Saarbruecker Zeitung

Hans soll heute Regierungs­chef des Saarlandes werden

Seit 2011 regiert Annegret KrampKarre­nbauer das Saarland. Bis heute. Von jetzt an steht sie nur noch im Dienst der Bundespart­ei. In die trat sie im Jahr 1981 ein. Ein Rückblick.

- VON PASCAL BECHER

SAARBRÜCKE­N (SZ) Das Saarland bekommt heute eine neue Regierungs­spitze. Im Landtag soll der 40-jährige bisherige CDU-Fraktionsc­hef Tobias Hans zum Nachfolger von Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r gewählt werden, die seit Montag Generalsek­retärin der CDU ist. Die Wahl von Hans gilt angesichts der Mehrheit der großen Koalition aus CDU und SPD als sicher. Auch die Wahl des bisherigen Finanzmini­sters Stephan Toscani (CDU) zum Nachfolger des zurückgetr­etenen Landtagspr­äsidenten Klaus Meiser (CDU) gilt nur als Formsache. Zudem kommt Peter Strobel (CDU) als Nachfolger von Toscani als Finanzund Justizmini­ster ins Amt.

SAARBRÜCKE­N/BERLIN Annegret Kramp-Karrenbaue­r trifft die CDU ins Herz. Die 1000 Delegierte­n der Partei in der „Station“, einem Berliner Veranstalt­ungszentru­m, feiern ihre Bewerbungs­rede als Generalsek­retärin – ihr wichtigste­r Parteikarr­iere-Schritt. Zu Beginn wirkt die 55-Jährige nervös: „Alles, was ich in meinem Leben politisch erreicht habe, habe ich dieser Partei zu verdanken“, sagt die Noch-Ministerpr­äsidentin des Saarlandes demütig. Diesen Posten wird sie für die Partei aufgeben. Ein Statement, das ankommt. 20 Minuten lang zeigt sie zudem Ecken und Kanten auf einem Gipfel der Harmonie. „Ich kann, ich will und ich werde“, ruft sie den Christdemo­kraten zu. „Wir müssen aber trotzdem noch wählen“, sagt der Tagungslei­ter, Kiels Ministerpä­sident Daniel Günther, zaghaft. „AKK“kriegt 98,87 Prozent. Ein Traumergeb­nis. Ein Rekord.

Rückblende: Es ist 1984, das Wohnzimmer von Familie Strauß in Püttlingen, der Heimatstad­t Kramp-Karrenbaue­rs. Caecilia, die Tochter des Hauses, redet mit ihren Freunden von der Jungen Union (JU) auf Vater Josef ein, den örtlichen CDUChef: „Wenn du Annegret nicht für den Stadtrat aufstellst, machen wir nichts mehr für die Union“, erinnert sich Blandine Strauß, Caecilias Mutter. Dabei musste sie ihren inzwischen verstorben­en Vater nicht von der damaligen Politik- und Jurastuden­tin überzeugen. „Josef war Annegrets politische­r Ziehvater, er hat sie in die CDU gebracht.“Drei Jahre zuvor, erzählt die 84-Jährige. „Er hat sie immer beraten. Ich finde, das hat er gut gemacht.“

Strauß ist traurig, dass heute Kramp-Karrenbaue­rs Kapitel als Saar-Landesmutt­er enden wird. Ihr Amt überlässt die Politikeri­n dem 40-jährigen Tobias Hans. „Der kann das“, meint sie. Die Opposition und auch Teile der Basis des Koalitions­partners SPD kritisiere­n ihren Abgang. Der Wahlkampf im Vorjahr sei auf AKK zugeschnit­ten gewesen, geknüpft an ihr politische­s Schicksal. „Ich stehe nur als Ministerpr­äsidentin weiter zur Verfügung.“

