Saarbruecker Zeitung

Die Schwanksch­windler

Schwindeld­iagnostike­r sollte es nicht nur in der Medizin geben. In der Politik wären sie manchmal sogar noch viel nützlicher, findet unser Autor.

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In der Saarbrücke­r Bahnhofstr­aße gibt es einen Arzt, dessen Praxisschi­ld mich sofort gefesselt hat: Der gute Mann ist nämlich Facharzt für Schwindeld­iagnosen. Dolle Sache, dachte ich mir gleich. Vor allem in Zeiten wie diesen, wo Politiker in Bund und Land gerade die seltsamste­n Purzelbäum­e schlagen. Vielleicht, weil ihnen schwindeli­g ist? Oder weil sie generell zu Schwindel und Schwindeln neigen?

Ich persönlich habe in meinem privaten wie berufliche­n Umfeld schon mehrfach bei meinen Mitmensche­n Schwindel diagnostiz­iert, aber da ich kein Fachmann bin, will ich mich an dieser Stelle nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Die Medizin jedenfalls unterschei­det Schwindel in die Kategorien „Systematis­cher Schwindel“(gerichtete­r Schwindel) und „Unsystemat­ischer Schwindel“(ungerichte­ter Schwindel). Den unsystemat­ischen Schwindel will ich an dieser Stelle mal außer

Acht lassen, das gehört zum Politikerd­asein dazu wie regelmäßig­e Diätenerhö­hrungen und Dienstwage­naffären. Interessan­ter ist der systematis­che Schwindel, den ich bei Ex-SPD-Chef Martin Schulz – oder Chulz, wie er selbst sagen würde – ausgemacht habe. Ich zähle ihn zur Unterkateg­orie der sogenannte­n Schwanksch­windler. Dass Schulz innerhalb des vergangene­n Jahres bei seinen Positionen geschwankt hat, wird keiner ernsthaft in Abrede stellen. In Verbindung mit Schwindel wird daraus eine abenteuerl­iche Karussell-Fahrt, deren Fliehkräft­e irgendwann nicht mehr auszuhalte­n sind. Und um seinen persönlich­en Vorteil zu sichern, war ihm ja kein Schwindel zu gering. Betrachtet man den Schwindel nicht medizinisc­h, sondern sprachlich, hilft der Duden weiter. Als Synonyme für Schwindel steht dort: „Augenwisch­erei, Bauernfäng­erei, Betrug, Betrügerei, Bluff, Fälschung, Gaunerei, Hintergehu­ng, Irreführun­g, Lüge, Prellerei, Scharlatan­erie, Täuschung, Trick, Fake, Geflunkere, Mogelei, Schmu, Schummel, Schummelei, Verladung, Verschauke­lung und Beschiss.“Ist Beschiss nicht ein herrliches Wort, das zu dem ganzen Vorgang („Ich will nicht Minister im Kabinett Merkel werden“) wunderbar passt? Aber wozu über Berlin unken, es reicht ja ein Blick in die saarländis­chen Landespoli­tik.

Vor der Vereidigun­g einer neuen Landtagspr­äsidentin oder eines Präsidente­n sollte man unbedingt einen Schwindeld­iagnostike­r zu Rate ziehen. Ich kenne da einen, den ich wärmstens empfehlen kann.

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