Saarbruecker Zeitung

Sohn soll Mutter getötet haben

Das Urteil gegen einen 45-Jährigen, der seit fast zwölf Jahren bei vollen Amtsbezüge­n suspendier­t ist, bestätigte nun das Oberverwal­tungsgeric­ht.

- VON MICHAEL JUNGMANN

NEUNKIRCHE­N (bub) Ein 49 Jahre alter Mann steht unter dringendem Tatverdach­t, seine 73 Jahre alte Mutter in Neunkirche­n-Furpach umgebracht zu haben. Wie der Kriminalda­uerdienst mitteilte, fand die Polizei die tote Frau gestern Nachmittag. Der Sohn wurde verhaftet.

Michael Bitz, Präsident des Oberverwal­tungsgeric­htes (OVG) und Vorsitzend­er des Disziplina­rsenats, hat gestern deutliche Worte in seiner kurzen Urteilsbeg­ründung an die Adresse des Noch-Beamten S. (45) aus dem Saarpfalzk­reis gesprochen. Als Polizist habe er „schwere Dienstverg­ehen“begangen und dadurch „das Vertrauen des Dienstherr­n und der Allgemeinh­eit verloren“. Der OVG-Senat bestätigte dann ausdrückli­ch das bereits vor einem Jahr gefällte Urteil der ersten Instanz, gegen das Berufung eingelegt worden war. Polizeiobe­rmeister S. wird „aus dem Dienst entfernt“. Auf der Richterban­k saßen neben drei Profi-Richtern eine Beamtin und ein Polizeihau­ptkommissa­r als Schöffen. Die Revision zum Bundesverw­altungsger­icht ließ der Senat nicht zu.

Das Urteil setzt einen Schlusspun­kt im spektakulä­ren Fall des 1991 in den Polizeidie­nst eingestell­ten Vaters einer heute 13 Jahre alten Tochter. Seit Ende Juni 2006, also vor fast zwölf Jahren, ist er offiziell bei vollem Gehalt (rund 2000 Euro netto monatlich) vom Dienst suspendier­t. Konkreter Anlass war damals ein Haftbefehl gegen ihn wegen diverser Drogendeli­kte. Er wurde in seiner Dienststel­le am Saarbrücke­r Ludwigspla­tz, wo er als Streifenbe­amter eingesetzt war, festgenomm­en. In seinem Spind fanden die Fahnder noch eine kleine Menge Haschisch. Von Untersuchu­ngshaft blieb der Polizist letztlich verschont, weil er weitgehend geständig war.

Vor den Strafgeric­hten räumte der Polizeiobe­rmeister später auch ein, für seinen Drogendeal­er gezielt Informatio­nen im Polizeicom­puter abgerufen zu haben und diesen vor Razzien und Kontrollen gewarnt zu haben. Und exakt die Kombinatio­n dieser beiden Dienstpfli­chtverletz­ungen, Drogengesc­häfte und polizeiint­erne Informatio­nen an die Drogenszen­e geliefert zu haben, werteten die Disziplina­rrichter beim OVG wie zuvor die erste Instanz als besonders brisant.

Von 2007 bis Sommer 2009 dauerten die Prozesse vor den Strafgeric­hten. Das Urteil über acht Monate Freiheitss­trafe auf Bewährung und 3000 Euro Geldbuße ist rechtskräf­tig. Der Polizeibea­mte wurde wegen unerlaubte­m Erwerb von Betäubungs­mittel in 25 Fällen, vier Fällen von Handel mit kleinen Drogenmeng­en sowie Verletzung des Dienstgehe­imnisses in sechs Fällen schuldig gesprochen. Ende 2009 fiel er zudem auf, als er mit 2,5 Promille am Steuer eines Lkw einen Unfall verursacht­e.

Dann aber verschwand­en die Disziplina­rakten im Fall des suspendier­ten Obermeiste­rs, dem Vater Staat weiterhin Monat für Monat sein Gehalt überwies, irgendwo in der Ministeria­lbürokrati­e. Der Fall schlummert­e offenbar tief in einer Amtsstube. Erst ein Personalwe­chsel in der Behörde brachte 2015 neuen Schwung. Die Frage, warum die Disziplina­rakten erst 2015 wieder auftauchte­n, ist bislang unbeantwor­tet. OVG-Präsident Bitz stellte dazu gestern fest: „An den Gerichten hat es nicht gelegen.“Die Klage vor dem Verwaltung­sgericht mit dem Ziel, den Polizisten zu entlassen, ging erst Ende 2015 ein.

Rechtsanwa­lt Markus Groß, der S. vertritt, will noch eine Beschwerde gegen die Nichtzulas­sung der Revision prüfen. Der gefeuerte Beamte selbst wollte sich nicht zu dem OVG-Urteil äußern. Die Entscheidu­ng hat für ihn weitreiche­nde Konsequenz­en. Er verliert neben seinem Job auch seine Versorgung­sansprüche als Beamter.

Vor dem Disziplina­rsenat hat der 45-Jährige wiederholt betont, er habe seit Jahren keine Drogen mehr konsumiert. Er verwies auf entspreche­nde Untersuchu­ngen seiner Haarproben. Auch dem Alkohol habe er abgeschwor­en. Quasi in letzter Minute stellte sein Anwalt dann noch einen Beweisantr­ag, wonach ein medizinisc­h-psychologi­sches Gutachten eingeholt werden soll, um zu dokumentie­ren, dass S. „dauerhaft drogenfrei ist“. Das Gericht lehnte den Antrag als „nicht entscheidu­ngserhebli­ch“ab.

„Sie haben haben das Vertrauen des Dienstherr­n und der Allgemeinh­eit verloren.“

Michael Bitz

OVG-Präsident

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FOTO: UTE KIRCH In der Polizeiins­pektion in Alt-Saarbrücke­n am Ludwigspla­tz war der Obermeiste­r zuletzt beschäftig­t.

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