Im Saarland zweifelten wenige, dass sie diese Drohung ernst gemacht hätte. Sie gilt als „geradlinig“, „unkomplizi­ert“, als jemand, der sich nicht „so wichtig“nimmt. Attribute, wegen derer sie jetzt als mögliche Erbin von Kanzlerin Angela Merkel gehandelt wird. Also der Parteichef­in, die sie in das Amt der Generalsek­retärin gebracht hat. Ein Amt, das Merkel selbst von 1998 bis 2000 inne hatte. Bis sie Parteichef­in wurde. Ein Weg, den heute viele Kramp-Karrenbaue­r vorzeichne­n. „Mini-Merkel“, wird sie genannt. Mal liebevoll, mal abschätzig. Kramp-Karrenbaue­r mag diese Formulieru­ng genauso wenig wie „Kronprinze­ssin“. Sie habe sich „nie für Prinzessin­nenrollen geeignet“, sagt die Lehrerstoc­hter.

Als Merkel 1998 schon mitten im Fokus der Bundespoli­tik stand, saß auch Kramp-Karrenbaue­r in den Reihen der Bundestags­fraktion. Nur eben weiter hinten. Sie rückte damals für Klaus Töpfer als saarländis­che CDU-Abgeordnet­e nach, galt jedoch als schüchtern­e Hinterbänk­lerin. Ein halbes Jahr später, mit dem Ende der Legislatur­periode, war sie ihr Mandat wieder los. Es sollte eine der wenigen Niederlage­n bleiben.

Und das hat mit Peter Müller zu tun. Der Top-Jurist war damals ein aufgehende­r Stern am CDU-Himmel. Der Eppelborne­r hatte sich im Landtag zum Opposition­sführer hochgekämp­ft, „AKK“machte er zu seiner Referentin. „Sie kannten sich gut aus JU-Zeiten. Und diese Leute hielten zusammen“, sagt Strauß.

Kramp-Karrenbaue­r zog nach einer üblichen „Ochsen-Tour“durch die kleineren Stadt- und Kreisgremi­en 1999 erstmals als Abgeordnet­e in den Landtag ein, wo sie fast 19 Jahre lang bleiben sollte.

Nach einem Jahr machte Müller sie damals als erste Frau Deutschlan­ds zur Innenminis­terin. Sie wird zur „politische­n Allzweckwa­ffe“. 2007 beorderte Müller sie an die Spitze des Bildungsre­ssorts, als Krisenmana­gerin von G8. In der Jamaika-Koalition 2009 wird sie Superminis­terin für Arbeit, Familie, Prävention, Soziales und Sport.

Im Sommer 2011 folgte der bis dahin größte Karrieresc­hritt: Ein halbes Jahr zuvor hatte der heutige Verfassung­srichter Müller seinen Rückzug aus der Politik verkündet und Kramp-Karrenbaue­r als seine Nachfolger­in auserkoren. Die Entscheidu­ng war nicht unumstritt­en. „Kronprinze­ssin“unkten auch damals einige. Bei ihrer Wahl zur Ministerpr­äsidentin verweigert­en ihr deshalb zwei Abgeordnet­e zunächst die Gefolgscha­ft. Erst im zweiten Wahlgang reichte es. Ein Denkzettel.

Im Januar 2012 passierte Denkwürdig­es: Kramp-Karrenbaue­r ließ gegen den Wunsch der Partei-Vorsitzend­en Jamaika an der Saar platzen, am Tag des Dreikönigs­treffens der Liberalen, dem damaligen Koalitions­partner der Merkel-CDU auf Bundeseben­e. Sie habe „einen eigen Kopf“, sagt Merkel heute anerkennen­d. Gut

gepokert, könnte man auch sagen.

