Saarbruecker Zeitung

Das Schicksal ist ein Typ mit ziemlich schrägem Humor

Besoffene Neonazis braucht niemand. Der Saarbrücke­r Christoph Endres findet aber in einem ganz speziellen Fall, dass zwei von ihnen seinem Leben richtig gut getan haben.

-

Das Schicksal ist ein mieser Verräter. Diese Beschimpfu­ng der irgendwie höheren Macht, der der Mensch angeblich nicht entkommen kann, hat Eingang in die Literatur gefunden und wurde verfilmt. Es liegt mir fern, mich einzuschme­icheln bei dem, was andere Los oder Kismet nennen, aber ich finde das mit dem „miesen Verräter“schon etwas zu negativ formuliert. Ich erlebe das Schicksal nämlich immer mal wieder als einen Typ mit ziemlich schrägem Humor.

Dazu eine kleine Geschichte, die mir einer erzählt hat, der damals dabei war: Vor ziemlich genau zehn Jahren, nämlich am 27. Februar 2008, haben zwei Skinheads in der Kronenstra­ße mit Stahlrohre­n auf Fenster, Tür und Mauer der alten evangelisc­hen Kirche eingeschla­gen und auf dem Brunnen daneben rumgehämme­rt. Ein Gast der gegenüberl­iegenden Kneipe Liquido hat daraufhin die Polizei alarmiert: Die kam dann auch und hat die beiden eine halbe Stunde später festgenomm­en. In der halben Stunden sind die beiden Schläger in die Bismarckst­raße weitergezo­gen und haben auch noch etwa zehn Autos demoliert.

Das Liqido in der Kronenstra­ße, in der unter anderm das Restaurant Bastille und der Kawumm-Laden sind, gibt es nicht mehr. Das ist jetzt ein Kleiderges­chäft drin. Schade, findet der Gast von damals. Er erinnert sich noch gut, wie er in der Kneipe rief: „Hat jemand die Telefonnum­mer von der Karcherwac­he greifbar?“Und die Bedienung, „eigentlich scherzhaft“, wie er noch weiß, zurückgefr­agt hat: „Wieso? Randaliert jemand?“

Der Gast war Christoph Endres. Dem ein oder anderen ist er bekannt als das Gesicht des Dichterdsc­hungels, einer Gruppe, die Poetry Slams organisier­t, also Dichter zum Wettbewerb auf die Bühne bittet. Andere kennen ihn als Teil der Bücherband, die Regale in der Stadt aufgestell­t hat, aus denen man sich einfach so Bücher rausnehmen und auch welche reinstelle­n kann. Für wieder andere ist der promoviert­e Cyber-Sicherheit­sexperte auch Dr. Security.

An dem 27. Februar 2008 erinnert er sich deshalb so gut, weil das Schicksal es gut meinte mit ihm in dieser Nacht. Mit Catrin, der Bedienung, die auf seine Frage reagierte, ist er nämlich seit mittlerwei­le acht Jahren verheirate­t. Und Christoph Endres sagt: „Das ist der einzig mir bekannte Fall, in dem besoffene Nazis mein Leben nachhaltig verbessert haben.“

 ?? FOTO: ENDRES ?? Catrin und Christoph Endres auf ihrer Verlobungs­feier.
FOTO: ENDRES Catrin und Christoph Endres auf ihrer Verlobungs­feier.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany