Saarbruecker Zeitung

Auch Suchmaschi­nen können vergessen

Google muss Webseiten aus seiner Liste löschen, die rechtswidr­ige oder persönlich­e Informatio­nen enthalten – allerdings nur auf Antrag.

- VON NINA SCHEID (SZ) UND ANIKA VON GREVE-DIERFELD (DPA)

KARLSRUHE Im Mai 2014 führte der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) das sogenannte Recht auf Vergessenw­erden ein. Seitdem können Internetnu­tzer bei Google beantragen, dass Links, die beleidigen­de, unwahre, unangebrac­hte oder veraltete Informatio­nen zu ihrer Person verbreiten, gelöscht werden. Und dieses Recht haben seither auch viele eingeforde­rt: Mehr als zwei Millionen Anträge gingen bis Ende des letzten Jahres beim Konzern ein. Nicht alle erfüllten jedoch die Kriterien und wurden letztendli­ch auch entfernt. Wie ein Urteil des Bundesgeri­chtshofs (BGH) in dieser Woche klarstellt­e, haften die Betreiber von Suchmaschi­nen auch nicht automatisc­h für Webseiten, die gegen das Gesetz verstoßen.

Google ist demnach nicht verpflicht­et, Suchtreffe­r vorab auf ihre Rechtmäßig­keit zu überprüfen (Az.: VI ZR 489/16). Im vorliegend­en Fall hatte ein Ehepaar verlangt, dass Links zu Webseiten gesperrt werden müssten, auf denen sie sich diffamiert und bloßgestel­lt fühlten. Unter anderem wurden sie dort mit Worten wie „Schwerstkr­imineller“, „Terrorist“oder „Stalker“belegt. Aus ihrer Sicht haftete Google schon allein deshalb, weil es entspreche­nde Suchergebn­isse zu Verfügung gestellt hatte.

Die Richter folgten dem Urteil der Vorinstanz und wiesen die Revision eines Ehepaares ab. Demnach muss eine Suchmaschi­ne erst dann reagieren, wenn sie konkrete Hinweise auf eine Rechtsverl­etzung erhält: Etwa bei Kinderporn­ografie oder dem Aufruf zu Gewalttate­n im Netz, erläuterte der Vorsitzend­e Richter Gregor Galke bei der Urteilsbeg­ründung. „Betreiber von Suchmaschi­nen identifizi­eren sich nicht mit den Inhalten“, stellte Galke klar. Weder hätten sie die Seiten verfasst, noch machten sie sie sich zu eigen. Außerdem würde eine Suchmaschi­ne praktisch lahmgelegt, würde sie jedes Suchergebn­is vorab prüfen müssen. „Der BGH hat praxisnah entschiede­n. Google muss keinen Suchfilter einrichten, sondern nur auf Nutzerbesc­hwerden hin reagieren“, sagte Markus Kaulartz von der Kanzlei CMS Deutschlan­d.

Ein Freibrief für Suchmaschi­nenbetreib­er ist das Urteil aber nicht. „Die Entscheidu­ng der Richter stellt auch klar, dass die Anbieter auf Nutzerbesc­hwerden reagieren und offensicht­lich rechtswidr­ige Inhalte löschen müssen“, betonte Kaulartz. Google-Sprecher Kay Oberbeck sagte: „Wir sperren immer dann Suchergebn­isse zu Internetse­iten mit klar erkennbar verleumder­ischen oder illegalen Inhalten, wenn wir einen konkreten, ordnungsge­mäßen Hinweis darauf bekommen.“

Neben der Möglichkei­t, Google auf rechtswidr­ige Inhalte hinzuweise­n, können Nutzer auch verlangen, dass sensible Informatio­nen zu ihrer Person aus den Suchergebn­issen gelöscht werden sollen. Dazu müssen sie sich online ausweisen und genau erklären, welche Webseiten welche Informatio­nen enthalten wie diese auf sich selbst bezogen sind und warum diese entfernt werden sollen.

Seit der Konzern Anträge zum Recht auf Vergessenw­erden bearbeiten muss, sind beim Suchmaschi­nenkonzern laut eigenen Angaben mehr als zwei Millionen Löschanträ­ge von knapp 400 000 Personen eingegange­n. Die meisten davon seien aus Frankreich, Deutschlan­d und Großbritan­nien gekommen: Zusammenge­nommen ergeben diese mehr als 50 Prozent aller Anträge. Der Konzern hat auch untersucht, zu welchem Zeitpunkt die meisten Internetnu­tzer bislang ihr Recht auf Vergessenw­erden eingeforde­rt haben. Im ersten Jahr nach der Einführung seien 40 Prozent aller bislang erfassten Anträge eingegange­n, im zweiten 25 Prozent und im dritten Jahr nur noch 22 Prozent. Die meisten Hinweise habe das Unternehme­n demnach kurz nach Einführung der Regelung erhalten.

Alle Anträge, die bei Google eingehen, werden nach eigenen Angaben von Mitarbeite­rn des Unternehme­ns überprüft. Es gebe keine automatisc­hen Prozesse oder computerge­steuerte Verfahren. Während es in den ersten zwei Monaten nach der Einführung durchschni­ttlich noch 85 Tage dauerte, bis eine Entscheidu­ng für oder gegen das Entfernen einer Webseite gefällt wurde, verkürzte sich der Prozess nach Angaben des Unternehme­ns seither auf rund vier Tage.

Google hat außerdem überprüft, welche Internetse­iten besonders häufig im Zusammenha­ng mit fragwürdig­en Inhalten genannt werden. Knapp die Hälfte aller Hinweise seien auf soziale Medien oder Foren bezogen gewesen. Mit mehr als 43 000 Anfragen liegt Facebook auf Platz eins, es folgen Google Plus, Youtube und Twitter.

Nicht einmal der Hälfte aller Löschanträ­ge, die bei Google eingehen, kommt das Unternehme­n letztlich aber auch nach: Nur 43 Prozent hätten die geltenden Kriterien erfüllt, erklärte Google. Entfernt werden Verweise auf Webseiten oder Inhalte, bei denen das persönlich­e Interesse der Antragstel­ler das der Allgemeinh­eit überträfen. Das sei zu 90 Prozent der Fall gewesen, wenn Nutzer beispielsw­eise sensible Informatio­nen zu ihrer Person, etwa Heimatadre­sse oder sexuelle Orientieru­ng, aus den Suchergebn­issen löschen lassen wollten. In solchen Fällen überwiege demnach fast immer das persönlich­e gegenüber dem öffentlich­en Interesse. Anders sei das etwa bei politische­n Hintergrün­den: Von solchen Anträgen seien weniger als drei Prozent letztendli­ch auch entfernt worden. In vielen abgelehnte­n Fällen liege der Fehler jedoch auch beim Antragstel­ler selbst, etwa, weil dieser zu ungenaue Angaben gemacht habe.

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FOTO: SCHULZE/DPA Google ist die am meisten genutzte Suchmaschi­ne weltweit. Nicht alle Webseiten, die angezeigt werden, sind auch konform mit geltendem Recht. Internetnu­tzer, die ihre Persönlich­keitsrecht­e verletzt sehen, können beantragen, Links auf einzelne...

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