Saarbruecker Zeitung

Martin Schulz auf Italienisc­h

Auch Matteo Renzi erlebte einen steilen Aufstieg und einen tiefen Fall. Jetzt versucht der italienisc­he Sozialdemo­krat wieder aufzustehe­n. Doch er wird gehasst.

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FLORENZ (dpa) Das rote Herz Italiens schlägt nicht mehr. Davon ist Massimo Giannotti überzeugt. Der Mann in den Sechzigern, der hinter dem Tresen in einer Bar in Florenz steht, ist wütend. „Dürfen wir Matteo Renzi in Brand setzen? Auf dem Platz vor dem Dom?“Ja, das sei jetzt radikal gewesen, gibt er zu. Aber er wünsche sich, dass die Sozialdemo­kraten um ihren Chef bei den Parlaments­wahlen am 4. März eine Niederlage kassieren.

Während SPD-Chef Martin Schulz in Deutschlan­d in der Versenkung zu verschwind­en droht, versucht sich der Chef der italienisc­hen Sozialdemo­kraten nach seiner Niederlage bei einem Referendum über eine Verfassung­sänderung 2016 wieder hochzukämp­fen. Gut sieht es für den Ex-Ministerpr­äsidenten auf dem Höhepunkt des Wahlkampfs nicht aus – das angesehene Magazin „L’Espresso“bezeichnet­e Renzi als meistgehas­sten Mann Italiens. Sein Partito Democratic­o schadet sich mit Grabenkämp­fen. Selbst in Florenz, wo der 43-Jährige einst als Bürgermeis­ter gefeiert wurde, scheint der Rückhalt zu schwinden.

Ein oft geäußerter Vorwurf: Renzi gehe es nur um sich. Er habe die klare Botschaft der Wähler nicht verstanden – dabei sei er es doch selbst gewesen, der das Referendum zu einer Abstimmung über seine eigene politische Zukunft erklärt hatte. Umfragen zeigen, dass das Vertrauen der Wähler in Renzi als Führungsfi­gur erschütter­t ist.

Die Positionen der politische­n Gegner scheinen für viele Wähler klarer, die Verspreche­n verlockend­er zu sein als die 100 Schritte, die Renzis Partei im Wahlprogra­mm verspricht. Die populistis­che Fünf-Sterne-Bewegung ist stärkste Einzelpart­ei mit etwa 28 Prozent, während das Mitte-Rechts-Lager mit Silvio Berlusconi­s Forza Italia und der ausländerf­eindlichen Lega derzeit um die 37 Prozent auf sich vereint. Die Sozialdemo­kraten liegen dahinter mit gut 23 Prozent. Und mit jedem neuen Ereignis während des Wahlkampfs scheinen sich die Probleme der Regierungs­partei zu verdoppeln. Nach Schüssen auf Afrikaner im mittelital­ienischen Macerata wurde Renzi für seine Appelle zur Ruhe in die Mangel genommen. Nach einer antifaschi­stischen Demonstrat­ion in der Stadt sah er sich mit der Frage konfrontie­rt, warum seine Partei nicht groß vertreten war.

„Zurzeit herrscht große Verwirrung in Italien“, sagt Fabrizio Guarducci, ein Florentine­r Regisseur. „Man streitet sich nicht um Inhalte, sondern um persönlich­e Befindlich­keiten. Es ist alles ein Spiel der Macht.“Italien sei an einen Punkt gelangt, an dem die Menschen die Parteien nicht mehr als legitime Kraft sähen, das Land zu führen. Von Beobachter­n wird Renzi bereits als „wandelnder Toter“beschriebe­n. Auf die Erfolgsspu­r hieven ihn auch frühere Verdienste nicht, die er nach seinem Antritt als Ministerpr­äsident Anfang 2014 erzielt hat. Damals gab er den „rottomator­e“, den großen Verschrott­er, wollte Italien von Grund auf umbauen und wurde zum Hoffnungst­räger. Doch noch immer ist die Wirtschaft nicht in der Lage, genügend Arbeitsplä­tze zu schaffen. Viele Familien leben in Armut oder sind davon bedroht.

Außerdem ist da weiter der Vorwurf, Renzi habe den Partito Democratic­o zu weit in die Mitte, wenn nicht sogar nach rechts gerückt und damit die Linke ausgehöhlt. Eigene Parteikoll­egen fielen dem 43-Jährigen in den Rücken, treten nun mit einer eigenen Linksparte­i an und stehlen dem PD Stimmen.

Renzis Gegner halten ihn für einen arroganten Machtpolit­iker. Nach seinem Rücktritt 2016 sei viel über seinen Charakter geschriebe­n worden, sagt er selbst. Aber seiner Ansicht nach ist Sympathie nicht die entscheide­nde Eigenschaf­t für einen Regierungs­chef – sondern, dass dieser das Land führen könne.

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Überleben.
FOTO: DPA/FISCHER Ex-Ministerpr­äsident Matteo Renzi kämpft ums politische Überleben.

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