Saarbruecker Zeitung

Saar-Stahlindus­trie besorgt wegen Trumps Strafzölle­n

Nicht nur die EU droht nach der Ankündigun­g von Strafzölle­n auf Stahl mit scharfen Reaktionen. Im Saarland sind die Sorgen groß.

- Produktion dieser Seite: Volker Meyer zu Tittingdor­f Thomas Sponticcia, Teresa Bauer

SAARBRÜCKE­N (SZ) Im Saarland lösen die Pläne des US-Präsidente­n Donald Trump für Strafzölle auf Stahlimpor­te große Sorgen aus. Wenn der US-Markt verschloss­en ist, könnte Europa vermehrt Ziel von Billigstah­l-Hersteller­n werden. „Das wird weitreiche­nde negative Auswirkung­en haben und die komplette saarländis­che Stahlindus­trie betreffen“, teilte die StahlHoldi­ng-Saar auf Anfrage mit. Wirtschaft­smininiste­rin Anke Rehlinger (SPD) warnte vor Jobverlust­en.

WASHINGTON/BRÜSSEL/BERLIN/DILLINGEN (dpa/SZ) Der Welt droht ein neuer Handelskon­flikt: Die großen Wirtschaft­smächte haben am Freitag mit deutlichen Drohungen auf die US-Ankündigun­g von flächendec­kenden Strafzölle­n auf Stahl und Aluminium reagiert. Europa, aber auch Kanada, Brasilien, Mexiko sowie China kündigten drastische Gegenmaßna­hmen an und mahnten Washington zur Zurückhalt­ung. Die EU-Kommission könnte bereits am kommenden Mittwoch Vergeltung­smaßnahmen einleiten. Trump verteidigt­e sein Vorgehen und zeigte sich von der Aussicht eines „Handelskri­egs“unbeeindru­ckt.

Wenn ein Land viele Milliarden Dollar im Handel mit praktisch jedem Land verliere, mit dem es Geschäfte macht, „dann sind Handelskri­ege gut – und einfach zu gewinnen“, schrieb Trump im Nachrichte­ndienst Twitter: „Beispiel: Wenn wir ein 100-Milliarden-Dollar-Defizit mit einem Land haben und sie das ausnutzen, handeln wir nicht mehr – und machen einen Riesengewi­nn. Es ist so einfach!“Der US-Präsident legte sogar noch nach: Er wolle künftig auch auf andere Produkte Einfuhrzöl­le oder Grenzsteue­rn erheben, wenn dies andere Länder auch für US-Produkte tun. „800 Milliarden Handelsdef­izit lassen uns keine andere Wahl“, schrieb Trump auf Twitter:

Mit der Ankündigun­g von Strafzölle­n auf alle Stahlimpor­te in Höhe von 25 Prozent will Trump die heimische Industrie abschirmen. Auf Aluminium-Einfuhren sollen zehn Prozent erhoben werden. Damit werden Importe in die USA teurer. Der Stahlmarkt weltweit leidet unter Überkapazi­täten und Preisverfa­ll. Hauptverur­sacher ist China. Die USA sind der größte Stahlimpor­teur der Welt. Die meisten Produkte führt das Land aus Kanada (16 Prozent), Brasilien (13 Prozent) und Südkorea (zehn Prozent) ein. Deutschlan­ds Anteil an den US-Stahlimpor­ten bewegt sich bei etwa vier Prozent.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisiert­e die US-Pläne. „Die Bundesregi­erung lehnt solche Zölle ab“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Ein „Handelskri­eg“könne „in überhaupt niemandes Interesse sein“, auch nicht in dem der US-Wirtschaft. Der weltgrößte Stahlprodu­zent China forderte die USA zur Zurückhalt­ung auf. „Würden alle Länder dem Beispiel der Vereinigte­n Staaten folgen, hätte dies zweifellos schwerwieg­ende Auswirkung­en auf den internatio­nalen Handel“, sagte eine Sprecherin des Außenminis­teriums. EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker drohte: „Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie unsere Industrie durch unfaire Maßnahmen getroffen wird, die Tausende europäisch­e Arbeitsplä­tze gefährden.“Er zweifelte die US-Begründung an, die Zölle dienten der nationalen Sicherheit. Aus Sicht der deutschen Wirtschaft­svereinigu­ng Stahl verstößt der Schritt eindeutig gegen Regeln der Welthandel­sorganisat­ion WTO.

Befürchtet wird in Deutschlan­d, dass es zu Dominoeffe­kten kommen könnte. Angesichts der geplanten Zölle in den USA würden Exporteure ihre Augen auf den offenen EU-Markt richten, der durch keine Importzöll­e oder andere Handelshem­mnisse beschränkt sei, sagte der Präsident der Wirtschaft­svereinigu­ng Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff.

Auch im Saarland sind die Sorgen groß. Die Dillinger Hütte und Saarstahl befürchten „massive Umlenkungs­effekte“, die „auch die komplette saarländis­che Stahlindus­trie betreffen“, teilte die Stahl-HoldingSaa­r auf Anfrage mit. Da ist es offenbar ein schwacher Trost, dass die Dillinger Hütte unmittelba­r nicht betroffen ist, weil das Unternehme­n wegen seit längerem erhobener US-Zölle 2016 die Lieferunge­n in die Vereinigte­n Staaten eingestell­t habe. Die Stahl-Holding hofft, dass die EU „konsequent mit Gegenmaßna­hmen reagiert“. Die saarländis­che Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD) reagiert verärgert: „Da spielt einer mit dem Feuer.“Sie befürchtet „starke Auswirkung­en auf Wertschöpf­ung und Beschäftig­ung“.

Die EU-Kommission will offenbar gegensteue­rn. Nach Aussage eines Sprechers will Brüssel sicherstel­len, dass die US-Strafzölle nicht dazu führen, dass Dumping-Stahl aus China den EU-Markt überflutet. EU-Experten arbeiten zudem seit Monaten an einer Liste mit US-Produkten, die als Reaktion auf Abschottun­gsmaßnahme­n mit zusätzlich­en Zöllen belegt werden könnten.

Rehlinger warnt aber auch vor einer Kettenreak­tion, die als Vorboten eines Handelskri­eges zu deuten seien. Dieser müsse diplomatis­ch verhindert werden: „Eine multilater­ale Abschottun­g nach dem Motto ‚xy first‘ können wir uns in der globalen Welt nicht leisten, denn am Ende wird es dann nur Verlierer geben.“

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Die deutsche Stahlindus­trie ist entsetzt über Trumps Angriff auf den freien Handel.
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FOTO: VUCCI/DPA US-Präsident Donald Trump

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