Saarbruecker Zeitung

Touristen stehen an Grabeskirc­he vor verschloss­enen Toren

Christlich­e Oberhäupte­r protestier­en gegen Steuerford­erungen und eine Gesetzesno­velle. Israel begründet den Schritt mit Grundstück­sverkäufen der Kirchen.

- VON STEFANIE JÄRKEL Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik, Robby Lorenz Teresa Bauer

JERUSALEM (dpa) Jerusalem, Negev-Wüste, Tel Aviv – die Berliner Sarah Manoharan und Micha Blandfort reisen zwei Wochen durchs Heilige Land. Auf dem Programm stand eigentlich auch der Besuch der Grabeskirc­he in Jerusalem, dem größten Heiligtum für Christen weltweit. Nun sitzt das junge Paar auf den Steinen vor dem massiven Bau – die Tür ist verschloss­en. „Ich hätte sie mir gerne angeschaut“, sagt die 26-Jährige. Der 33-Jährige ergänzt: „Wir sind gerade die Via Dolorosa abgelaufen, da hätte das jetzt schon dazugehört.“Aus Protest gegen ein Gesetzesvo­rhaben und Steuerford­erungen Israels haben Kirchenobe­rhäupter die Grabeskirc­he in Jerusalem bis auf Weiteres geschlosse­n. In einem Schreiben der griechisch-orthodoxen und der armenische­n Kirche sowie der Kustodie des Heiligen Landes war am Sonntag die Rede von einer „systematis­chen Kampagne gegen die Kirchen und die christlich­e Gemeinde im Heiligen Land“.

Der Protest wendet sich gegen einen israelisch­en Gesetzesen­twurf, der dem Staat die Enteignung von Grundstück­en ermögliche­n soll, die die Kirche seit 2010 an Privatinve­storen verkauft hat. Außerdem habe Jerusalems Stadtverwa­ltung „skandalöse Mahnungen“verschickt und die Beschlagna­hmung von Kircheneig­entum, Immobilien und Bankkonten wegen angebliche­r Steuerschu­lden angeordnet. Dabei soll es um städtische Abgaben etwa für Gästehäuse­r gehen.

„Ich verstehe die Enttäuschu­ng der Pilger“, sagt Pater Nikodemus Schnabel, deutscher Benediktin­ermönch in der Dormitio-Abtei am Rande der Jerusaleme­r Altstadt. Aber er habe absolutes Verständni­s für die Entscheidu­ng. „Es ist ein Aufschrei der lokalen Kirchen, die einfach klar machen: Es ist nicht so, dass wir vom israelisch­en Staat als Christen auf Händen getragen werden.“Damit werde auch „die Aufmerksam­keit der Weltchrist­enheit auf die Probleme der lokalen Christenhe­it“gelenkt.

Jerusalems Bürgermeis­ter Nir Barkat betont hingegen, in der Stadt gelte für Christen, Muslime und Juden das gleiche Gesetz. Wie alle Kirchen, Synagogen und Moscheen sei auch die Grabeskirc­he weiterhin von städtische­n Gebühren befreit. Kommerziel­le Gebäude wie Hotels und Büros müssten diese Abgaben jedoch leisten, ganz gleich, wem sie gehörten. Es gehe mittlerwei­le um Millionens­chulden.

Die für den Gesetzentw­urf zuständige Parlaments­abgeordnet­e Rachel Asaria verteidigt zudem die Enteignung­spläne: „Das hat überhaupt nichts zu tun mit den Kirchen, es ist nicht gegen die Kirchen.“Es gehe darum, Bewohner zu schützen, deren Häuser von den Kirchen verkauft worden seien. Die Kirchen hätten in den vergangene­n Jahren zahlreiche Grundstück­e in Jerusalem verkauft, und die neuen Eigentümer würden nun extrem hohe Gebühren von den Bewohnern verlangen.

Am Montagvorm­ittag sammeln sich vor der Grabeskirc­he zahlreiche Touristeng­ruppen. Sie posieren für Fotos, die Gruppenlei­ter informiere­n über das Gebäude und seine religiöse Bedeutung. „Ich bin so enttäuscht“, sagt Shu Yuan. „Ich wollte wirklich reingehen.“Die 35-Jährige ist mit einer Reisegrupp­e aus Shanghai angereist und wollte sich die Grabeskirc­he aus „historisch­en Gründen und wegen der Geschichte über Jesus Christus“anschauen, wie sie sagt. Ein Jahr lang hatte sie die Reise geplant.

Daniela Epstein vom Reiseanbie­ter Sar-El Tours ist entsetzt über die Entscheidu­ng der Kirchen. „Die Tatsache, dass man viele Jahre keine Steuern gezahlt hat, bedeutet nicht, dass man deshalb Pilger als Geiseln nehmen soll“, sagt sie. „Das ist ein ganz unmögliche­r Zustand.“

Das Unternehme­n hat aktuell rund 750 Reisende aus Deutschlan­d, der Schweiz und Österreich im Heiligen Land. „In erster Linie sind das Pilger, die sich jahrelang darauf eingestell­t haben, an die heilige Stelle zu kommen und jetzt stehen sie vor verschloss­ener Tür“, schimpft Epstein. In der Grabeskirc­he befindet sich an der Stelle eine Grabkapell­e, an der Jesus begraben worden und wieder auferstand­en sein soll. Das Gebäude gehört zum Unesco-Welterbe.

Auch Alif Sabag vom Zentralen Orthodoxen Rat unterstütz­t den Protest nicht und kritisiert den Verkauf von Kircheneig­entum durch die griechisch-orthodoxe Kirche. „Die protestier­en nicht für uns, für die Mitglieder der Kirche, oder für das palästinen­sische Volk“, sagt der Palästinen­ser. Es gehe der Kirche nur darum, weiter Grundstück­e verkaufen zu können.

Die Berliner Sarah Manoharan und Micha Blandfort versuchen, die Schließung der Kirche gelassen zu sehen. „Ich habe schon gesagt, dass es spannender ist, hier zu sein, wenn sie zu ist, als wenn sie offen ist“, sagt Blandfort. Immerhin sei das doch eine echte Seltenheit.

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FOTO: ILLEAN/DPA Besucher beten vor der geschlosse­nen Tür der Grabeskirc­he, der heiligsten Stätte des Christentu­ms, in der Altstadt von Jerusalem.

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