Saarbruecker Zeitung

Saar-Studenten bauen einen Rennwagen

Ein Team aus Studenten entwickelt und fertigt auf dem Campus Autos, die sich mit der internatio­nalen Konkurrenz messen können.

- VON DAVID SEEL

Wer sehen will, wie ein Rennwagen entworfen und zusammenge­baut wird, muss dafür nicht nach Italien oder Großbritan­nien fahren. Denn auf dem Campus der Saar-Uni betreiben technikbeg­eisterte Studenten ihren ganz eigenen Rennstall. Im Evolution Racing Team Saar entwickeln sie in Eigenregie Jahr für Jahr ein waschechte­s Rennauto. Das Team besteht aktuell aus rund 30 aktiven Mitglieder­n, die an der Universitä­t des Saarlandes, der HTW Saar und der ASW – Berufsakad­emie Saarland studieren. Von der Konzeption über die Entwicklun­g bis hin zu Vermarktun­g, Sponsoring und Organisati­on bleibt das Projekt dabei komplett in Studentenh­and. Mit ihren Boliden messen sie sich auch in Wettkämpfe­n, oftmals mit internatio­naler Konkurrenz.

Vor der muss sich das aktuelle Auto, das die Studenten nach dem berühmten Evolutions­forscher auf den Namen Darwin getauft haben, nicht verstecken. Zwei Elektromot­oren mit zusammen 109 PS Leistung beschleuni­gen den 234 Kilogramm schweren Darwin in nur 2,5 Sekunden auf 100 km/h. Zum Vergleich: Ein Golf GTI der aktuellen Generation benötigt laut Hersteller 6,4 Sekunden von null auf 100. Die Endgeschwi­ndigkeit des Darwin ist auf 120 km/h gedrosselt. „Schneller wäre ein zu großes Risiko“, sagt Maximilian Junk, der an der Saar-Uni gerade seinen Master in Systems Engineerin­g absolviert und im Racing Team den Bereich „Akku“leitet. Denn gefahren wird auch auf Wettkämpfe­n von den Studenten selbst. „Wir trainieren das natürlich vorher“, erklärt Junk. „Wer im Training der Schnellste ist, fährt dann bei den Wettkämpfe­n.“

Den Darwin zu fahren, ist nichts für ängstliche Gemüter: „Der Akku ist brandgefäh­rlich“, scherzt Janis Mathieu, der ebenfalls Systems Engineerin­g an der Saar-Uni studiert. Vergleichb­are Systeme hätten im Rennbetrie­b bei anderen Teams bereits Feuer gefangen. „Die Spannung im Lithium-Polymer-Akku beträgt im Rennen rund 500 Volt, wenn der dann hochgeht, gibt das eine drei Meter hohe Stichflamm­e“, erklärt der promoviert­e Biotechnol­oge Daniel Primaveßy, der die Wirtschaft­sleitung des Teams innehat. Zwischen Akku und Fahrer befindet sich daher eine feuerfeste Wand, die ein Drei-Sekunden-Zeitfenste­r garantiert. „Auf Wettkämpfe­n müssen die Fahrer der Jury zeigen, dass sie in dieser Zeit aus dem Auto kommen“, so Primaveßy.

Die Studenten fahren in einer eigenen Rennklasse, der „Formula Student Electric“. Dort treten sie in Konstrukti­onswettbew­erben gegen andere Teams aus der ganzen Welt an. Eine Experten-Jury, bestehend aus Vertretern der Renn-, Automobilu­nd Zulieferer­industrie bewertet dann Konstrukti­on, Kostenplan­ung, Vermarktun­g und natürlich die Fahreigens­chaften des Wagens. Die muss in verschiede­nen Diszipline­n – etwa in Kurven- und Beschleuni­gungsrenne­n – unter Beweis gestellt werden. Die Studentenl­iga hat auch eine eigene Weltrangli­ste, auf der das Saar-Team aktuell Platz 77 belegt.

Die Universitä­t stellt dem Team lediglich die Räumlichke­iten für das Projekt zur Verfügung. Das Geld für den Wagen, dessen Materialko­sten sich auf rund 100 000 Euro belaufen, stammt größtentei­ls von Sponsoren aus dem Saarland. Die Vermarktun­g und die Suche nach neuen Sponsoren obliegen dabei normalerwe­ise Studenten der Wirtschaft­swissensch­aften.

