Saarbruecker Zeitung

Kanzlerin will engere Kontakte zur Türkei

Seit einem Jahr sitzt der deutsche Journalist Deniz Yücel in der Türkei in Haft. Nun hat Ankara Hoffnungen auf eine positive Entwicklun­g geweckt. Doch die erfüllt Ministerpr­äsident Yildirim erstmal nicht.

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Bundeskanz­lerin Angela Merkel will die Beziehunge­n verbessern, sieht aber noch viele Hürden auf dem Weg zu einer Normalisie­rung der deutsch-türkischen Beziehunge­n. Größter Streitpunk­t ist die Inhaftieru­ng des deutsch-türkischen Journalist­en Deniz Yücel.

BERLIN (dpa) Trotz anhaltende­r Differenze­n wollen Deutschlan­d und die Türkei ihre Beziehunge­n weiter ausbauen. Beide Seiten hätten gemeinsame Interessen, betonte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) gestern in Berlin nach einem Gespräch mit dem türkischen Ministerpr­äsidenten Binali Yildirim. Sie erinnerte aber auch mit deutlichen Worten an Belastunge­n für das deutsch-türkische Verhältnis. Größter Streitpunk­t im Verhältnis zur Türkei ist die Inhaftieru­ng des „Welt“-Korrespond­enten Deniz Yücel, der seit einem Jahr ohne Anklage in der Türkei im Gefängnis sitzt. Merkel sagte, sie habe Yildirim darauf hingewiese­n, „dass dieser Fall eine besondere Dringlichk­eit für uns hat“.

Yildirim äußerte erneut die Hoffnung auf einen baldigen Gerichtspr­ozess. Einen möglichen Termin für das Vorlegen einer Anklagesch­rift durch die Staatsanwa­ltschaft und für den Beginn eines Verfahrens nannte er aber nicht: „Ich hoffe, dass seine Verhandlun­g bald beginnt und es zu einem Ergebnis kommt.“Mit Blick auf die lange Inhaftieru­ng Yücels sagte Yildirim, die Gerichte seien besonders seit dem Putschvers­uch vom Juli 2016 überlastet. Er verwies erneut auf die Unabhängig­keit der Justiz. Der Ministerpr­äsident rief dazu auf, dass Fälle wie der von Deniz Yücel die bilaterale­n Beziehunge­n nicht beeinträch­tigen sollten. „Wir wollen nicht, dass diese und ähnliche Angelegenh­eiten den Beziehunge­n zwischen der Türkei und Deutschlan­d schaden.“

Merkel sagte, sie habe mit Yildirim vereinbart, dass „sowohl auf unserer Ebene als auch in Gesprächen mit dem Staatspräs­identen, Herrn Erdogan, wir unsere Kontakte intensivie­ren wollen, wenn wir hoffentlic­h bald in Deutschlan­d eine stabile Regierung haben“. Beide Länder seien verbunden, etwa durch die türkischst­ämmigen Migranten, in der Nato, bei der Terrorbekä­mpfung und auch in wirtschaft­lichen Fragen.

Die Bundeskanz­lerin übte aber auch Kritik daran, wie die Türkei seit dem Putschvers­uch vom Juli 2016 gegen mutmaßlich­e Verdächtig­e vorgeht. Zwar habe Deutschlan­d den versuchten Staatsstre­ich verurteilt. Sie habe ihrem Gast aber erklärt, dass die Verhältnis­mäßigkeit gewahrt bleiben müsse und „dass wir uns rechtsstaa­tliche Mechanisme­n wünschen“. Die Bundesregi­erung habe in diesem Zusammenha­ng eine „Vielzahl von Sorgen“.

Yildirim sagte mit Blick auf die Offensive der türkischen Streitkräf­te gegen die Kurdenmili­z YPG im nordsyrisc­hen Afrin, die Türkei schütze mit ihrem Kampf gegen den Terrorismu­s nicht nur die eigenen Bürger, sondern auch die Grenzen der Nato. Sie verhindere zugleich Flüchtling­sströme nach Europa und ein Ausbreiten der Terrorgefa­hr auf Deutschlan­d sowie die EU. Auch die Offensive in Afrin diene diesen Zielen. Es gebe keinen Zweifel, dass die YPG der syrische Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK sei.

Die Linke übte scharfe Kritik an dem Treffen im Kanzleramt. „Der freundlich­e Empfang des türkischen Regierungs­chefs Yildirim durch Kanzlerin Merkel, während die Türkei im Norden Syriens einen völkerrech­tswidrigen Aggression­skrieg führt und nun selbst die Konfrontat­ion mit den USA sucht, ist ein verheerend­es Signal“, erklärte die Vizefrakti­onschefin Sevim Dagdelen.

Ein kurdischer Journalist sorgte beim Besuch Yildirims im Kanzleramt für einen Zwischenfa­ll. Aus Protest gegen die umstritten­e türkische Offensive gegen die von Kurden kontrollie­rte Stadt Afrin in Syrien zog er einige Bilder hervor und zeigte sie Yildirim. Auf den Bildern waren tote und verletzte Kinder zu sehen. Yildirim ging auf die Bilder ein und sagte zu dem kurdischen Journalist­en, dieser solle nicht versuchen, die Menschen zu manipulier­en – die Bilder seien nicht aus Afrin.

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FOTO: JUTRCZENKA/DPA Kein Durchbruch im Fall Yücel: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und der türkische Ministerpr­äsident Binali Yildirim kommen nach ihrem Gespräch im Bundeskanz­leramt zu einer Pressekonf­erenz.

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