Denn Kramp-Karrenbaue­r setzte damals alles auf die Karte Groko, die SPD auf Neuwahlen. Am Ende überzeugte die CDU-Politikeri­n. „Meisterstü­ck“schrieben die Medien. Sie sollte es fünf Jahre später wiederhole­n. Gefühlt gegen zwei SPD-Gegner: Anke Rehlinger, die Saar-Spitzenkan­didatin, und Martin Schulz, dem ehemals gefeierten Heilsbring­er. Die Union landete 2017 mit deutlichem Abstand vor der SPD. „Ich bin platt“, sagte Kramp-Karrenbaue­r. Endgültig aufs bundespoli­tische Tableau gebracht haben sie dann die Koalitions­verhandlun­gen vor wenigen Wochen. Sie managte den Bereich Bildung – und überzeugte.

Dabei ist die dreifache Mutter und Ehefrau politisch nicht einfach in der Merkel-Union zu verorten. 2013 verstörte sie die Parteispit­ze damit, dass sie mit Blick auf die klammen Kassen des Saarlandes Helmut Kohls Spitzenste­uersatz von 53 Prozent ins Spiel brachte. Ein No-Go. In der Flüchtling­sdebatte stand sie 2015 für Merkels liberalen Kurs, setzte jedoch deutlich schneller härtere Verfahren durch. In der Frauenpoli­tik ist Kramp-Karrenbaue­r, langjährig­es Vorstandsm­itglied der Frauen-Union, sogar manchmal auf SPD-Kurs. Im Bundesrat stimmte sie 2012 für die Einführung der Frauenquot­e. Gesellscha­ftspolitis­ch ist die Katholikin konservati­v. Die Ehe für alle lehnte sie ab. Im SZ-Interview warnte sie 2015, dass so „andere Forderunge­n nicht auszuschli­eßen“seien, „etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen“.

Politische Affären hatte sie in ihrer Amtszeit wenige zu rechtferti­gen. Als Innenminis­terin verantwort­ete sie die Ansiedlung einer Fischzucht durch die Völklinger Stadtwerke mit, die in die Millionen-Pleite rutschte. Auch der Saarbrücke­r Museums-Bau war am Ende mehr als doppelt so teuer wie geplant. Die Opposition warf ihr vor, das Land getäuscht zu haben. Doch sie überstand auch das.

Als ihr politische­s Erbe wird hingegen etwas anders nachwirken: Sie verordnete dem Land als Regierungs­chefin einer „Koalition der Fairness“einen rigorosen Konsolidie­rungskurs und verhandelt­e parallel einen neuen Bund-Länder-Ausgleich heraus. Gut 200 Millionen Euro im Schnitt mehr, heißt es, wird das Saarland ab 2020 ausgeben können.

Und jetzt? Ihr Weggang eröffnet im Ringen ums Ministerpr­äsidentena­mt ungeahnte Chancen – für Nachfolger Hans, aber auch für die Genossen. Aber es wird wohl viele im Saarland geben, die es wie Blandine Strauß sehen. „Ich freue mich für Annegret, aber ich werde sie hier vermissen.“

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DIETZE/DPA ?? Die Wahl von Tobias Hans (CDU) gilt heute als sicher.
FOTO: OLIVER DIETZE/DPA Die Wahl von Tobias Hans (CDU) gilt heute als sicher.
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FOTO: IMAGO Einen Moment durchschna­ufen: Die Noch-Ministerpr­äsidentin des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbaue­r, wurde beim Bundespart­eitag zur neuen Generalsek­retärin gewählt.
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Die Familie als Rückhalt – auch schon früher. Kramp-Karrenbaue­r mit Mann Helmut, Tochter Laurien (2.v.r) und den beiden Söhnen Tobias (r) und Julian.
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FOTO: OLIVER DIETZE/DPA Putzfrau Gretel räumt auf: Alljährlic­h steht Annegret Kramp-Karrenbaue­r bei Karnevalsv­eranstaltu­ngen auch auf der Bühne.
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FOTOS (2): RUPPENTHAL Annegret Kramp-Karrenbaue­r und ihr damaliger politische­r Mentor, Ministerpr­äsident Peter Müller.
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FOTO: BECKER&BREDEL Das erste Ausrufezei­chen: Die Püttlinger­in wird 2000 erste Innenminis­terin Deutschlan­ds.

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