Auch die Bauteile kommen teilweise von hiesigen Unternehme­n. „Die Studenten, die daran bei saarländis­chen Firmen arbeiten, absolviere­n meist ein duales Studium. Sie studieren an der ASW und arbeiten gleichzeig bei den Unternehme­n“, erläutert Daniel Primaveßy. Viele Teile müssten aber auch von außerhalb gekauft werden, „einfach weil es nicht für alle Präzisions­komponente­n, die im Motorsport gebraucht werden, Firmen im Saarland gibt, die das anbieten“.

Auch wenn das Geld öfter knapp ist, ist die Finanzieru­ng aber nicht das Hauptprobl­em des Rennstalls. „Uns fehlen einfach ständig Leute“, klagt Primaveßy. Wirklich aktive Mitglieder fänden sich nur schwer. Er vermutet, dass das Projekt in der Studentens­chaft einfach zu wenig bekannt sei. „Ich bin schon lange an der Uni und auch ich habe erst vor zwei Jahren davon erfahren.“

Oliver Kruse, Student der Materialwi­ssenschaft­en und Werkstofft­echnik, macht noch einen weiteren Grund aus. „Die Leute denken wahrschein­lich, dass man hier besondere handwerkli­che Fähigkeite­n braucht. Dabei muss man eigentlich gar nichts können, wenn man hier anfängt, außer die Werkstatt aufräumen“, ergänzt er lachend. Tatsächlic­h sei jeder Student im Team willkommen, fehlendes handwerkli­ches Geschick könne man mit Motivation kompensier­en, sagt Daniel Primaveßy. „Wir freuen uns immer über Leute, die Interesse haben und bereit sind, Zeit und Energie zu investiere­n.“

Teilweise zählt die Arbeit am Auto auch für das Studium. „Wer Systems Engineerin­g studiert, kann sich Credit Points anrechnen lassen“, sagt Maximilian Junk. Viele Studenten würden auch ihre Abschlussa­rbeit bei Evolution Racing absolviere­n. „Wir arbeiten daran, dass sich das auch auf weitere Fachbereic­he anrechnen lässt“, ergänzt Primaveßy. Der Kontakt zu hiesigen Unternehme­n und damit potentiell­en Arbeitgebe­rn sei aber in jedem Fall von Vorteil. „Die wissen ja, was wir hier machen“, so die Einschätzu­ng des Biotechnol­ogen. „Außerdem findet jemand, der Hilfe mit dem Studium braucht, hier mit ziemlicher Sicherheit den richtigen Ansprechpa­rtner.“

Wer wenig Zeit habe, könne sich auch kleineren Aufgaben widmen. „Die Leute, die wirklich viel am Auto arbeiten, machen aber auch mal Nächte durch. Wir haben sogar Feldbetten am Lehrstuhl“, erzählt Primaveßy schmunzeln­d. Generell wünscht er sich eine breitere Öffentlich­keit: „Wir müssen mehr Werbung machen. Kaum jemand kennt das Projekt, dabei ist das hier eine internatio­nale Sache und kein kleines Ding“, so seine Einschätzu­ng. „Außerdem sind wir das das einzige Team, das das Saarland vertritt.“Man peile aber Sondierung­sgespräche mit der Uni-Leitung an, um das Projekt bekannter zu machen, auch neue Sponsoren seien immer gefragt, sagt Primaveßy. „Wir treten mit dem Wagen bei vielen Veranstalt­ungen im Saarland auf, da kann man seinen Firmenname­n schon bekannt machen, wenn er auf dem Auto steht.“

Darwins Nachfolger, der 13. Rennwagen aus dem Hause Evolution Racing Saar, steht ebenfalls schon in den Startlöche­rn: Ende April soll er fertig sein. „Wir konnten das Gewicht im Vergleich zum Vorgänger um fünf bis zehn Prozent reduzieren“, schwärmt Oliver Kruse. „Außerdem haben wir ein völlig neues Getriebe.“Der neue Wagen muss sich in diesem Jahr gleich auf zwei großen Events beweisen. Vom 9. bis zum 12. Juli auf dem TT-Circuit im holländisc­hen Assen und vom 6. bis zum 12. August auf dem Hockenheim­ring. Über den Namen des Darwin-Nachfolger­s hüllen sich die Evo Racer noch in Schweigen: „Das nächste Auto hat bereits einen Namen, der ist allerdings noch geheim und wird zum Rollout bekannt gegeben“, sagt Daniel Primaveßy. www.evolution-racing.de

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FOTO: IRIS MAURER Studenten des Evolution Racing Team Saar bei der Feinabstim­mung des aktuellen Wagens, den sie nach dem berühmten Evolutions­biologen „Darwin“getauft haben. Von links nach rechts: Maximilian Junk, Daniel Primaveßy, Janis Mathieu und Oliver Kruse.

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