Saarbruecker Zeitung

Merkel macht aus der Krise der CDU eine Chance

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Würde Angela Merkel ihre innerparte­ilichen Widersache­r ignorieren, oder doch in die Regierungs­disziplin einbinden, um womöglich auf diese Weise mehr Ruhe vor den Quälgeiste­rn zu haben? Das war die Gretchenfr­age, die über den Personalen­tscheidung­en der Kanzlerin schwebte. Merkel hat sich für Letzteres entschiede­n. Das zeigt erstens, dass sie immer noch ganz die Pragmatike­rin ist. Das belegt zweitens aber auch ihre längst nicht mehr so unerschütt­erliche Position als Frontfrau von CDU und Bundesregi­erung. Vordem hat Merkel ihre Kritiker jedenfalls immer kaltgestel­lt. Paradebeis­piel dafür ist der einstige Quertreibe­r Friedrich Merz. Doch mittlerwei­le ist das innerparte­iliche Rumoren über den Verlust des konservati­ven Profils der CDU so vernehmlic­h geworden, dass sich Merkel diesem Druck schlicht beugen musste. Die letzte Phase ihrer politische­n Ära ist damit endgültig eingeläute­t. Gleichzeit­ig bekommt die CDU jetzt aber auch die Chance für einen Aufbruch, für einen personelle­n Neuanfang. Und Merkel ist dabei zweifellos flexibler vorgegange­n als bis vor kurzem noch von vielen in der eigenen Partei geglaubt.

Schon mit Annegret Kramp-Karrenbaue­r als neue CDU-Generalsek­retärin hatte Merkel einen Überraschu­ngscoup gelandet, dem auch ihre politische­n Gegner Respekt und Anerkennun­g zollten. Mit Jens Spahn erfährt diese Geschichte nun eine Neuauflage. Und zwar in mehrfacher Hinsicht. Spahn ist nicht nur angetreten, der CDU wieder scharfe Ecken und Kanten zu verleihen. Er steht auch für den Generation­swechsel in der Partei. Als Merkel erstmals in ein Bundeskabi­nett eintrat, war sie 36 Jahre alt. Derzeit ist Hermann Gröhe der jüngste amtierende CDU-Minister – mit 57! Umso augenfälli­ger wird die Verjüngung­skur, wenn man an Jens Spahn (37) und Julia Klöckner (45) denkt. Freilich müssen sich beide in ihren neuen Ämtern noch bewähren. Sowohl das Gesundheit­s- als auch das Agrar-Ressort sind keine politische­n Selbstläuf­er. Die gesetzlich­e Krankenver­sicherung sitzt zwar auf einem soliden Finanzpols­ter. Aber mit der geplanten Expertenko­mmission, die sich um eine Honorarang­leichung für privat und gesetzlich erbrachte Arztleistu­ngen kümmern soll, kann die SPD ihre Forderung nach einer Bürgervers­icherung weiter am Kochen halten. Hinzu kommen große Defizite im Pflegebere­ich. Und spätestens seit der BSE-Krise steht fest, dass es auch im Landwirtsc­haftsminis­terium ziemlich ungemütlic­h werden kann.

Aber daran muss jetzt noch niemand in der Union denken. Auf dem CDU-Parteitag am heutigen Montag werden Merkels Widersache­r jedenfalls kaum Angriffsfl­ächen haben. Die Personalie Spahn dürfte sogar den innerparte­ilich als sehr schmerzlic­h empfundene­n Verlust des Finanzress­orts ein wenig lindern. Die CDU wird jünger und mit insgesamt drei statt bislang zwei Bundesmini­sterinnen auch weiblicher. So, wie es ebenfalls viele in der Partei gefordert hatten. Für Merkel sind das solide Pluspunkte in der Spätphase ihrer politische­n Karriere.

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