Saarbruecker Zeitung

Risiko durch Insektizid­e für Bienen bestätigt

Landwirte bekämpfen mit ihnen Schädlinge, doch Neonicotin­oide stellen ein hohes Risiko dar. Die EU hat bereits ein Verbot der Insektizid­e vorgeschla­gen.

- VON TOM NEBE

Die Europäisch­e Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it (Efsa) hat in einen Bericht bestätigt, dass Neonicotin­oide für Wild- und Honigbiene­n eine Gefahr sind. Die EU-Staaten wollen nun über ein Freiland-Verbot diskutiere­n.

PARMA/BRÜSSEL (dpa) Die potenziell tödliche Gefahr lauert in Blütenpoll­en und Nektar, im aufgewirbe­lten Staub bei der Aussaat, im Wasser: Auf unterschie­dlichen Wegen nehmen Bienen für sie gefährlich­e Neonicotin­oide auf. Diese Mittel können die Insekten Experten zufolge bereits bei einer niedrigen Dosierung lähmen, töten oder Lernvermög­en und Orientieru­ngsfähigke­it beeinträch­tigen.

Landwirte setzen die Pestizide als Saatgutbei­zmittel ein, um die angebauten Pflanzen vor Schädlinge­n zu schützen. Damit können sie aber Bienen schaden. Das ist keine neue Erkenntnis und wurde jetzt durch die Europäisch­e Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it (Efsa) in einem gestern veröffentl­ichten Bericht verdeutlic­ht. Die Experten der Behörde mit Sitz im italienisc­hen Parma werteten diverse wissenscha­ftliche Studien zu dem Thema aus. „Insgesamt wurde das Risiko für die drei bewerteten Bienentype­n bestätigt“, sagte der der Leiter der Bereichs Pestizide der Efsa, Jose Tarazona. Untersucht wurde die Gefahr für Honig- sowie Wildbienen und Hummeln.

Bereits im Dezember 2013 wurde der Einsatz von Neonicotin­oiden EU-weit beschränkt. Die drei Insektizid­e dürfen etwa nicht auf Rapssaat und beim Anbau von Kirschen, Äpfeln oder Gurken angewendet werden. Alles Pflanzen, die von Bienen gerne besucht werden. Doch es gibt zahlreiche Sondergene­hmigungen, etwa für Wintergetr­eide. Der Beschluss vor vier Jahren ging ebenfalls zurück auf eine Risikobewe­rtung der Efsa. Die Behörde erhielt jedoch damals den Auftrag, weitere Erkenntnis­se zur Wirkung der entspreche­nden Insektizid­e mit den sperrigen Namen Clothianid­in, Thiamethox­am und Imidaclopr­id zu sammeln. 2016 hat die Efsa dann eine erste überarbeit­ete Version der Empfehlung veröffentl­icht, auf deren Basis die EU-Kommission vor knapp einem Jahr ein komplettes Freiland-Verbot vorgeschla­gen hatte. Ein Bann von den Feldern, Gewächshäu­ser ausgenomme­n? Die EU-Staaten wollten für ihre Entscheidu­ng darüber erst den fertigen Bericht abwarten.

Der liegt nun vor. Und die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Umweltschu­tzorganisa­tionen forderten ein Verbot. Die Grünen ebenfalls: „Die Bienengift­e müssen jetzt schleunigs­t vom Acker – der Frühling darf nicht noch stummer werden“, sagte deren Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomi­epolitik, Harald Ebner. Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) forderte: „Die EU-Mitgliedst­aaten sollten über so ein Verbot bald abstimmen, und die Bundesregi­erung muss dann Ja sagen.“Sie gehe davon aus, dass das Ja des für die Abstimmung zuständige­n Landwirtsc­haftsminis­ters auch in einer künftigen Bundesregi­erung Bestand habe. Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt (CSU) hatte Anfang Dezember in der ARD-Talkshow „Hart aber fair“gesagt: Wenn sich in der Efsa-Studie herausstel­le, dass die Stoffe schädlich seien, „dann müssen sie komplett verboten werden“. Kritik kam vom Neonicotin­oid-Hersteller Bayer. Das Chemie- und Pharmaunte­rnehmen teilte mit, man sei mit den Ergebnisse­n der Risikobewe­rtung für die Wirkstoffe Imidaclopr­id und Clothianid­in grundsätzl­ich nicht einverstan­den. Die Schlussfol­gerungen stünden im Widerspruc­h zu anderen umfassende­n wissenscha­ftlichen Beurteilun­gen zur Bienengesu­ndheit.

Mit dem Thema betraute Forscher beurteilen das anders. „Die Efsa gibt aus meiner Sicht die Datenlage der vertrauens­würdigen wissenscha­ftlichen Literatur ziemlich korrekt wieder“, sagte Randolf Menzel, Neurobiolo­ge von der Freien Universitä­t Berlin. Menzel hat fast sein ganzes Forscherle­ben Bienen und Hummeln gewidmet. „Diese drei Neonicotin­oide sind in der Tat höchst gefährlich für die bestäubend­en Insekten“, betonte der emeritiert­e Professor. Menzel richtete einige kritische Worte Richtung Industrie. Mit dem Efsa-Report würden manche Berichte, die keine Effekte gefunden hatten, zurückgewi­esen – „insbesonde­re solche, die mit Mitteln der Industrie durchgefüh­rt wurden.“Das sei ein „bemerkensw­ertes Ergebnis“, denn die Behörde sei nicht gerade dafür bekannt, besonders kritisch zu sein, wenn es um die Aussagen der Industrie gehe.

Zunächst reden aber die Politiker in Brüssel. Auf Basis des neuesten Efsa-Berichts ist nach Angaben der EU-Kommission geplant, dass die Mitgliedst­aaten am 22. März über den Vorschlag des Freiland-Verbots diskutiere­n. Ob dabei schon eine Entscheidu­ng fällt, ist allerdings unklar.

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FOTOS: PATRICK PLEUL/DPA Noch verteilen Landwirte Insektizid­e zur Schädlings­bekämpfung auf ihren Feldern. Am 22. März diskutiere­n die EU-Mitgliedst­aaten über ein mögliches Freiland-Verbot der chemischen Mittel.
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Für Wild- und Honigbiene­n geht von sogenannte­n Neonicotin­oiden eine Gefahr aus. Das bestätigt die EU-Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it.

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