Saarbruecker Zeitung

„Die Türkei bleibt ein Willkür-Regime“

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE STEFAN VETTER

BERLIN Der türkischst­ämmige Grünen-Politiker Cem Özdemir hat sich erleichter­t über die Freilassun­g des seit mehr als einem Jahr inhaftiert­en Journalist­en Deniz Yücel gezeigt. Eine Entwarnung im angespannt­en deutsch-türkischen Verhältnis sei das aber nicht, sagte er.

Herr Özdemir, ist die türkische Regierung jetzt zur Vernunft gekommen?

ÖZDEMIR Die Freilassun­g von Deniz Yücel ist natürlich sehr erfreulich. Ich freue mich für seine Familie und alle seine Freunde, zu denen ich mich auch zählen darf. Allerdings wäre es sehr naiv, daraus den Schluss zu ziehen, dass sich am Charakter des Regimes in Ankara irgendetwa­s geändert haben könnte. Das zeigt schon die Tatsache, dass Deniz trotzdem noch bis zu 18 Jahre Haft drohen. Vergessen werden darf auch nicht, dass über 150 türkische Journalist­en weiter im Gefängnis sitzen. Die Türkei bleibt ein Willkür-Regime.

Welche Motive stecken hinter der Freilassun­g?

ÖZDEMIR Offensicht­lich braucht die Türkei deutsches Geld, deutsche Investitio­nen und deutsche Touristen dringender denn je. Da passte die Haft von Deniz nicht mehr in die Landschaft.

Wer hat in der Bundesregi­erung den größten Anteil an Yücels Freikommen – Kanzlerin Merkel oder Außenminis­ter Gabriel?

ÖZDEMIR Vor allem war es der Druck der Öffentlich­keit, der dazu geführt hat, dass die Bundesregi­erung insgesamt nicht nachlassen durfte.

Halten Sie es für möglich, dass die Freilassun­g ohne Gegenleist­ung der Bundesregi­erung zustande kam?

ÖZDEMIR Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Die Frage ist eher, worin diese Gegenleist­ung besteht. Sie sollte nicht darin bestehen, dass wir im Gegenzug das türkische Militär weiter aufrüsten.

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FOTO: KÄSTLE/DPA Grünen-Politiker Cem Özdemir ist privat mit Deniz Yücel befreundet.

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