Saarbruecker Zeitung

Arbeit im Haushalt macht Kinder selbstbewu­sst

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OLDENBURG/SAARBRÜCKE­N (epd/ ine) Der Wilhelmsha­vener Kinderarzt Rupert Dernick beobachtet einen Trend: Immer mehr Kindern fehlen praktische Fähigkeite­n, die für den Schulstart nötig sind. Gemeinsam mit dem Potsdamer Kinderpsyc­hotherapeu­ten Günter Esser ging er der Sache vor gut zehn Jahren in einer Studie auf den Grund. Ergebnis: Nur die Hälfte der Viereinhal­b- bis Fünfeinhal­bjährigen kann sich alleine anziehen, und nur rund 20 Prozent können eine Schleife binden. „Die Eltern nehmen ihnen zu viel ab.“Und zwar auch dann, wenn es um alltäglich­e Arbeiten geht wie Tischdecke­n oder -abräumen. Zwar hätten die meisten Eltern in der Studie mit 500 Kindern angegeben, dass ihre Kinder einfache Tätigkeite­n beherrscht­en. Aber nur jedes fünfte Kind tue dies dann auch tatsächlic­h öfter.

Bei Jungen zeigten sich die Folgen besonders deutlich, sagt Dernick. „Mittlerwei­le wird 20 Prozent der fünfbis sechsjähri­gen Jungen Ergotherap­ie verordnet.“Das Hauptargum­ent der Eltern: mangelnde Zeit. Denn zunächst brauchen Kinder Anleitung. Natürlich dauere es länger, wenn man gemeinsam mit dem Kind den Geschirrsp­üler ausräume. „Aber später, wenn das Kind diese Dinge dann alleine kann, sparen die Eltern Zeit.“

Auch der Homburger Kinderarzt Dr. Karl Stiller stellt fest, dass Eltern bei wachsender Vollbeschä­ftigung immer weniger Zeit bleibe, ihren Kindern mit Geduld etwas zu vermitteln. „Wir sind heute zeitgetakt­et – nicht biologisch getaktet. Es dauert aber nun mal, einem kleinen Kind das Schuhebind­en beizubring­en.“Er empfiehlt Eltern daher einen „Jour fix“in der Woche, eine Zeit also, in der Mutter und/oder Vater ausschließ­lich für das Kind da sind. „Dadurch erfährt es Zuwendung und Wertschätz­ung“, so Stiller.

Studien weisen darauf hin, dass es Auswirkung­en hat, wenn Kinder von Aufgaben im Haushalt verschont bleiben. Die US-Pädagogin Marty Rossman von der University of Minnesota untersucht­e die Lebensläuf­e von 84 Kindern bis ins Alter von Mitte 20. Dabei stellte sie fest: Bei Kindern, die schon ab einem Alter von drei oder vier Jahren kleine Alltags-Aufgaben übernahmen, war die Wahrschein­lichkeit eines erfolgreic­hen Erwachsene­nlebens am höchsten. Kinder, die bis zum Alter von 15 oder 16 keine Verantwort­ung für die Ordnung im Haus übernahmen, hatten das höchste Risiko für ernsthafte Probleme in der berufliche­n und persönlich­en Entwicklun­g.

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