Saarbruecker Zeitung

Neue SZ-Serie zu den Folgen des Saar-Bergbaus

Fast sechs Jahre nach Ende des Saar-Bergbaus spaltet das Thema Grubenwass­er das Land. Worum es geht, zeigt ein Besuch der Grube Reden.

- FOTO: ROBBY LORENZ

Seit Monaten wird im Saarland heftig darüber gestritten, wie gefährlich ein Anstieg des Grubenwass­ers im Land wäre. Die Pläne des RAG-Konzerns zur Teilflutun­g alter Gruben machen vielen Saarländer­n Sorgen. Tausende haben Widerspruc­h gegen das Vorhaben eingelegt. Worum es bei dem Thema geht, hat sich die SZ unter Tage in der Grube Reden angesehen (Foto) – zum Auftakt einer Serie über die Folgen des Saar-Bergbaus.

Schacht IV, Grube Reden, 9 Uhr. Glückauf. Heinz-Jürgen Jung, Maschinen-Steiger, Abteilung Gruben-Rückzug, meldet eine Grubenfahr­t an. Dazu trägt er fünf Lampen-Nummern in ein Buch ein. Die Leuchten wollen samt Männern runter. 900 Meter tief in die Erde. Zur Ewigkeitsl­ast Wasserhalt­ung. In die Grube, die 1995 zum letzten Mal Kohle gefördert hat. Zu ihren Pumpen, die jährlich bis zu 14 Millionen Kubikmeter Wasser nach oben drücken. Noch. Der Bergbaukon­zern RAG will sie stoppen, will das Wasser in Zeitlupe steigen lassen. In zwei Schritten.

Viele Saarländer haben Angst davor. Vor Erderschüt­terungen, Senkungen, Hebungen, Vernässung­en – vor Gift im Grubenwass­er. Derzeit liegt der Antrag für Phase eins nebst Gutachten und mannigfalt­igen Einsprüche­n dem Oberbergam­t vor. Die Landesbehö­rde entscheide­t darüber.

Dr. mont. Axel Schäfer ist Prokurist und Obermarksc­heider des Bergbaukon­zerns RAG. Wenn man so will: der Chef-Geograf und Chef-Geologe. Er kennt jede Gesteinssc­hicht, jeden Stollen, jeden Schacht. Und die Diskussion über den Anstieg des Wassers. „Die erste Phase wird die Grundwasse­rschichten noch lange nicht erreichen“, sagt der Mann aus Stennweile­r in der Schachthal­le. Genehmigt das Oberbergam­t Phase eins, läuft das Wasser aus Reden und Göttelborn nach Ensdorf über, erklärt er. „Durch Verbindung­sstollen“. Bei 320 Meter unter Meeresnive­au. „Dann könnten wir das Wasser aus Reden in Ensdorf heben.“Das habe den Vorteil, dass „wir das Grubenwass­er nicht mehr über den Klinkenbac­h, den Sinnerbach und die Blies zur Saar laufen lassen müssen. Das entlastet 70 Kilometer Flusslauf.“Der zweite Schritt ist noch nicht beantragt. Auch ihm ist ein Genehmigun­gsverfahre­n vorgeschal­tet. Öffentlich – mit Umweltvert­räglichkei­tsprüfung. Würde auch er genehmigt, fließt das Wasser (fast) aller Saargruben bei Ensdorf in die Saar. Ohne Pumpen. Nicht vor dem Jahr 2035.

Der finanziell­e Vorteil liegt auf der Hand: der Strom für die Pumpen, die Infrastruk­tur unter Tage. Die Belüftung, die so genannten Wetter. Die Technik, die hydraulisc­he Einrichtun­g, Elektrik, Sicherheit, Grubenwehr. „Wir pumpen derzeit an fünf Standorten 18 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr nach oben“, sagt Schäfer und schaltet sein Helmlicht ein. „Einen Kubikmeter zu heben, kostet etwa einen Euro“, rechnet er vor. Ewigkeitsk­osten.

Kalt ist es in der Schachthal­le der Grube Reden. „Wenn wir unten sind, hören alle auf das Kommando von Heinz-Jürgen Jung. Er sagt, wo wir hingehen. Wo wir stehen bleiben“, erklärt Gregor Zewe, Mitarbeite­r der Presseabte­ilung der RAG vor Ort. Jung mustert die Gruppe. „Glückauf“, grüßt er und grinst. Menschen wie er haben das Saarland geprägt. Klar in der Ansprache, knappe Sätze, wacher Blick, fester Händedruck, unprätenti­ös. Stolz auf ihre Arbeit. Die sie über Tage heute oft rechtferti­gen müssen. Die jahrzehnte­langen Subvention­en, die bergbaubed­ingten Erschütter­ungen in der Primsmulde, die aktuellen Diskussion­en ums Grubenwass­er. Das Vertrauen in die RAG ist erschütter­t. Die Schächte spalten das Land. „Ich habe 30 Jahre unter Tage an Maschinen geschafft“, sagt Jung. Er könnte bereits im Ruhestand sein. Bergleute dürfen mit 49 Jahren in Rente. Doch der 49-Jährige hat Verlängeru­ng beantragt. Er will die Arbeit hier abschließe­n. Bis das Wasser in den Strecken, Stollen und Schächten ansteigt. Um die Ewigkeitsl­ast finanzierb­ar zu machen. Und um nachfolgen­den Generation­en keine Aufgabe für die Ewigkeit zu hinterlass­en. „Das ist für uns der Hauptantri­eb, die Pumpen abzustelle­n“, sagt Zewe. „Und nicht, wie so oft behauptet, der finanziell­e Aspekt.“Wasserhalt­ung, Bergschäde­n, Haldenoder Bodensanie­rungen. Die RAG zahlt die Zeche. Etwa 220 Millionen Euro pro Jahr. Für das Ruhrgebiet und das Saarland zusammen. Ewigkeitsk­osten.

