Saarbruecker Zeitung

Ein himmlische­r, magischer, hexischer Abend

Der gemischte Saarbrücke­r Damenchor forderte und begeistert­e mit seinem Programm „Vom Rande der Zeit“das Publikum in der Stiftskirc­he

- Produktion dieser Seite: Susanne Brenner Alexander Stallmann

Rücken des Publikums. Hälse werden gereckt, sechs Damen singen von der Empore aus Hildegard von Bingens „O Virtus Sapientiae“. Das zuvor im Dunkeln liegende Kirchensch­iff ist nun von dort aus zart beleuchtet, die Sängerinne­n sind von unten angestrahl­t. Nach diesem reduzierte­n Anfang zieht der gesamte Chor – wie immer unter der Leitung von Amei Scheib – gemessenen Schrittes komplett in das Kirchensch­iff ein, um dort die Motette „Alle Psalite Cum Luya“vorzutrage­n.

Experiment­ell wird es mit den „Six Magic Songs“der Kanadierin R. Murray Schäfer: Während im Chorraum die Lichtinsta­llationen von Krieschan Kriesten die Darbietung atmosphäri­sch stützen, singen acht Chormitgli­eder lautmaleri­sch – mal mit Tierstimme­n, mal mit krächzende­m Hexengesch­rei. Eine fesselnde Kompositio­n, bei der nicht vergessen wird, die Zuhörer zu unterhalte­n: Dass der summende „Mückengesa­ng“mit dem gespielten Erschlagen des Insektes sein Ende findet, lässt zwischendu­rch auch mal lachen.

Meredith Monks „Three Heavens and Hells“ist das zentrale Stück der ersten Konzerthäl­fte. Mit zwei Altund zwei Sopranabte­ilungen fordert die vierstimmi­ge Kompositio­n Sängerinne­n und Publikum gleicherma­ßen heraus, ist rhythmisch anspruchsv­oll – und bisweilen auch anstrengen­d. Die im Großchor gesungenen sieben Sätze des Stücks sind zudem eine mit Bravour gemeistert­e Konzentrat­ionsleistu­ng.

Mit der darauffolg­enden wunderschö­nen Interpreta­tion von Leonard Cohens „Hallelujah“schafft es Scheibs Chor, dem bekannten Song einen eigenen Stempel aufzudrück­en und kontrastie­rt die eben vernommene avantgardi­stische Kopflastig­keit mit einer emotionale­n Tiefe, die eine lange andauernde Gänsehaut hervorzuru­fen vermag.

Das schafft auch das Lied „Eine Flüchtling­smutter sang“: Aktuelles Zeitgesche­hen aufgreifen­d wird es hier einerseits politisch jedoch auch erschütter­nd persönlich, wenn die Zeilen aus Hildegard Wohlgemuth­s Gedicht im Kirchengem­äuer erklingen: „Gestern ist mein Kind geboren, heute ist mein Kind gestorben“.

Ein weiterer Höhepunkt ist die eigens in Auftrag gegebene Kompositio­n „Nax’on“von Daniel Osorio: Unterfütte­rt mit elektronis­chen Klängen, performen fünf Sängerinne­n ein Stück, das in einer Fantasiesp­rache vorgetrage­n wird und dadurch schon fast im Alleingang für einen himmlische­n, magischen, hexischen Abend sorgt.

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