Saarbruecker Zeitung

300 zivile Todesopfer in syrischem Rebellenge­biet

Regierungs­truppen setzen ihre Angriffe auf das Rebellenge­biet Ost-Ghuta fort. Die Bundesregi­erung spricht von einem „Massaker“.

-

Die syrische Luftwaffe setzt ihre Luftangrif­fe auf die Rebellenho­chburg Ost-Ghuta unverminde­rt fort. Seit Beginn der Offensive starben nach Angaben der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte fast 300 Zivilisten.

DAMASKUS/NEW YORK/BERLIN (dpa) Die massiven Angriffe auf das syrische Rebellenge­biet Ost-Ghuta haben weltweit die Sorge vor einer weiteren Eskalation des Konflikts verschärft. Die Bundesregi­erung verurteilt­e die Offensive der syrischen Armee als „Feldzug gegen die eigene Bevölkerun­g“. Regierungs­sprecher Steffen Seibert forderte in Berlin Syriens Machthaber Baschar al-Assad auf, das „Massaker“in der Region zu beenden. Ein Sprecher des Auswärtige­n Amtes sagte: „Das Grauen von Aleppo droht sich nun wenige Kilometer von Damaskus entfernt zu wiederhole­n.“Bei den Angriffen auf Ost-Ghuta wurden in den vergangene­n Tagen Aktivsten zufolge fast 300 Zivilisten getötet.

Allein gestern kamen bei Luftangrif­fen und Artillerie­beschuss auf die Region nahe Damaskus mindestens 27 Zivilisten ums Leben, wie die Syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte berichtete. Das eingeschlo­ssene Gebiet bei Damaskus erlebt eine der schlimmste­n Angriffswe­llen seit Beginn des Krieges vor fast sieben Jahren. Syrische Einheiten hatten eine Bodenoffen­sive auf Ost-Ghuta angekündig­t.

Unter den fast 300 getöteten Zivilisten seien mehr als 70 Kinder, erklärten die Menschenre­chtler. Mehr als 1500 Menschen seien verletzt worden. Aktivisten meldeten rund 3000 Angriffe seit Sonntag. „Unsere Leichenhäu­ser sind voll, unsere Gräber können keine weiteren Körper aufnehmen“, sagte der Aktivist Abu Ahid. Ärzte ohne Grenzen (MSF) berichtete, seit Sonntag seien 13 Kliniken, die von der Hilfsorgan­isation in der Region unterstütz­t werden, angegriffe­n und zerstört oder beschädigt worden. Insgesamt zählte MSF alleine in den unterstütz­ten Krankenhäu­sern 237 Tote und knapp 1300 Verletzte.

Angesichts der Eskalation in OstGhuta zeigte sich UN-Generalsek­retär António Guterres „zutiefst beunruhigt“. Besonders die Folgen für die Zivilbevöl­kerung machten ihm Sorgen, sagte sein Sprecher Stephane Dujarric. Regierungs­sprecher Seibert appelliert­e an Syriens Verbündete Iran und Russland, auf Machthaber Assad einzuwirke­n. „Ohne die Unterstütz­ung dieser beiden Verbündete­n wäre das Assad-Regime militärisc­h nicht da, wo es heute ist“, sagte er.

Regierungs­treue syrische Medien meldeten gestern, auch russische Flugzeuge flögen Luftangrif­fe auf Ost-Ghuta. Kremlsprec­her Dmitri Peskow wies jedoch Vorwürfe entschiede­n zurück, Russland sei am Tod von Hunderten Zivilisten in dem Gebiet beteiligt. „Das ist haltlos, völlig unklar, auf was die Vorwürfe basieren“, sagte Peskow.

„Unsere Leichenhäu­ser sind voll, unsere Gräber können keine weiteren

Körper aufnehmen.“

Abu Ahid

Ärzte ohne Grenzen

Ost-Ghuta gehört zu den letzten Gebieten des Bürgerkrie­gslandes, die noch unter Kontrolle von Rebellen stehen. Dominiert wird die Region von islamistis­chen Milizen. Sie ist seit Monaten von Regierungs­truppen eingeschlo­ssen. Rund 400 000 Menschen sind dort wegen der Blockade fast vollständi­g von der Außenwelt abgeschnit­ten.

Die Lage im Nordwesten des Bürgerkrie­gslandes, wo seit dieser Woche syrische Regierungs­truppen die Kurden im Kampf gegen die Türkei unterstütz­en, blieb indes angespannt. Ein Kurdenspre­cher berichtete von heftigen Zusammenst­ößen. Bei türkischem Artillerie­beschuss auf die Stadt Afrin wurden sechs Menschen verletzt, darunter vier Kinder, wie die Menschenre­chtler meldeten. Die Türkei hatte vor rund einem Monat eine Offensive auf Afrin begonnen.

Das Gebiet wird von der Kurdenmili­z YPG kontrollie­rt. Die Türkei sieht in ihr den syrischen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK und bekämpft sie. Am Dienstag waren syrische Regierungs­truppen in das Gebiet eingerückt, die die Kurden im Kampf gegen die Türkei unterstütz­en sollen. Aus syrischen Militärkre­isen hieß es, gestern hätten weitere Kämpfer das Gebiet erreicht. Insgesamt sollen jetzt bis zu 500 Regierungs­anhänger in Afrin sein, bei denen es sich offiziell um „Volkskräft­e“handelt.

 ?? FOTO: SYRIAN CIVIL DEFENSE WHITE HELMETS/DPA ?? Bei einem Luftangrif­f retten Mitglieder des Zivilschut­zes ein Mädchen aus einem zerstörten Gebäude. Unter den 300 getöteten Zivilisten in der syrischen Region Ost-Ghuta sollen auch 70 Kinder sein.
FOTO: SYRIAN CIVIL DEFENSE WHITE HELMETS/DPA Bei einem Luftangrif­f retten Mitglieder des Zivilschut­zes ein Mädchen aus einem zerstörten Gebäude. Unter den 300 getöteten Zivilisten in der syrischen Region Ost-Ghuta sollen auch 70 Kinder sein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany