Saarbruecker Zeitung

Nahles setzt auf Ja zur Groko

Das SPD-Mitglieder­votum ist an diesem Freitag zu Ende gegangen. Sagt die Partei Ja zur Groko? Wenn nicht, droht dem Land eine schwere politische Krise.

- VON STEFAN VETTER UND UTA WINKHAUS

BERLIN (SZ/dpa) Der Koalitions­vertrag steht, die meisten Minister der Union sind auch schon benannt – und doch könnte alles noch den Bach runter gehen. Denn das letzte Sagen hat die SPD-Basis. An diesem Sonntag wird das Abstimmung­sergebnis über Sein oder Nichtsein einer künftigen GroKo bekannt gegeben. Zu erwarten ist ein knapper Ausgang.

Geht alles nach Plan, dann fährt an diesem Samstag um 17 Uhr ein großer Lastwagen voll mit Postkästen am Berliner WillyBrand­t-Haus vor. Es sind die Stimmkarte­n von potenziell 463 723 Sozialdemo­kraten, die in den letzten zehn Tagen darüber befinden sollten, ob ihre Partei die vorliegend­e Regierungs­vereinbaru­ng mit der CDU und CSU „abschließe­n“solle oder nicht. Rund 120 freiwillig­e Helfer aus den Landesverb­änden und Bezirken werden sich anschließe­nd in der SPD-Zentrale an die Auszählung machen. Dazu kommen zwei so genannte Hochleistu­ngsschlitz­maschinen zum Einsatz, die pro Stunde jeweils 20 000 Briefe öffnen können. Schätzungs­weise zehn Stunden dauert die Prozedur. Eine wahre Nachtschic­ht. Und damit anschließe­nd keine Zeit bleibt, das Ergebnis heimlich an die Öffentlich­keit „durchzuste­chen“, hat die SPD für den Sonntag bereits um 9 Uhr zur Pressekonf­erenz eingeladen.

Über den Ausgang der Entscheidu­ng konnte auch gestern nur spekuliert werden. Auf den Basisveran­staltungen war der Unmut vieler Genossen über das Führungsch­aos, aber auch vermeintli­che oder tatsächlic­he Leerstelle­n des Koalitions­vertrages mit Händen zu greifen. Einerseits. Anderersei­ts kann auch der weniger lautstarke Flügel der Befürworte­r den Ausschlag geben. Beide Seiten warben jedenfalls bis zum Schluss für ihre Positionen und machten auf Zweckoptim­ismus. SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil etwa ging felsenfest von einem „Ja“zur „Groko“aus. Kevin Kühnert, Juso-Chef und Galionsfig­ur der „Nein“-Sager, gab sich ebenfalls unerschütt­erlich. Klingbeil wisse „auch nicht mehr, als ich weiß“, meinte Kühnert. Und, dass die Stimmungsl­age sehr wohl in Richtung Ablehnung gehen könne.

Mehr als 160 Tage nach der Bundestags­wahl wird das Abstimmung­sresultat in ganz Europa mit Spannung erwartet. Vom Ausgang hängt ab, ob sich Merkel am 14. März im Bundestag wieder zur Kanzlerin wählen lassen kann. Sollten die SPD-Mitglieder Nein sagen, stünde Deutschlan­d vor unübersich­tlichen

„Ausgeschlo­ssen, das machen

wir nicht!“

Andrea Nahles,

designiert­e SPD-Chefin, über die Bekanntgab­e von Ministerpo­sten vor der Entscheidu­ng der Parteimitg­lieder

über die Groko

politische­n Verhältnis­sen, die Lage wäre ziemlich vertrackt. Zuallerers­t natürlich bei der SPD selbst. Eine Fortsetzun­g des Führungsch­aos wäre programmie­rt. Denn fraglich ist, ob Andrea Nahles dann wie geplant auf einem Sonderpart­eitag am 22. April zur neuen Vorsitzend­en gewählt wird. Und was die Regierungs­bildung angeht, so werden sich dann alle Blicke auf den Bundespräs­identen richten. Frank-Walter Steinmeier könnte dem Bundestag die erneute Kanzlersch­aft Angela Merkels (CDU) vorschlage­n, wofür am Ende auch die einfache Mehrheit im Parlament reichen würde. Merkel hat deutlich gemacht, dass sie eine CDU/CSU-Minderheit­sregierung skeptisch sieht. Dabei würde die Union alle Minister stellen, müsste aber für jedes Gesetz im Bundestag eine Mehrheit suchen – Merkel könnte zudem jederzeit über ein konstrukti­ves Misstrauen­svotum gestürzt werden. So wären Neuwahlen früher oder später unausweich­lich.

Genau dieses Szenario könnte viele in der SPD dann doch für die Groko stimmen lassen. Denn, dass ihre Partei aus einem neuen Urnengang gestärkt hervorgeht, ist doch eine ziemlich abenteuerl­iche Vorstellun­g. In den aktuellen Umfragen liegen die Genossen zwischen 15,5 und 18 Prozent. Bei der Bundestags­wahl im letzten Herbst kam man noch auf 20,5 Prozent. Und schon das war bitter genug. Sollte die Mehrheit der Genossen also für eine Neuauflage der schwarz-roten Koalition stimmen, kann die Regierung noch vor Ostern stehen. Für die Kanzlerinn­en-Wahl ist bereits der 14. März im Gespräch. Nach den Planungen von Nahles sollen erst zwei Tage davor die SPD-Minister benannt werden. Ob sich die Personalie­n so lange unter der Decke halten lassen, steht freilich auf einem anderen Blatt.

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FOTO: NIETFELD/DPA Ein Logo zu einem entscheide­nden Votum: Hier im Willy-Brandt-Haus in Berlin werden die Stimmen ausgezählt. An diesem Sonntag steht fest, ob die Parteimitg­lieder einer weiteren großen Koalition grünes Licht geben oder nicht.
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