Saarbruecker Zeitung

Der Sicherheit­srat ist beim Thema Syrien zahnlos

Im wichtigste­n UN-Gremium herrschen Ohnmacht und Frust.

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NEW YORK (dpa) Zur ersten Sondersitz­ung über den eskalieren­den Konflikt im syrischen Rebellenge­biet Ost-Ghuta erscheint Nikki Haley nicht. Die US-Botschafte­rin bei den Vereinten Nationen lässt sich im Sicherheit­srat in der vergangene­n Woche von ihrer Nummer zwei vertreten, während sie an der Universitä­t in Chicago einen Vortrag über die „Herausford­erungen und Möglichkei­ten der UN“hält. Der Vortrag war lange geplant, das Treffen zum Syrien-Konflikt kurzfristi­g angesetzt, trotzdem murrt es hinter den Kulissen. Bei Haley herrsche das „Primat der Innenpolit­ik und das Primat der eigenen Karriere“, heißt es aus Diplomaten­kreisen. Sie denke schon an ihre eigene Präsidents­chaftskand­idatur, „Haley 2024“.

Dass die USA ihre führende Rolle in der Weltpoliti­k auch im Sicherheit­srat längst nicht mehr wie gewohnt spielen, ist nur einer der Gründe, warum auch der seit sieben Jahren tobende Bürgerkrie­g in Syrien und dessen jüngste Eskalation das Gremium einfach nicht zusammenbr­ingen können. Mehrere Sitzungen und stundenlan­ge Verhandlun­gen hinter den Kulissen braucht es, bei denen sich Russland stets eng mit Syrien abstimmt, bis schließlic­h eine zahnlose Resolution verabschie­det ist – die sich eine 30-tägige Waffenruhe wünscht, aber weder eine konkrete Anfangszei­t noch ein Druckmitte­l zur Durchsetzu­ng nennt und dementspre­chend wirkungslo­s verpufft.

Am Tag darauf prescht Russland, das die Resolution gerade noch mit verabschie­det hatte, vor und verkündet eine tägliche fünfstündi­ge Pause. Wie so oft, kritisiere­n Beobachter, habe Russland damit im Sicherheit­srat auf Zeit gespielt, um dann vor Ort selbst Fakten zu schaffen, ohne komplizier­te Beratungen. Zehnmal hat Russland in Sachen Syrien schon sein Veto eingesetzt, um eine Resolution zu verhindern.

Auch zwischen Haleys Vorgängeri­n Samantha Power und dem damaligen russischen UN-Botschafte­r Witali Tschurkin gab es zahlreiche offen ausgetrage­ne Konflikte, aber hinter den Kulissen waren die beiden so eng befreundet, dass die Familien sogar Thanksgivi­ng zusammen feierten – und so gab es doch immer wieder Wege um die Konflikte herum. Doch Tschurkin starb vor einem Jahr plötzlich, und zwischen Haley und Tschurkins Nachfolger Wassili Nebensja herrscht nun endgültig Eiszeit. Das Klima sei „schlimm“, heißt es aus Diplomaten­kreisen.

Die anderen Mitgliedst­aaten des Sicherheit­srats – gerade die der zehn nicht-permanente­n, ohne Veto-Macht – sind zunehmend genervt und frustriert, dass das Gremium sich zu Syrien anhaltend gespalten und ohnmächtig zeigt. Stundenlan­g wird in New York über Begrifflic­hkeiten diskutiert – während in Syrien Bomben fallen und Menschen sterben.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel spricht von einem „Massaker“in Ost-Ghuta – während der Sicherheit­srat über den als „OP1“bekannten „operativen Absatz 1“diskutiert, den wegen seiner konkreten Schritte oft wichtigste­n Teil in Resolution­en. Soll der Rat darin eine Waffenruhe „beschließe­n“, oder doch nur „fordern“, wie es am Ende heißen wird? Soll eine konkrete Uhrzeit für das Inkrafttre­ten der Waffenruhe festgelegt werden? Wichtige Stunden und Tage verstreich­en.

Haley wirkt resigniert, als die Sitzung am Samstag nach erneuter mehrstündi­ger Verzögerun­g endlich eröffnet und die Resolution einstimmig angenommen wird. „Hier sind wir und stimmen über eine Waffenruhe ab, die vor Tagen hätte Leben retten können“, sagt die US-Botschafte­rin. Nur „einige Worte und ein paar Kommas“hätten sich geändert.

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FOTO: CRAIG RUTTLE/DPA Nikki Haley, UN-Botschafte­rin der USA.

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