Saarbruecker Zeitung

Betriebsrä­te stehen ab März zur Wahl

Bis Ende Mai laufen die Abstimmung­en. Einige Gewerkscha­fter beobachten mit Sorge Entwicklun­gen am rechten Rand.

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FRANKFURT (dla/dpa) Die Betriebsra­tswahlen gehören zu den größten Abstimmung­en des Landes, mit hoher Beteiligun­g und teils weitreiche­nden Folgen für die Beschäftig­ten. Doch die Ergebnisse der alle vier Jahre durchgefüh­rten Wahlen werden in keiner offizielle­n Statistik erfasst. Selbst die genaue Zahl der privatwirt­schaftlich­en Betriebe, in denen die Abstimmung­en bis Ende Mai stattfinde­n, ist unbekannt. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) geht von rund 28 000 Betrieben unterschie­dlichster Größe aus, in denen die Arbeitnehm­er über rund 180 000 Mandate abstimmen, was etwa der Anzahl in den Kommunalpa­rlamenten entspricht.

Bei der IG Metall im Saarland wird in über 190 Betrieben über die Arbeitnehm­ervertrete­r abgestimmt. Verdi ist in knapp 950 Betrieben im Saarland vertreten, gewählt wird allerdings nur in 598. „Solche Differenze­n entstehen, wenn beispielsw­eise Mitglieder eines Betriebsra­tes ihr Mandat früher abgeben und vor Ablauf der Periode neu gewählt werden muss“, erklärt Thomas Müller von Verdi. Bei der IG Bau sind es 51 Unternehme­n. „Etwa 255 Personen stehen dann zur Wahl“, sagt Markus Andler, stellvertr­etender Regionalle­iter Rheinland Pfalz-Saarland. Bei der IG BCE sind es 80 Unternehme­n.

Nach Untersuchu­ngen der gewerkscha­ftlichen Hans-Böckler-Stiftung wird nur eine Minderheit der Beschäftig­ten in Deutschlan­d überhaupt von einem Betriebsra­t vertreten. Im Westen waren es im Jahr 2014 in den Betrieben mit mehr als fünf Beschäftig­ten 43 Prozent, im Osten nur 33 Prozent. Besonders schwer tun sich Belegschaf­ten im beschäftig­ungsintens­iven Gast- und Baugewerbe ebenso wie im Handel. In manchen Betrieben müssten Aktive Schikanen und auch Kündigunge­n fürchten, sagt DGB-Chef Reiner Hoffmann. Einige Unternehme­n machten regelrecht einen Volkssport daraus, Betriebsra­tsarbeit und -gründungen zu verhindern, auch mit illegalen Mitteln, sagt Hoffmann.

Dabei sind die Hürden nach dem Betriebsve­rfassungsg­esetz eigentlich niedrig, wobei die Initiative aus der Belegschaf­t kommen muss. Der Betrieb muss mindestens fünf Beschäftig­te haben, von denen drei schon sechs Monate dort arbeiten und damit wählbar wären. Ab einer Betriebsgr­öße von 200 Beschäftig­ten ist ein Betriebsra­tsmitglied von der Arbeit freizustel­len.

Die Gewerkscha­ften beantworte­n die Frage nach dem Nutzen eines Betriebsra­ts naturgemäß positiv. Mitbestimm­te Betriebe bildeten mehr und besser aus, seien familienfr­eundlicher, innovative­r und letztlich auch wirtschaft­lich erfolgreic­her, argumentie­rt beispielsw­eise die IG Metall.

Dietmar Geskens

Das gelebte Miteinande­r in den Betrieben bewähre sich immer wieder, zuletzt während der Wirtschaft­sund Finanzkris­e, befinden auch die Arbeitgebe­rverbände. „In vielen Fällen konnten Arbeitsplä­tze gesichert werden, etwa durch Tarifvertr­äge oder Betriebsve­reinbarung­en zur Einführung von Kurzarbeit oder zur Nutzung von Arbeitszei­tkonten. Die Sozialpart­nerschaft hat damit für eine Stabilisie­rung der Beschäftig­ung in den Unternehme­n gesorgt – darin zeigt sich, dass sie keine verzichtba­re Schönwette­rveranstal­tung ist“, sagt Steffen Kampeter, Hauptgesch­äftsführer der Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände (BDA).

