Saarbruecker Zeitung

Brexit wird für Deutschlan­d teuer

Berlin soll mehr an Brüssel zahlen und bekommt weniger zurück.

- VON DETLEF DREWES

Deutschlan­d wird zu den großen Verlierern des Brexit gehören. Denn nach dem Austritt der Briten aus der EU muss Berlin mehr nach Brüssel zahlen und bekommt weniger Geld zurück.

BRÜSSEL Wirklich gern gesehen ist Günther Oettinger in den EU-Hauptstädt­en derzeit nicht. Der für den europäisch­en Haushalt zuständige CDU-Politiker, früher einmal Ministerpr­äsident von Baden-Württember­g, weiß selbst: „Wenn’s um Geld geht, gibt es Streit.“Dennoch tingelt der Schwabe derzeit durch die Regierungs­zentralen der Gemeinscha­ft, um die Mitgliedst­aaten schon einmal auf das vorzuberei­ten, was er im Mai vorlegen will: einen Vorschlag für die nächste siebenjähr­ige Finanzperi­ode ab 2021. „Wir werden maßvoll, aber nennenswer­t in fast allen Programmen des EU-Haushalts kürzen müssen“, stellte er vor wenigen Tagen bei einer Visite in Wien einmal mehr fest. Auf 12 bis 14 Milliarden Euro pro Jahr beziffert er das Finanzloch, das die Briten hinterlass­en. „Diese Brexit-Lücke müssen wir etwa zur Hälfte durch Kürzungen im bestehende­n Haushalt ausgleiche­n“, betont er seit Wochen.

Die andere Hälfte soll durch Mehreinnah­men hereingeho­lt werden – unter anderem durch höhere Beiträge der starken Mitgliedst­aaten wie Deutschlan­d. „Mindestens drei bis 3,5 Milliarden Euro“soll Berlin künftig mehr überweisen. Denn Oettinger muss viele gestiegene Ausgaben bezahlen. Vor allem der Schutz der Außengrenz­en und der Kampf gegen den Terror verschling­en Unsummen. Hinzu kommen weitere wichtige Vorhaben, die allgemein begrüßt werden, wie die Ausweitung des Erasmus-Programms für den Austausch von Studenten und Auszubilde­nden. Für ein „Ende des Spardiktat­s“, wie es der frühere SPD-Vorsitzend­e Martin Schulz gefordert hatte, gebe es keinen Platz: „Nein, im Gegenteil.“Es werde tiefe Einschnitt­e, aber „keinen Kahlschlag“geben müssen, unterstrei­cht Oettinger, wo immer er über die künftigen Haushaltsd­aten spricht. Allein die beiden größten Ausgabenbl­öcke der Union – dem Agrarfonds und dem Budget für die Infrastruk­tur (Kohäsionsf­onds) – dürften um fünf bis zehn Prozent zusammenge­strichen werden.

Deutschlan­d trifft das besonders, weil die künftige Bundesregi­erung nicht nur mehr Geld in die Gemeinscha­ftskasse einzahlen muss, sondern auch deutlich weniger wieder herausbeko­mmt. Schon ist die Rede von einer Nullrunde für deutsche Kommunen, die mit EU-Subvention­en manch wichtiges Infrastruk­turprojekt verwirklic­hen konnten. Zu groß ist der Abstand zu den ärmeren Regionen der Gemeinscha­ft, denen der Löwenantei­l zukommt. Dabei gehört die Bundesrepu­blik bisher schon zu den Nettozahle­rn des europäisch­en Projektes. 2016 zahlte der Bundesfina­nzminister rund 12,9 Milliarden Euro mehr an die EU als wieder zurückflos­sen. Diese Lücke würde wohl deutlich größer – auch wenn die Kommission immer wieder darauf hinweist, dass diese Rechnung nicht wirklich fair sei. Denn eine exportstar­ke Wirtschaft­snation wie Deutschlan­d profitiere überdurchs­chnittlich viel vom Binnenmark­t – Exporte, so heißt es, bedeuten Steuereinn­ahmen und Beiträge zur den Sozialsyst­emen. Im Übrigen, so rechnete die Behörde erst im Januar aus, bekämen die Bundesbürg­er für gerade mal 84 Cent am Tag einen Binnenmark­t, Sicherheit, Verbrauche­rschutz, gesunde Lebensmitt­el und viele Investitio­nen in Bildung und Arbeit. Das sei deutlich weniger als eine Tasse Cappuccino kostet.

Mit seinen Erwartunge­n an die nächste Bundesregi­erung tut sich Oettinger allerdings leicht. Schließlic­h haben Union und Sozialdemo­kraten sozusagen einen Freibrief nach Brüssel geschickt. Im Entwurf des Vertrages für eine Große Koalition schrieben die Partner nämlich: „Wir sind zu höheren Beiträgen Deutschlan­ds zum EU-Haushalt bereit.“Ganz anders als Österreich, Schweden, Finnland, Dänemark und die Niederland­e. Die haben bereits mitgeteilt, dass sie nicht gewillt seien, mehr Geld zu zahlen.

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FOTO: DUNAND/AFP EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger

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