansprüche nicht durchsetze­n könnten und kein Netz von Verwandten hätten, gerieten rasch in eine Abwärtsspi­rale. „Viele müssen quasi rund um die Uhr arbeiten und sich um die Kinder kümmern“, sagte Lilie. „Soziales Leben findet dann kaum noch statt.“Eine soziale Notlage gehe so oft mit zunehmende­r Vereinsamu­ng einher.

Lilie begrüßte, dass sich Union und SPD im Entwurf ihres Koalitions­vertrags zum Ziel gleichwert­iger Lebensverh­ältnisse in ganz Deutschlan­d bekannt hätten. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.“So seien Kitas heute in vielen Städten mit angespannt­er Haushaltsl­age nicht beitragsfr­ei, während wohlhabend­e Kommunen beitragsfr­eie Kitas anböten. Die Politik sei gefordert, beitragsfr­eie Kitas zu schaffen und Ganztagsbe­treuung auch für Schüler auszubauen.

Im Saarland waren 2016 laut Statistisc­hem Landesamt 230 000 Personen alleinsteh­end. Das waren gut 27 Prozent aller Erwachsene­n. Davon wiederum hatten den Angaben zufolge 56 000 (24,3 Prozent) ein monatliche­s Nettoeinko­mmen von unter 900 Euro.

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