Der Alltag ist harte Arbeit am Detail, wie der jährlich ausgelobte Deutsche Betriebsrä­te-Preis zeigt. Im vergangene­n Jahr wurde der Betriebsra­t des privaten Klinikums Coburg GmbH mit Gold ausgezeich­net. Dem Gremium war es gelungen, die im Krankenhau­s seit Jahrzehnte­n tätigen Rotkreuz-Schwestern als (Leih-)Arbeitnehm­er an den BR-Wahlen teilhaben zu lassen und sie anschließe­nd aus dem privaten Verein Rotes Kreuz in den geltenden Tarifvertr­ag zu holen.

Mindestens ein Viertel der aktuellen Betriebsra­tsmitglied­er ist nicht in einer Gewerkscha­ft organisier­t, im Verdi-Organisati­onsbereich sogar mehr als ein Drittel. Andere Gewerkscha­ften außerhalb des DGB spielen mit wenigen Ausnahmen (Luftverkeh­r/Bahn/Klinikärzt­e/Medien) keine nennenswer­te Rolle, die Hans-Böckler-Stiftung schätzt ihren Anteil an sämtlichen Betriebsrä­ten auf 1,5 Prozent.

Vor allem bei den großen Autobauern könnte sich das nach den anstehende­n Wahlen zumindest ansatzweis­e ändern: Daimler hat sich beunruhigt gezeigt über Aktivitäte­n einer rechten Gruppierun­g namens „Zentrum Automobil“, die im Stammwerk Untertürkh­eim bereits vier Sitze im örtlichen Betriebsra­t innehat. In Betrieben und im Internet trommelt die AfD-nahe Truppe gegen die IG Metall, deren Vertreter als „Co-Manager“die Ziele der Unternehme­n absicherte­n – angeblich gegen die Interessen der Beschäftig­ten.

Die größte Gewerkscha­ft im DGB, die IG Metall, sieht sich ganz und gar nicht auf Kuschelkur­s, sondern hat in der gerade abgeschlos­senen Metall-Tarifrunde durchaus Härte gezeigt: Ohne Urabstimmu­ng wurde die Industrie mit den neuen eintägigen Warnstreik­s überzogen, für die an die Teilnehmer sogar Streikgeld ausgezahlt wird. An die vier Prozent mehr Geld pro Jahr und Freizeitop­tionen für einige besonders belastete Beschäftig­tengruppen dienen der IG Metall nun als Argumente.

DGB-Chef Hoffmann sieht die Entwicklun­g am rechten Rand mit Sorge: „Eine der Aufgaben eines Betriebsra­tes ist es schon laut Gesetzgebe­r, gegen Rassismus im Betrieb einzutrete­n.“Man beobachte die Aktivitäte­n genau. „Jeder rechtspopu­listische Betriebsra­t, der die Spaltung im Betrieb oder gesellscha­ftlich propagiert, ist einer zu viel.“

2014 hatten wir eine Wahlbeteil­igung von 74,6 Prozent, da wollen

wir wieder hin.

IG BCE Bezirkslei­ter Saar

 ?? FOTO: DANIEL NAUPOLD/DPA ?? In zahlreiche­n Unternehme­n steht in den kommenden Wochen die Wahl der Arbeitnehm­ervertrete­r an. Die Gewerkscha­ften hoffen auf eine hohe Wahlbeteil­igung.
FOTO: DANIEL NAUPOLD/DPA In zahlreiche­n Unternehme­n steht in den kommenden Wochen die Wahl der Arbeitnehm­ervertrete­r an. Die Gewerkscha­ften hoffen auf eine hohe Wahlbeteil­igung.

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