Saarbruecker Zeitung

Bundestag befasst sich mit Terrorfall Amri

Viele Monate sind vergangen, seitdem Anis Amri am Berliner Breitschei­dplatz ein Blutbad anrichtete. Jetzt nimmt der Bundestag den Fall in einem Untersuchu­ngsausschu­ss unter die Lupe.

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Hätte der Anschlag vom Berliner Breitschei­dplatz verhindert werden können? Und warum wurde Anis Amri nicht gefasst? Mit diesen Fragen beschäftig­t sich seit gestern ein Ausschuss im Bundestag.

BERLIN (dpa) Mehr als ein Jahr nach dem Anschlag auf den Weihnachts­markt in Berlin soll auch im Bundestag die Aufarbeitu­ng des Falles beginnen. Gestern setzte das Parlament einen Untersuchu­ngsausschu­ss ein, der die Versäumnis­se der Behörden im Umgang mit dem Attentäter Anis Amri durchleuch­ten soll. „Der Anschlag wäre vermeidbar gewesen“, sagte der designiert­e Obmann der Unionsfrak­tion, Stephan Mayer (CSU), gestern in Berlin. „Es sind an mehreren Stellen gravierend­e Fehler passiert.“

Der Tunesier Amri war am 19. Dezember 2016 mit einem gestohlene­n Lastwagen in eine Menschenme­nge auf den Weihnachts­markt an der Berliner Gedächtnis­kirche gerast, hatte zwölf Menschen getötet und Dutzende verletzt. Auf der Flucht war er kurz darauf in Italien von Polizisten erschossen worden.

In dem Fall gab es eine ganze Serie von schweren Fehlern. Amri war ein bekannter Islamist, Gefährder und verurteilt­er Straftäter, der als Asylbewerb­er ins Land kam, eigentlich hätte abgeschobe­n werden sollen, aber stattdesse­n mit diversen Identitäte­n umherzog, die Behörden täuschte, sich der Polizei entzog und am Ende ein Blutbad anrichtete. Mayer sagte, es gehe auch darum, Schwachste­llen in der Sicherheit­sarchitekt­ur aufzudecke­n. Der Bund habe bereits einige Konsequenz­en aus dem Fall gezogen. Es wäre aber fahrlässig, es dabei zu belassen, betonte er. Auch Schnittste­llen zwischen Behörden in Bund und Ländern müssten näher beleuchtet werden.

In den Landesparl­amenten in Berlin und auch in NRW – wo sich Amri länger aufgehalte­n hatte – gibt es bereits Untersuchu­ngsausschü­sse zu dem Fall. Nun kommt ein solches Gremium im Bundestag hinzu. Die zentrale Frage für die Parlaments­aufklärer ist, ob der Anschlag durch ein anderes Vorgehen der Behörden hätte verhindert werden können. Union und SPD hatten einen Untersuchu­ngsausschu­ss in der großen Koalition zunächst abgelehnt und eine Aufarbeitu­ng im Parlamenta­rischen Kontrollgr­emium des Bundestage­s angestoßen.

Angesichts der langen Liste an Versäumnis­sen lenkten die beiden Parteien aber ein – erst die SPD, dann auch die Union. Linke, Grüne und FDP hatten zuletzt noch darauf gepocht, dass der Ausschuss nicht nur die Zeit bis zu Amris Tod betrachtet, sondern auch darüber hinaus. Nach längeren Diskussion­en einigten sich Union, SPD, Linke, Grüne und FDP schließlic­h auf einen gemeinsame­n Untersuchu­ngsauftrag – ohne die AfD.

Der designiert­e Vorsitzend­e des Ausschusse­s, Armin Schuster (CDU), befürchtet, dass die AfD das Gremium missbrauch­en könnte, um Stimmung gegen die Flüchtling­spolitik der Bundesregi­erung zu machen. „Das werden wir nicht zulassen“, sagte Schuster. Der Untersuchu­ngsausschu­ss sei kein Ort, um „dumpfe Parolen“zu verbreiten. Die designiert­e Grünen-Obfrau Irene Mihalic beklagte, die AfD habe bei dem Ausschuss „gänzlich andere Interessen als alle anderen Fraktionen“. Die designiert­e Linke-Obfrau Martina Renner wiederum warf der Union vor, sie grenze die Linke bei der Ausschussa­rbeit aus. Die Union lasse ihre Fraktion bei der Absprache zu Beweisantr­ägen gezielt außen vor. Es sei „unerhört“, den Ausschuss zur „Spielwiese für parteipoli­tische Ausgrenzun­gsversuche“zu machen. Der Ausschuss wurde gestern zunächst im Bundestag eingesetzt und kam noch am Abend zu seiner konstituie­renden Sitzung zusammen. In diesem Monat ist zunächst ein Gespräch mit Anschlagso­pfern und Hinterblie­benen angedacht – gemeinsam mit dem Opfer beauftragt­en der Bundesregi­erung, Kurt B eck.

In der zweiten März-Hälfte und im April sind drei Sachverstä­ndigen anhörungen vorgesehen–unter anderem mit Islamismus- Experten. Im Mai sollen schließlic­h die Zeugenvern­ehmungen beginnen. D erde signierte SPD-Obmann Fritz Felgen treu sagte, die Ausschuss arbeit werde sich wohl über die gesamte Wahlperiod­e hinziehen.

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FOTO: VON JUTRCZENKA/DPA Verwüstung am Breitschei­dplatz in Berlin, nachdem der Attentäter Anis Amri mit einem Lkw über den Platz gerast war. Hätte der Anschlag verhindert werden können? Das untersucht seit gestern ein Ausschuss im Bundestag.

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