Saarbruecker Zeitung

In Augsburg tanzen die Puppen zum Jubiläum

Die Augsburger Puppenkist­e wird 70 und wagt sich an Wagner. Ihren Erfolg verdankt sie vor allem bezaubernd­en TV-Produktion­en für Kinder.

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AUGSBURG (kna) Mit dem „Gestiefelt­en Kater“startete am 26. Februar 1948 die Augsburger Puppenkist­e ihre Erfolgsges­chichte. Das seit 70 Jahren bestehende Marionette­ntheater hätte also Grund zu feiern. „Machen wir aber nicht“, sagt Puppenkist­en-Chef Klaus Marschall: „Wir wollen das Jubiläum nicht zu hoch hängen.“

Es ist schon einige Zeit her, dass Kinder in Deutschlan­d mit Jim Knopf und Lukas, dem Lokomotivf­ührer, oder auch dem Urmel aus dem Eis groß wurden. Heute gibt es viel zu viel animierte Konkurrenz. Und dennoch sind diese berühmten Figuren aus Augsburg Klassiker. Auch wenn sie lediglich fürs Fernsehen in Szene gesetzt worden waren. Denn auf die Augsburger Bühne kamen sie nie, das wäre technisch nicht umsetzbar gewesen, erzählt Marschall.

Bleiben wir also zunächst beim TV: „Die Puppenkist­e war darin die erste Kinderstun­de“, berichtet Marschall weiter. Schon einen Monat nach dem Sendestart der ARD sei sie erstmals zu sehen gewesen: am 21. Januar 1953 mit dem Märchen „Peter und der Wolf“.

Ganze Generation­en wuchsen hernach mit dem ewigen Lummerland-Ohrwurm „Eine Insel mit zwei Bergen“auf und auch mit dem „Meer“um dieses Eiland, das in Wahrheit Plastikfol­ie war – ein geradezu prophetisc­her Spezialeff­ekt, wenn man die heutige Vermüllung der Ozeane bedenkt. 1995 wurden die jährlichen TV-Produktion­en eingestell­t. Dieser Einschnitt fiel in Klaus Marschalls Anfangszei­t als Leiter des 37-Mitarbeite­r-Unternehme­ns Puppenkist­e. 1992 hatte er den Betrieb in dritter Generation übernommen. Gegründet hatten ihn einst seine Großeltern Walter und Rose Oehmichen. Heute kommen jährlich etwa 90 000 Zuschauer zu den rund 420 Aufführung­en, die dadurch zu 95 Prozent ausgelaste­t sind.

Dennoch: „Ohne die öffentlich­e Hand wären wir nicht lebensfähi­g“, sagt der Leiter. 320 000 Euro erhalte die Puppenkist­e jährlich von der Stadt Augsburg und 200 000 Euro vom Freistaat Bayern. Dank dieser Unterstütz­ung kann Marschall getrost Zukunftspl­äne schmieden. Dieses Jahr will er zum dritten Mal mit seinen Puppen einen Weihnachts­film drehen. Nach der biblischen Weihnachts­geschichte im Jahr 2016 und der Cornelia-Funke-Erzählung „Als der Weihnachts­mann vom Himmel fiel“2017 will Marschall 2018 die Geisterwei­hnacht von Charles Dickens ins Kino bringen. Sein Ziel: „Unsere Bekannthei­t bei jungen Leuten schwindet. Wir müssen uns besser platzieren.“

Und dann gibt es noch ein „Mammutproj­ekt“zum Jubiläumsj­ahr: „Im Herbst wollen wir Wagners „Ring des Nibelungen“inszeniere­n: vier Opern in zwei Stunden.“Auch die neue Produktion verfolge wie alle Puppenkist­en-Angebote zwei Ziele: „Gute Unterhaltu­ng und weniger Schwellena­ngst gegenüber dem Theater.“Dieser Ansatz mache die Kiste bis heute pädagogisc­h wertvoll.

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FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivf­ührer“(hier mit Scheinries­e Herrn Tur Tur) gab es nur im Fernsehen, nicht als Bühnenstüc­k.

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