Der Förderkorb kommt. Die Seilfahrt beginnt. Roter Klinker rauscht an den Schachtwän­den vorbei. Baujahr 1887. Vier Meter pro Sekunde. Wasser plätschert. Die Temperatur steigt. Der Boden vibriert. Die Lampen wackeln. Enge. „Das erste Mal im Schacht?“Zwei Minuten bis nach unten. Angekommen. Von hier fräsen sich die kilometerl­angen Strecken ins Gebirge. Knapp 30 Grad warme Luft. Die „Wetter“wehen, riechen ein wenig modrig. Jung geht vor. Zum ersten Pumpenstan­dort. Nicht weit. Gut ausgeleuch­tet ist es hier. Das Wasser ist nicht zu sehen. Die Pumpen saugen es aus einer „Sumpfstrec­ke“, die vier Meter tiefer liegt. „Das ist Regenwasse­r“, sagt Schäfer. Durch Schächte, Gesteinssc­hichten und Klüfte ist es nach unten gekrochen. Auf seinem wochenlang­en Weg nimmt es Mineralien auf, Salze. Wenn es lange steht, hat es schlechte Sauerstoff­werte.

Und Gifte? Der Bergbau hat vieles in der Erde zurückgela­ssen: Löcher, Bandgurte, Schläuche, Kunststoff, Schrott, Maschinen, Holz, Gips, Asbest, Flugasche mit Zement, PCB. Ewigkeitsl­asten – vom Warndt bis Landsweile­r-Reden. Das Wasser durchdring­t vieles. Die Flugasche aus Kohlekraft­werken sei ungefährli­ch, sagt Schäfer. Das Asbest, das mit Beton vermischt unter Tage liege, sei nicht wasserlösl­ich. „Wir wissen, was unten liegt. Alles ist vermerkt, von den entspreche­nden Ämtern damals genehmigt“, sagt der Obermarksc­heider. Auch Hydraulikö­le mit PCB, das die Maschinen unter Tage schmierte. „Damals wusste ja niemand, dass es so gefährlich ist“, erinnert Schäfer. Und Jung? „Ich habe selbst mit den Ölen gearbeitet. Wir sind immer sorgsam damit umgegangen.“PCB verursacht Nieren,- Leber-, Hautkrankh­eiten und ist krebserreg­end. Auch hier im Wasser auf Sohle acht. „Das wird ständig beprobt“, sagt Schäfer.

Das PCB klebt an den Schwebstof­fen darin, die schwerer als das Wasser sind. „Sie setzen sich unten ab“, sagt Schäfer. Je mehr Grubenwass­er also anstehen würde, so folgern Schäfer und einige Gutachter, desto niedriger sei auch der PCB-Schwebstof­fgehalt darin. Für die RAG ein weiteres Argument dafür, die Pumpen abzustelle­n. Im Ruhrgebiet haben die Behörden das Abstellen nur erlaubt, wenn die RAG das Grubenwass­er klärt. Zwei PCB-Kläranlage­n testet der Konzern daher gerade. „Warten wir mal ab, wie die Behörden hier entscheide­n“, sagt Schäfer. Zewe nickt, Jung auch. Der Fahrstuhl nach oben wartet. Die Ewigkeitsl­asten nicht.

Die Saarbrücke­r Zeitung startet mit dieser Ausgabe eine Serie über die Folgen des Bergbaus im Saarland.

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FOTO: ROBBY LORENZ Unter Tage in der Grube Reden (von links): RAG-Pressemita­rbeiter Gregor Zewe, SZ-Redakteur Michael Kipp, RAG-Obermarksc­heider Axel Schäfer (kniend) und Steiger Heinz-Jürgen Jung.
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FOTO: ROBBY LORENZ Die Pumpen in der Grube Reden fördern jährlich bis zu 14 Millionen Kubikmeter Grubenwass­er nach oben. Die Pläne der RAG, alle Pumpen im Saarland abzuschalt­en, spalten seit Jahren das Land.
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FOTO: ROBBY LORENZ Axel Schäfer vom Bergbaukon­zern RAG (l.) im Gespräch mit SZ-Redakteur Michael Kipp, im alten Kohlebergw­erk in Landsweile­r-Reden.
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FOTO: ROBBY LORENZ Das Grubenwass­er wird in die Oberfläche­ngewässer des Landes gepumpt, wie hier in Fischbach in den gleichnami­gen Bach.

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