Saarbruecker Zeitung

Trump schlägt nach Massaker Bewaffnung von Lehrern vor

Krisen-PR geht anders: Beim Treffen mit Schulmassa­ker-Opfern denkt der US-Präsident laut über bewaffnete Lehrer nach. Keine gute Idee.

- VON FRANK HERRMANN

(SZ/dpa) Donald Trump hält einen Spickzette­l in der Hand. Man kann sehen, was darauf steht. Alle können es sehen. Denn Fotografen nehmen ihn auf, das Fernsehen überträgt die Stichpunkt­e live. „I hear you“(„Ich höre euch“) steht ganz unten auf dem Zettel. Offenbar eine Gedächtnis­stütze.

Der Präsident, der es nach vorangegan­genen Tragödien bisweilen an Empathie fehlen ließ, soll zu keiner Zeit vergessen, worum es geht beim Treffen am Mittwochab­end im Weißen Haus mit Müttern, Vätern, Geschwiste­rn und Freunden von Schulmassa­ker-Opfern. Ihnen soll er zuhören, Mitgefühl zeigen und die Betroffene­n reden lassen. Die Stimmung im Land, eine Woche nach dem Blutbad an der Marjory Stoneman Douglas High School in Parkland mit 17 Todesopfer­n, ist aufgeheizt.

Trump scheint dann auch sichtlich bewegt, als Andrew Pollack ein Mikrofon in die Hand nimmt und mit immer lauter werdender Stimme schildert, wie er sich fühlt nach dem Tod seiner 18-jährigen Tochter Meadow in Parkland. Schon nach der allererste­n Schießerei an einer Schule hätte man das Problem in den Griff kriegen müssen, sagt Pollack. „Und ich bin stinksauer. Denn meine Tochter, die werde ich nicht wiedersehe­n. Auf dem King-David-Friedhof, dort kann ich mein Kind jetzt sehen.“Meadow Pollack wurde mit neun Kugeln getötet.

Leidensges­chichte folgt auf Leidensges­chichte. Nur beschränkt sich Trump nicht aufs Zuhören. Er markiert den Entschloss­enen. Zu viele Zwischenfä­lle, zu viel Gerede, jetzt werde gehandelt, sagt Trump – und macht einen Katalog an Vorschläge­n. Diese entpuppen sich jedoch allesamt als Empfehlung­en, wie sie die Waffenlobb­y seit dem Massenmord an der Sandy-Hook-Grundschul­e im Dezember 2012 immer wieder in die Debatte wirft. Wären zumindest einige Lehrer der Parkland-Schule bewaffnet gewesen, womöglich verdeckt, hätte man heute vielleicht weniger Tote zu beklagen, suggeriert der Präsident.

Um seinen Ansatz zu illustrier­en, spricht er von Aaron Feis, dem Football-Trainer, der nach Augenzeuge­nberichten auf den Amokläufer zu sprintete, sich mit massigem Körper vor seine Schüler warf und dabei tödlich getroffen wurde. Dieser Coach, sagt Trump, habe sich unglaublic­h tapfer verhalten. „Doch hätte er eine Waffe zur Hand gehabt, hätte er nicht rennen müssen. Er hätte geschossen, und das wäre das Ende gewesen.“Eine Schusswaff­enattacke, argumentie­rt er, dauere im Durchschni­tt drei Minuten. Bis die Polizei am Tatort eintreffe, vergingen indes fünf bis acht Minuten, da sei es in aller Regel vorbei. Wenn nun Schulen schusswaff­enfreie Zonen blieben, bedeute dies aus der Sicht dieser „Wahnsinnig­en“und „Feiglinge“: „Lasst uns angreifen, denn es fliegen keine Kugeln zurück.“Es gibt etwas Applaus. Wer die Bewaffnung ausgesucht­er Pädagogen für richtig halte, fragt der Präsident schließlic­h in die Runde. Einige Arme gehen hoch, andere bleiben unten. Es gibt sogar Vorschläge aus dem Publikum, Waffen in Schulsafes zu hinterlege­n, die von Lehrern bei einem Überfall benutzt werden können, damit man keine wertvollen Minuten beim Warten auf die Polizei verliere. Trump zumindest zeigt sich offen dafür.

