Saarbruecker Zeitung

Entscheidu­ng über die „Hitler-Glocke“naht

Der Gemeindera­t von Herxheim will heute sagen, ob die Glocke mit dem Hakenkreuz hängen bleibt. Historiker meinen, solche NS-Objekte gehörten ins Museum und nicht in einen Kirchturm.

- VON STEPHEN WOLF

HERXHEIM AM BERG (dpa) Für den Gemeindera­t von Herxheim ist es eine wichtige Entscheidu­ng: Auf der Tagesordnu­ng am heutigen Montag steht die Frage, ob eine Glocke mit Hakenkreuz und der Aufschrift „Alles fuer‘s Vaterland Adolf Hitler“im Turm der evangelisc­hen Jakobskirc­he hängen bleiben soll. Bürgermeis­ter Georg Welker (parteilos) hatte sich nach seiner Wahl im Januar dafür ausgesproc­hen.

Der pensionier­te evangelisc­he Pfarrer Welker stand Anfang Februar wegen einer Äußerung vor dem Amtsgerich­t Bad Dürkheim. Er hatte mit Blick auf die Opfer der NS-Zeit gesagt, „das waren auch deutsche Bürger, also nicht nur die jüdischen“. In den Ohren von Kritikern klang dies so, als wären Juden keine deutschen Bürger gewesen. Welker verpflicht­ete sich, das Zitat nicht zu wiederhole­n. Besucher hatten Welker bei der Verhandlun­g kritisiert: „Dass Sie eine Hitlergloc­ke in der Kirche hängenlass­en wollen, ist für mich nicht zu verstehen“, sagte eine Frau.

Nun soll der Gemeindera­t eine Entscheidu­ng treffen. „An meinem Vorschlag zum Umgang mit der Glocke hat sich nichts geändert“, sagte Welker. Seiner Meinung nach ist die Glocke, die der Gemeinde und nicht der Kirche gehört, geeignet an Menschen zu erinnern, die während der NS-Zeit gelitten haben. Wird Welkers Vorschlag angenommen, soll eine Tafel auf den historisch­en Zusammenha­ng hinweisen. Die evangelisc­he Landeskirc­he der Pfalz hatte angekündig­t, sie unterstütz­e das Abhängen und die Anschaffun­g neuer Glocken mit 150 000 Euro aus einem neu gebildeten Fonds. „Die Landeskirc­he hat den Kirchengem­einden empfohlen, die Glocken mit Nazi-Inschrift auszutausc­hen, sofern sie ihr Eigentum sind“, sagt ein Sprecher. „Solche Diskussion und die unterschie­dliche Herangehen­sweise gehören zu unserer Demokratie und sind notwendig“, findet Thomas Altmeyer vom Studienkre­is Deutscher Widerstand 1933-1945 in Frankfurt am Main. Ansonsten würde die Erinnerung­skultur zum Ritual erstarren. Er selbst könne sich gut vorstellen, dass mithilfe einer solchen Glocke Aufklärung geleistet werden kann. „Gerade ein solcher Gegenstand zeigt, wie die Nationalso­zialisten alle gesellscha­ftlichen Bereiche durchdrung­en haben“, sagt der Politikwis­senschaftl­er. Allerdings müsse die Glocke zu diesem Zweck zum Beispiel in einem Museum ausgestell­t werden.

Der Historiker Wolfgang Benz ist skeptisch. „Von einer einzelnen Glocke in einem Kirchturm verspreche ich mir ehrlich gesagt keinen großen Erkenntnis­gewinn. Zumal die Botschaft, die eine Glocke mit Hakenkreuz mit sich bringt, ja eher zweifelhaf­t ist“, sagt Benz, der an der Technische­n Universitä­t Berlin lehrt. Klar ist für ihn, dass an dem Ort dringend Aufklärung vonnöten ist.

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FOTO: ANSPACH/DPA Der Gemeindera­t will heute entscheide­n ob die „Hitler-Glocke“im Glockentur­m der evangelisc­hen Kirche hängen bleibt.

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