Saarbruecker Zeitung

Goldige Überraschu­ng im Zweierbob

Mariama Jamanka hat noch nie einen Weltcup gewonnen, doch bei Olympia raste sie mit Anschieber­in Lisa Buckwitz zu Gold.

- VON THOMAS WEITEKAMP

(sid) Als die Sensation perfekt war, verlor Mariama Jamanka kurz das Gefühl für Raum und Zeit. Noch in ihrem Bob schlug sie die Hände vor den Helm und sank rückwärts in den Schoß ihrer Anschieber­in Lisa Buckwitz. „Ich habe die Eins aufleuchte­n sehen, und in dem Moment war kurz alles weg“, sagte Jamanka. „Das war unwirklich“, ergänzte Buckwitz.

Doch es ist wahr: Deutschlan­d hat wieder eine Bob-Olympiasie­gerin, erstmals seit 2006 und überhaupt erst zum zweiten Mal in der Geschichte der Winterspie­le. Ausgerechn­et Jamanka, die deutsche Nummer zwei ohne einen einzigen Weltcup-Sieg, düpierte in Pyeongchan­g die jahrelang meist übermächti­ge internatio­nale Elite. „Ich kann das nicht erklären, das muss vielleicht der Trainer machen“, sagte die 27-Jährige, deren Vater aus Gambia stammt, lachend. Danach fasste Jamanka den nun wichtigste­n Plan zusammen: „Sehr lang und sehr hart“werde sie feiern. Ihren Triumph verstehe sie dann vielleicht irgendwann danach, „wenn ich zu Hause bin und meine Mama sehe“.

Am Ende hatte sie nach vier aufregende­n Läufen im Alpensia Sliding Centre 0,07 Sekunden Vorsprung auf Weltmeiste­rin Elana Meyers Taylor aus den USA. Platz drei ging an die zweimalige Olympiasie­gerin Kaillie Humphries aus Kanada (+0,44 Sekunden). Europameis­terin Stephanie Schneider verpasste als Vierte mit Anschieber­in Annika Drazek Bronze um 0,08 Sekunden, beide vergossen noch lange nach dem Rennen bittere Tränen.

Seit dem zweiten Durchgang schon hatte Jamanka, die ehemalige Diskus- und Hammerwerf­erin, in Führung gelegen, blendete den Druck der Konkurrenz aber aus. „Sie hat in den vergangene­n Jahren schon gezeigt, dass sie eine ruhige Persönlich­keit ist“, sagte Bundestrai­ner Rene Spies: „Auch hier wirkte sie zwischen den Läufen sehr ruhig, das hat uns ein gutes Gefühl gegeben.“Bislang hatte nur Sandra Kiriasis vor zwölf Jahren Olympia-Gold für die Frauen gewonnen. Nach dem Triumph von Francesco Friedrich im Zweier am Montag war es nun schon der zweite Sieg für das Team. 2014 in Sotschi waren die Bobfahrer erstmals seit 50 Jahren noch komplett leer ausgegange­n. Diese Schmach ist getilgt.

Doch das Rennen in Pyeongchan­g bot auch eine tragische Geschichte aus deutscher Sicht, und die schrieben Schneider und Drazek. Beide waren als vermeintli­ches deutsches Top-Duo nach Südkorea gereist, vor allem dank Anschieber­in Drazek, die mittlerwei­le als die Beste ihres Fachs gilt. Doch wenige Tage vor den Rennen nahm das Drama seinen Lauf: Drazek knickte im Training beim Hürdenspri­nt um und erlitt eine Sprunggele­nksverletz­ung, auch Schneider wurde noch am Mittwoch von muskulären Problemen im Rücken geplagt. Die sonst so herausrage­nden Startzeite­n des Duos waren daher nur noch Durchschni­tt, und Schneiders Fahrten waren zu fehlerhaft, um dies auszugleic­hen.

„Das war etwas, wofür wir die letzten vier Jahre hart trainiert haben“, sagte Drazek, noch immer in Tränen aufgelöst: „Und wir hatten uns eine Medaille erhofft, wir haben das von uns erwartet. Sonst würde ich jetzt nicht hier stehen und weinen.“Die 22-jährige Drazek soll schon in der kommenden Saison selbst an die Lenkseile wechseln. Fürs erste war dieser Blick in die Zukunft für sie allerdings kein großer Trost.

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FOTO: HASE/DPA Mit der Deutschlan­dfahne bejubelten die „Goldmädels“Mariama Jamanka (l.) und Lisa Buckwitz ihren überrasche­nden Olympiasie­g. Im Ziel lagen sie nur sieben Hundertste­lsekunden vor Weltmeiste­rin Elana Meyers Taylor (USA).
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FOTO: HASE/DPA Beim favorisier­ten deutschen Duo Erline Nolte (links) und Annika Drazek, die hier Jamanka gratuliere­n, flossen nach Platz vier Tränen.

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