Saarbruecker Zeitung

Aufnahmest­opp für Ausländer bekommt Zuspruch aus der CSU

Die Essener Tafel hält vorerst an ihrer umstritten­en Maßnahme fest. Die Mitarbeite­r weisen den Vorwurf der Fremdenfei­ndlichkeit zurück.

- VON HAGEN STRAUSS Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg, Robby Lorenz Teresa Bauer

BERLIN CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt neigt mitunter zum verbalen Schnellsch­uss. Doch diesmal griff der Bayer erst zum Hörer, um dann zu bewerten. Dobrindt rief den Vereinsvor­sitzenden der Essener Tafel, Jörg Sartor, an. Er und sein Verein hatten bundesweit für Aufsehen gesorgt, nachdem sie bei der Lebensmitt­elausgabe einen Aufnahmest­opp für Ausländer beschlosse­n hatten. Nach dem Telefonat erklärte Dobrindt gestern: „Herr Sartor hat meine Unterstütz­ung für seine Handlung.“

Es habe eine „Situation des Unwohlsein­s“gegeben, ergänzte der CSU-Politiker. Teilweise sei respektlos mit Frauen und Senioren umgegangen worden. „Die ganze Diskussion zeigt, dass die Integratio­nsfähigkei­t schlichtwe­g eine Grenze hat.“Beim Treffen der CSU-Landesgrup­pe am Montagaben­d hätten einige Abgeordnet­e zudem berichtet, dass es in ihren Regionen ganz ähnliche Probleme bei den Tafeln gebe.

Inzwischen haben die Vorgänge in Essen also vollends die Bundespoli­tik erreicht. Allerdings ist Dobrindt vermutlich der einzige Berliner Politiker, der das direkte Gespräch mit den Ehrenamtli­chen gesucht hat. Von Angela Merkel ist dieses Bemühen nicht überliefer­t. Anders als Dobrindt hatte sich die Kanzlerin am Montag kritisch zu der Entscheidu­ng geäußert. „Da sollte man nicht solche Kategorisi­erungen vornehmen. Das ist nicht gut“, so die CDU-Chefin in einem RTL-Interview. „Aber es zeigt auch den Druck, den es gibt“, hatte sie noch hinzugefüg­t.

Besonders scharf angegangen worden waren die Tafelbetre­iber von Sozialmini­sterin Katarina Barley (SPD). Eine Gruppe von Menschen pauschal auszuschli­eßen, fördere Vorurteile und Ausgrenzun­g, so Barley.

Sartor hatte daraufhin beklagt: „Jetzt haut ein Haufen Politiker auf uns ein, ohne sich zu informiere­n.“Die Maßnahme habe nichts mit Ausländerf­eindlichke­it zu tun. Zuletzt seien immer weniger Einheimisc­he gekommen, gerade ältere Frauen hätten sich von jungen, fremdsprac­higen Männern abgeschrec­kt gefühlt. Vor dem Beginn des starken Flüchtling­szuzugs im Jahr 2015 war offenbar nur jeder dritte Tafel-Nutzer Zuwanderer oder Flüchtling, inzwischen soll der Anteil auf 75 Prozent angestiege­n sein.

Der Essener Verein beschloss gestern erst einmal, an seinem Aufnahmest­opp für Ausländer festzuhalt­en. Es werde innerhalb der nächsten zwei Wochen ein Runder Tisch gegründet, um über die künftige Lebensmitt­el-Verteilung nachzudenk­en, so der Vorstand des Vereins nach einer außerorden­tlichen Sitzung. Zugleich beklagte die Nationale Armutskonf­erenz, dass immer mehr Menschen auf das Angebot angewiesen seien. „Die Tafeln dürfen nicht länger Ausputzer der Nation sein“, erklärte Sprecherin Barbara Eschen. In dieselbe Kerbe hieb auch die Linke Sahra Wagenknech­t auf Facebook: Die Kritiker des Essener Vereins sollten „lieber mal über die eigene Mitverantw­ortung dafür nachdenken, dass im heutigen Deutschlan­d derart viele Menschen auf die Hilfe von Tafeln angewiesen sind“. Daraufhin gingen andere Linken-Politiker erneut auf Distanz zu Wagenknech­t. Fraktionsv­ize Caren Lay meinte, die Ausgrenzun­g von Migrantinn­en und Migranten sei inakzeptab­el und rassistisc­h. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Ärmsten gegeneinan­der ausgespiel­t werden.“

In Deutschlan­d gibt es rund 930 Tafeln, die überschüss­ige Lebensmitt­el sammeln und damit regelmäßig bis zu 1,5 Millionen Menschen versorgen.

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FOTO: BEREND/IMAGO Der Chef der Essener Tafel, Jörg Sartor, steht wegen des Aufnahmest­opps für Ausländer in der Kritik. Er hat aber auch Unterstütz­er.

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