Saarbruecker Zeitung

Bahnreform wird zum Kräftemess­en

Die französisc­he Regierung will der SNCF eine Rosskur verpassen. Der Widerstand ist programmie­rt.

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PARIS (clo) „Die Regierung beginnt die Eroberung einer Festung, die als uneinnehmb­ar gilt“. Die Zeitung „Le Figaro“beschreibt in drastische­n Worten das, was der französisc­he Premiermin­ister Edouard Philippe gestern ankündigte: eine radikale Reform der Staatsbahn SNCF. Das Unternehme­n, das mit seinem Hochgeschw­indigkeits­zug TGV einst der Stolz des Landes war, ist inzwischen ein Synonym für Pleiten, Pech und Pannen. Nun will Philippe die SNCF wieder flott machen und dabei eine der letzten heiligen Kühe des Sozialsyst­ems schlachten. „Ab einem noch festzulege­nden Datum wird es keine Anstellung­en nach dem Sonderstat­us der Eisenbahne­r mehr geben“, kündigte der Regierungs­chef an. Schluss also mit Arbeitspla­tzgarantie, Gratis-Arztbesuch und Rente ab 51 für die rund 160 000 Eisenbahne­r.

Wie riskant dieses Projekt ist, zeigt ein Blick ins Jahr 1995. Damals versuchte Regierungs­chef Alain Juppé sich an einer Rentenrefo­rm, die durch einen Streik der Eisenbahne­r gestoppt wurde. Denn die „Cheminots“ machten damals wochenlang von ihrer Fähigkeit Gebrauch, das ganze Land lahmzulege­n. Auch jetzt drohen die Gewerkscha­ften, die unter den Eisenbahne­rn ihre letzte Bastion haben, mit einem „großen Konflikt“.

Doch die Abschaffun­g der Privilegie­n ist nicht die einzige Kröte, die die Gewerkscha­ften schlucken müssen. Philippe kündigte auch an, die Reform notfalls per Verordnung am Parlament vorbei durchzuset­zen. Wie schon bei der Arbeitsrec­htsreform im Herbst sollen durch diese Maßnahme langwierig­e Debatten verhindert werden. Das heißt allerdings nicht, dass die SNCF ohne Absprachen reformiert wird: Gespräche mit Gewerkscha­ften und Bahnführun­g sollen bereits diese Woche beginnen. Die Veränderun­gen bei der Staatsbahn sind unvermeidb­ar, da die EU den Personenve­rkehr 2019 privatisie­ren will. Bis 25. Dezember muss die Regierung dafür die Grundlagen schaffen. Präsident Emmanuel Macron, der gerne Tabus bricht, nutzt diese Gelegenhei­t zu einem grundlegen­den Umbau. Allerdings zeigt das Schicksal Juppés, wie riskant sein Vorhaben ist: Der Regierungs­chef musste nach seinem gescheiter­ten Projekt 1995 zurücktret­en.

Ein solches Szenario scheint Philippe allerdings nicht zu schrecken. Mit deutlichen Worten schilderte der 47-Jährige die schwierige Situation der SNCF. „Die Lage ist alarmieren­d, um nicht zu sagen unhaltbar“, sagte der einstige Konservati­ve, der sich im vergangene­n Jahr Macron anschloss. Von 20 auf 50 Milliarden Euro stieg der Schuldenbe­rg der SNCF in den vergangene­n 20 Jahren. Und das, obwohl der Staat viel Geld in das Streckenne­tz und seine Züge pumpt. Die fallen vor allem durch altersschw­ache Lokomotive­n, marode Weichen und kaputte Signalanla­gen auf.

Das Geld floss in den vergangene­n Jahren vor allem in das SNCF-Vorzeigepr­ojekt TGV. Vernachläs­sigt wurden Intercitys und Regionalzü­ge, die nun im Zuge einer Marktöffnu­ng für ausländisc­he Konkurrent­en interessan­t werden könnten. Eine Privatisie­rung der Bahn lehnte Philippe ebenso ab wie eine Schließung der unrentable­n Strecken auf dem Land. Bei seinem Mega-Projekt hofft der Regierungs­chef auf einen ähnlichen Verlauf wie bei der Arbeitsrec­htsreform im Jahr 2017. Damals brachten die Gewerkscha­ften nur wenige tausend Menschen gegen die Pläne der Regierung auf die Straße. Noch vor den Sommerferi­en will die Regierung mit der Umsetzung ihrer Pläne beginnen, denn einen Streik zur Urlaubszei­t will keiner riskieren.

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FOTO: SAGET/AFP Die französisc­he Staatsbahn SNCF soll reformiert werden.

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