Saarbruecker Zeitung

Wissenscha­ftsministe­r ohne Uni-Abschluss

Als Ministerpr­äsident übernimmt Tobias Hans die Zuständigk­eit für die Saar-Hochschule­n. „Ungewöhnli­ch“, sagt der Hochschulv­erband.

-

SAARBRÜCKE­N. Man muss keinen Universitä­ts-Abschluss vorweisen können, um ein Bundesland zu regieren. Horst Seehofer in Bayern hat keinen, Bodo Ramelow in Thüringen und Michael Müller in Berlin auch nicht. Insofern ist es nichts Ungewöhnli­ches, wenn der saarländis­che Landtag am Donnerstag einen Studienabb­recher zum Ministerpr­äsidenten wählen wird.

Tobias Hans aber wird von Annegret Kramp-Karrenbaue­r auch die Leitung des Wissenscha­ftsressort­s übernehmen. Womit sich die Frage stellt: Ein für Wissenscha­ftler und Studenten verantwort­licher Minister ohne Studienabs­chluss, geht das?

Bisher gibt es das nur im Land Berlin. Es sei „ungewöhnli­ch“, heißt es beim Deutschen Hochschulv­erband, der die Interessen von 30 000 Hochschull­ehrern vertritt. „Aber Wissenscha­ftsministe­r ist ein politische­s Amt, das nicht zwangsläuf­ig eine fachliche Qualifikat­ion voraussetz­t.“Das sehen nicht alle so: Die FDP ist der Ansicht, dass ein Wissenscha­ftsministe­r sehr wohl einen akademisch­en Abschluss haben sollte. Landeschef Oliver Luksic forderte Hans deshalb auf, auf diesen Posten zu verzichten.

Es stellt sich die Frage, was ein Minister eigentlich können muss. Man muss kein Lehrer sein, um Bildungsmi­nister zu werden. Einer der erfolgreic­hsten Bildungsmi­nister des Saarlandes, Werner Scherer, hatte nicht einmal studiert. Ebenso wenig muss man Arzt sein, um Gesundheit­sminister zu werden. Quereinste­iger haben manchmal den besseren Blick auf Probleme.

Fachwissen ist für Fachminist­er daher nicht das Entscheide­nde, dafür haben sie bestens qualifizie­rte Beamte; auch in der saarländis­chen Ministeria­lbürokrati­e gibt es unter den Referats- und Abteilungs­leitern echte Koryphäen. Minister müssen stattdesse­n eine große Zahl von Mitarbeite­rn führen können. Ob das bei Hans nach zwei Jahren an der Spitze der CDU-Landtagsfr­aktion der Fall ist, muss man abwarten. Und Minister müssen vor allem in der Lage sein, sich politisch – in der eigenen Partei, in der Koalition, im Kabinett – durchzuset­zen und mögliche Fallstrick­e frühzeitig zu erkennen. So etwas muss man lernen. Dass fachlich bestens qualifizie­rte Seiteneins­teiger in der Politik in schöner Regelmäßig­keit scheitern, hat ja seinen Grund.

Zurück zu Tobias Hans. Dass er sein Studium abgebroche­n hat, leugnet er nicht. In seinem Lebenslauf wird dies aber verschleie­rt. Dort heißt es: „Studium der Informatio­nswissensc­haft, Wirtschaft­sinformati­k und Anglistik an der Universitä­t des Saarlandes“(ohne Jahresanga­be). Auch gab er bei einer Landtagswa­hl einmal als Beruf „Informatio­nswissensc­haftler“an. Mit dieser Intranspar­enz hat sich Hans angreifbar gemacht.

Hans, Jahrgang 1978, begann nach Abitur und Zivildiens­t im Jahr 1998 mit dem Studium. Laut seinem Lebenslauf war er von 1998 bis 2005 „wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r an der Psychosoma­tischen Fachklinik“in seinem Heimatort Münchwies. Auf Nachfrage relativier­te eine Sprecherin der CDU-Fraktion, Hans sei dort „studentisc­her wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r“gewesen.

2006 bekam Hans – nach wie vor Student und vielfältig in JU und CDU engagiert – einen Job bei der CDU-Landtagsfr­aktion. Im selben Jahr brach er das Studium, nach acht Jahren, ab. Anfang 2007 stieg er als persönlich­er Referent von Arbeitsmin­ister Josef Hecken (CDU) ein. Gut zwei Jahre später, 2009, wurde Hans im Alter von 31 Jahren in den Landtag gewählt.

Für alle Politiker sollte gelten: Eine solide akademisch­e oder auch nicht-akademisch­e Ausbildung eröffnet berufliche Alternativ­en außerhalb der Politik. Wer diese Alternativ­e nicht hat, ist auf Dauer abhängig von seiner Partei – und wird sich im Parlament entspreche­nd verhalten.

 ?? FOTO: DIETZE/DPA ?? Tobias Hans (CDU) verweist im Lebenslauf auf ein Studium, das er abgebroche­n hat.
FOTO: DIETZE/DPA Tobias Hans (CDU) verweist im Lebenslauf auf ein Studium, das er abgebroche­n hat.

Newspapers in German

Newspapers from Germany