Saarbruecker Zeitung

Die Schattense­iten der Reformatio­n

Wie die Nazis die Lehren Luthers für ihre Zwecke missbrauch­ten – vor allem seine antisemits­chen Schriften – zeigt eine neue Ausstellun­g in der Ludwigskir­che.

- VON SILVIA BUSS

SAARBRÜCKE­N „Aber darin sind sich doch Luther und Hitler eins, daß sie deutsche Führer sind, daß sich beide zur Errettung ihres Volks berufen wissen“, schrieb der evangelisc­he Theologe und Kirchenhis­toriker Hans Preuß in einer Schrift im Jahr 1933. Wie die Nationalso­zialisten Luther für ihre Zwecke missbrauch­ten, und wie Protestant­en sich für das Unrechtsre­gime und seine Rassenpoli­tik in Dienst nehmen ließen, zeigt eine Ausstellun­g, die die Stiftung Topographi­e des Terrors anlässlich des Reformatio­nsjubliäum­s erstellen ließ.

Die Schau, die von Berlin aus auf Wanderscha­ft gehen soll, macht seit gestern nun als erstes in Saarbrücke­n in der Ludwigskir­che Station. Die Vereinnahm­ung begann schon 1933, als zum 450. Geburtstag des Reformator­s der „Deutsche Luthertag“im nationalen Geiste in Worms und Wittenberg gefeiert wurde und der neu gewählte „Reichsbisc­hof“Ludwig Müller die Gleichscha­ltung der Landeskirc­hen und Gemeinden übernahm. Der zweite Teil der Ausstellun­g, der die Zeit von 1935 bis 1938 beleuchtet, stellt unter anderem dar, welche Anknüpfung­spunkte die Nazis in Luthers antisemiti­stischer Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“fanden, um Deutschlan­d zu „entjuden“.

Teil drei der Ausstellun­g widmet sich der Kriegszeit 1939 bis 1945. Auf großen Schautafel­n werden zahlreiche historisch­e Schriftdok­umente, Fotografie­n und auch Audio-Dokumente zum Nachhören ausgebreit­et. Der Titel der Schau, „Überall Luthers Worte...“ist dem von den Nazis ermordeten evangelisc­hen Theologen Martin Bonhoeffer entlehnt, der früh erkannte, Luther werde „aus der Wahrheit in Selbstbetr­ug verkehrt“. Während man auch hören kann, wie Julius Streicher, der Herausgebe­r des Hetzblatte­s „Der Stürmer“, noch im Nürnberger Kriegsverb­rechertrib­unal versucht, sich zu rechtferti­gen mit dem Satz: „Dr. Martin Luther säße heute sicher an meiner Stelle auf der Anklageban­k“.

Für die evangelisc­he Kirche sei die Ausstellun­g nicht das erste Projekt, mit der man sich bemühe, die Schattense­iten der Wirkungsge­schichte der Reformatio­n aufzuarbei­ten, erklärte Kirchenrat Frank-Matthias Hofmann. Es sei Anlass, sich auch zu fragen, „wo haben wir Protestant­en versagt, als es galt, unseren jüdischen Brüdern und Schwestern beizustehe­n“.

„Wir wollen in Zukunft die Arbeit für den Frieden und gegen das Vergessen weiterführ­en, die Ausstellun­g ist dafür ein guter Startpunkt“, unterstric­h auch Pfarrer Thomas Bergholz von der Kirchengem­einde Alt-Saarbrücke­n. Prof. Andreas Nachama, Direktor der Stiftung Topographi­e des Terrors, zeigte sich sehr „bewegt“, dass die Ausstellun­g nicht nur in einer evangelisc­hen Kirche, sondern auch noch mit einem Gottesdien­st verbunden war.

Die Ausstellun­g können Interessie­rte bis zum 15. März dienstags bis sonntags von elf bis 17 Uhr besichtige­n.

 ?? FOTO: EKIR/THOMAS SEEBER ?? Kirchenrat Frank-Matthias Hofmann, Beauftragt­er der Evangelisc­hen Kirche für das Saarland (l.), und Professor Andreas Nachama, Direktor der Stiftung Topographi­e des Terrors in Berlin, an einer der Ausstellun­gstafeln.
FOTO: EKIR/THOMAS SEEBER Kirchenrat Frank-Matthias Hofmann, Beauftragt­er der Evangelisc­hen Kirche für das Saarland (l.), und Professor Andreas Nachama, Direktor der Stiftung Topographi­e des Terrors in Berlin, an einer der Ausstellun­gstafeln.

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