Saarbruecker Zeitung

Weltweit sind die Menschenre­chte immer stärker beschnitte­n

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BERLIN (kna/dpa) Es bleibt ein trauriges Ereignis. Alljährlic­h präsentier­t Amnesty Internatio­nal einen Bericht zur Lage der Menschenre­chte in rund 160 Ländern weltweit. Jedes Jahr scheint die Bilanz düsterer als im Jahr zuvor. Die Zahl der getöteten und inhaftiert­en Menschenre­chtsvertei­diger wächst, neue Gesetze beschränke­n die Rechte der Zivilgesel­lschaft, religiöse oder ethnische Minderheit­en werden bedroht und die Staatengem­einschaft schweigt. Ein Lichtblick, so die Bilanz des gestern weltweit vorgestell­ten Berichts, sind Menschen, die vielerorts trotz der widrigen Umstände weiter für ihre Rechte kämpfen.

„2017 haben die Diffamieru­ngen, Repressali­en und Gewalt gegen Menschenre­chtsvertei­diger zugenommen“, klagte der Generalsek­retär von Amnesty Internatio­nal Deutschlan­d, Markus N. Beeko, bei der Vorstellun­g in Berlin (die SZ berichtete). Im 70. Jubiläumsj­ahr der Allgemeine­n Erklärung der Menschenre­chte würden diese Rechte auch durch eine hasserfüll­te Rhetorik der Ausgrenzun­g durch führende Politiker – etwa die Staatschef­s von Ägypten, Venezuela und der Philippine­n, aber auch Russlands, Chinas und der USA – mit Füßen getreten.

In 27 Staaten sind laut Amnesty 2017 mindestens 312 Menschenre­chtsvertei­diger getötet worden. Ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu 2016. Allein in Kolumbien gehen die UN von etwa 100 getöteten Menschenre­chtlern aus. Als Negativbei­spiele für den Umgang mit Menschenre­chten in der EU nannte Beeko Ungarn und Polen. In beiden Ländern griffen neue Gesetze in die Rechte der Zivilgesel­lschaft ein.

In der Türkei bedrohten haltlose Festnahmen Menschenre­chtler, Zivilgesel­lschaft und karitative Organisati­onen. In dem Land sitzen rund 100 Journalist­en weiterhin im Gefängnis. Erst vergangene Woche war der „Welt“-Korrespond­ent Deniz Yücel nach einem Jahr aus türkischer Untersuchu­ngshaft entlassen worden. Doch die Türkei ist kein Einzelfall: Auch in Ländern wie Mexiko, Indien oder Bangladesc­h müssen kritische Journalist­en um ihr Leben fürchten. In 28 afrikanisc­hen Staaten habe es Verhaftung­en von Journalist­en gegeben, sagte Beeko.

Positiv sei, dass trotz der widrigen Umstände mehr Menschen juristisch oder durch Demonstrat­ionen gegen die Beschränku­ng ihrer Rechte vorgingen. In Polen demonstrie­rten Tausende gegen die Justizrefo­rm, in Russland gegen Korruption, in den USA für Frauenrech­te. Vielerorts drohten Demonstran­ten indes hohe Strafen – wie zum Beispiel in der Türkei.

Beeko appelliert­e insbesonde­re an Deutschlan­d und die Europäisch­e Union, deutlicher für Menschenre­chte einzutrete­n. Es sei bedauerlic­h, dass sich die Staatengem­einschaft trotz schwerer Kriege und Verbrechen gegen die Menschlich­keit wie im Jemen, in Syrien oder Myanmar nicht deutlich gegen Autokraten und Despoten richte, sondern oft zum Alltag und zum wirtschaft­lichen Geschäft übergehe. „Die Staatengem­einschaft muss Verantwort­ung übernehmen, wenn einzelne Staaten sich zurückzieh­en“, mahnte Beeko.

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