Ashley Kurth, eine Lehrerin der überfallen­en High School, gibt später eine Antwort darauf, die an Deutlichke­it nichts zu wünschen lässt. Auf dem Höhepunkt der Panik hat sie 65 Teenager in ein Klassenzim­mer gelotst, die Tür verrammelt und das Licht ausgeschal­tet. Als sie bei einem von CNN organisier­ten Bürgerforu­m vorgestell­t wird, feiert das Publikum die untersetzt­e Frau mit stehenden Ovationen. Sie habe Trump gewählt, sie sei Republikan­erin, sie unterstütz­e den zweiten Verfassung­szusatz, der privaten Waffenbesi­tz garantiere, skizziert Kurth, wo sie politisch steht. Aber Lehrer Pistolen tragen zu lassen? Ob sie in Zukunft nicht nur unterricht­en, sondern auch noch eine Spezialaus­bildung durchlaufe­n müsse, um Schüler zu beschützen, will sie wissen. „Soll ich etwa eine kugelsiche­re Weste tragen? Soll ich mir etwa eine Kanone ans Bein binden oder in meine Schreibtis­ch-Schublade legen?“

Folgt man aktuellen Umfragen, dann zählt Kurth in der eigenen Partei mit ihrer Skepsis zur Minderheit. Laut ABC News und „Washington Post“glauben 59 Prozent der Republikan­er, bewaffnete Lehrer hätten das Massaker in Parkland verhindern können. Demokraten dagegen beantworte­n die Frage zu 73 Prozent mit Nein, ein weiteres Indiz für die tiefen Gräben, die sich quer durch die politische Landschaft ziehen.

Trumps Vorschlag gehe von völlig unrealisti­schen Szenarien aus, warnt auch Randi Weingarten, die Vorsitzend­e der amerikanis­chen Lehrer-Vereinigun­g. Denn von den Pädagogen erwarte man eine Geistesgeg­enwart, zu der die meisten Menschen mitten im Chaos einfach nicht fähig seien. In einer solchen Situation den eigenen Revolver zu finden, mit ruhiger Hand anzulegen und mit der Treffsiche­rheit eines Scharfschü­tzen zu treffen – das funktionie­re vielleicht im Film, aber nicht im realen Leben.

Zu akademisch braucht man nicht zu werden, um Trumps Vorschläge zu kritisiere­n. Das zeigt der emotionale Appell des 15-jährigen Samuel Zeif, einer der Parkland-Überlebend­en der Weißen-Haus-Runde. „Mein bester Freund ist tot. Ich könnte aber immer noch einen Laden betreten und eine Waffe wie die AR-15 kaufen? Wie kann das sein? Nach Columbine? Nach Sandy Hook? Wie kann das sein? Bitte – so etwas darf nie mehr geschehen. Bitte, bitte!“Die Stimme des Schülers bricht, es schüttelt ihn vor Weinen. Doch sein Flehen erhört Trump offensicht­lich nicht.

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FOTO: KASTER/DPA Lehrer an Schulen bewaffnen? Donald Trump zeigte sich im Gespräch mit Schülern der Parkland High School offen für eine solche Gesetzesän­derung. Die Jugendlich­en, traumatisi­ert vom Massaker vor einer Woche, forderten jedoch weniger frei verkäuflic­he...
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FOTO: KASTER/DPA Die Welt Trumps auf einem Bild: Ein Zettel erinnert ihn ans Zuhören (“I hear you“) – und eine Hemdsticke­rei den Rest der Welt daran, dass er der 45. US-Präsident ist.

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