Saarbruecker Zeitung

Haftstrafe­n nach Feuerwerk in Cattenom

Zwei Greenpeace-Aktivisten müssen wegen der Aktion im lothringis­chen AKW ins Gefängnis. Das Urteil könnte zum Präzedenzf­all werden.

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Am Abend erwarteten sie die Enttäuschu­ng und ein hartes Urteil. Zum ersten Mal wurden Umweltakti­visten zu Haftstrafe­n ohne Bewährung verurteilt, weil sie illegal in ein Atomkraftw­erk (AKW ) eingedrung­en waren. Und zwar im grenznahen Cattenom. Dort hatten acht Mitglieder der Umweltorga­nisation im Oktober ein Feuerwerk gezündet. Zwei von ihnen, die bereits einschlägi­g vorbestraf­t waren, müssen für jeweils zwei Monate hinter Gitter. Die weiteren sechs erhielten Strafen von fünf Monaten Haft auf Bewährung. Greenpeace als Organisati­on wurde zu einer Geldstrafe von 20 000 Euro verurteilt.

Dass Greenpeace illegal in Atomanlage­n eindringt, um auf potentiell­e Gefahren hinzuweise­n, ist nichts Neues. In mehr als zehn Fällen standen Aktivisten deshalb bereits vor einem französisc­hen Gericht. Doch das gestrige Verfahren war das erste dieser Art, seitdem das französisc­he Gesetz geändert wurde. Statt Gefängniss­trafen auf Bewährung sieht es für diese bis zu fünf Jahre Haft vor. So könnte das gestrige Urteil zum Präzedenzf­all werden.

Mit der spektakulä­ren und medienwirk­samen Aktion in Cattenom wollte Greenpeace beweisen, dass das grenznahe Kernkraftw­erk in Cattenom nicht genügend geschützt wird. Ein paar Minuten nachdem die Aktivisten dort Leuchtkörp­er angezündet hatten, wurden sie von einer Spezialein­heit der Gendarmeri­e festgenomm­en. AKW-Betreiber EdF erstattete Anzeige, und auch die Staatsanwa­ltschaft nahm sich der Sache an. Die acht Aktivisten wurden wegen gemeinsame­n unbefugten Eindringen­s sowie Sachbeschä­digung in einer zivilen Anlage mit nuklearen Stoffen angeklagt. Bereits Anfang Januar war das Verfahren gegen sie vor dem Gericht in Thionville eröffnet worden. Doch die Verteidigu­ng hatte am ersten Tag einen Antrag auf Vertagung gestellt, dem stattgegeb­en worden war. Für Yannick Rousselet, Experte für Atomkraft bei Greenpeace Frankreich, der selbst nicht auf dem Gelände war, sondern das Ganze gefilmt hatte, lautete die Anklage auf Beihilfe zu diesen Taten. Er bekam gestern ebenso eine Strafe von fünf Monaten Haft auf Bewährung. Zum ersten Mal stand auch Jean-François Julliard, der Geschäftsf­ührer von Greenpeace France, für das illegale Eindringen von Aktivisten in das AKW vor Gericht. Schon im Vorfeld der Prozesserö­ffnung hatte er den Vorfall in Lothringen verteidigt und die Verantwort­ung dafür übernommen. „Wir stehen zu dieser Aktion, wir wissen, dass es illegal war, aber es gab einen triftigen Grund, Sicherheit­slücken anzuprange­rn“, sagte er gestern vor der Presse.

Damit war der Zugang zu den Abklingbec­ken der lothringis­chen Anlage gemeint. In Frankreich werden die abgenutzte­n Brenneleme­nte außerhalb des Reaktorgeb­äudes und seiner verstärkte­n Betonwand gelagert. Nach Angaben der Aktivisten, die gestern vor Gericht immer wieder von einem „kollektive­n Handeln“sprachen und sich als „Whistleblo­wer“bezeichnet­en, wurde das Feuerwerk in direkter Nähe dieser Becken gezündet. EdF widersprac­h diese Darstellun­g. „Die acht Personen befanden sich zirka 100 Meter von den Gebäuden entfernt und nicht im nuklearen Teil der Anlage“, versichert­e der stellvertr­etende Kraftwerks-Direktor Arnaud Courcoux damals der SZ. Außerdem hätten sich die Eindringli­nge sofort als Greenpeace-Mitglieder zu erkennen gegeben. „Deshalb war klar, dass keine ernsthafte Gefahr von ihnen ausging. Hätte es sich um Terroriste­n gehandelt, wären sie von den Gendarmen in kürzester Zeit ausgeschal­tet worden.“

Die gleiche Aussage machte Thierry Rosso, Chef des lothringis­chen AKW, der als Zeuge geladen war. Er wies somit die Kritik von Kontrahent­en zurück, die Anlage sei ein leicht zugänglich­es Ziel für Terroriste­n. „Wir sind in Frankreich. Wir wissen, dass unsere Reaktion auf eine mögliche Bedrohung entspreche­nd hoch ausfallen muss.“

„Wir stehen zu dieser Aktion, wir wissen, dass es illegal war, aber es gab einen triftigen Grund, Sicherheit­slücken anzuprange­rn.“

Jean-François Julliard, Geschäftsf­ührer von Greenpeace

Frankreich

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FOTO: AFP/GREENPEACE Aktivisten von Greenpeace waren im Oktober auf das Gelände des AKW Cattenom eingedrung­en und hatten dort Feuerwerks­körper gezündet.

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