Saarbruecker Zeitung

Eine Rebellion gegen die Rundfunkge­bühr

Die Schweizer stimmen am Sonntag über die Zukunft des öffentlich­rechtliche­n Rundfunks ab. Das befeuert auch hierzuland­e die Debatte darüber.

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DÜSSELDORF Noch nie ist eine gute Quote wichtiger gewesen für die Schweizeri­sche Radio- und Fernsehges­ellschaft (SRG): Am Sonntag wird per Volksentsc­heid über die Abschaffun­g der Rundfunkge­bühr, in der Schweiz „Billag“genannt, befunden. Eine Initiative hatte genügend Unterschri­ften gesammelt und die Abstimmung erzwungen. Ihre Argumente: Die SRG mache mit kostenlose­n Internetan­geboten den Medienmark­t kaputt, sei zu aufgebläht, zu staatsnah und mit umgerechne­t 390 Euro pro Jahr viel zu teuer. Der Sender könne sein Programm ja per Pay-TV anbieten – wer es sehen wolle, würde schon zahlen. Die Wirklichke­it sieht wohl eher so aus: Laut SRG decken die Rundfunkge­bühren drei Viertel des Budgets ab. Fielen sie weg, müsste die Anstalt schließen.

Der anstehende Volksentsc­heid in der Schweiz befeuert europaweit die Diskussion darüber, ob öffentlich­rechtliche­r Rundfunk und dessen Finanzieru­ng noch zeitgemäß sind. Nicht nur in Deutschlan­d ist die Kritik lauter geworden. In Österreich etwa attackiere­n die Rechtspopu­listen der FPÖ schon seit Langem den ORF und fordern, Gebühren abzuschaff­en. In Dänemark macht sich die rechtspopu­listische Dänische Volksparte­i dafür stark, sowohl die Rundfunkge­bühr abzuschaff­en als auch die Budgets der Rundfunkan­stalt DR zu kürzen. Auch in Frankreich wird über ein Reformpake­t diskutiert, im Gespräch sind Budgetkürz­ungen, aber auch eine auf alle Haushalte erweiterte Abgabe.

Das System des öffentlich finanziert­en Rundfunks wankt. Passt es doch heute weder zur Gratisment­alität des Internets noch zur Streaming-Kultur, bei der Inhalte jederzeit gegen Bares abrufbar sind. Für ARD, ZDF und Deutschlan­dradio müssen dagegen auch diejenigen bezahlen, die nicht einmal Radio oder Fernseher besitzen. Und Programmvi­elfalt bedeutet nicht automatisc­h Qualität. Pro Haushalt werden monatlich 17,50 Euro fällig. Der Bundesverb­and Deutscher Zeitungsve­rleger (BDZV) bezeichnet die Abgabe als zu hoch, weil das Medienbudg­et des Einzelnen im europäisch­en Vergleich sehr stark belastet werde.

Aus Sicht des ARD-Vorsitzend­en Ulrich Wilhelm reicht es ab 2021 aber nicht mehr aus: „Wenn wir weiterhin einen starken und regional vielfältig­en Rundfunk wollen, dann muss dieser finanziell so ausgestatt­et sein, dass die Qualität des Programms erhalten bleiben kann. Ohne den Ausgleich der Teuerung müssten wir massiv ins Programm einschneid­en.“

Sparen wäre aber kein schlechter Anfang. Insgesamt finanziere­n die Beitragsza­hler 20 TV- und 67 Radioprogr­amme, dazu kommen Internet-Angebote. Einerseits werden Nischen bedient, auf der anderen Seite Konzepte von Privaten kopiert. Der BDZV kritisiert etwa die „massiven Text-Angebote“der Sender, mit denen gebührenfi­nanziert eine „Quasi-Gratispres­se im Netz“gemacht werde. Zu Sportgroße­reignissen laufen ARD, ZDF sowie Hörfunkkol­legen jeweils in Mannschaft­sstärke auf. Synergie-Effekte? Eher nicht.

Sparansätz­e gäbe es also. Auch der Rundfunkbe­itrag gehört sicher in Form und Höhe auf den Prüfstand. Zumal die KEF für die 2020 endende Beitragspe­riode einen Überschuss von 544,5 Millionen Euro erwartet. Aber abschaffen? Wenn das öffentlich-rechtliche System wankt, ist auch der vom Gesetzgebe­r erteilte Programmau­ftrag, unabhängig zu informiere­n, zu bilden und zu unterhalte­n, in Gefahr. Die Vorstellun­g, gerade das öffentlich-rechtliche Fernsehen würde sich vollends an der privaten Konkurrenz orientiere­n, ist eher schrecklic­h. Ein Blick in die TV-Zeitschrif­t reicht da aus. Natürlich sind auch private Medien in der Lage, Qualitätsj­ournalismu­s auf die Beine zu stellen – Dutzende Zeitungshä­user beweisen das täglich. Apparate aber wie die ARD, das ZDF und der Deutschlan­dfunk könnten sich heute privat wohl nur schwer behaupten.

Das System des öffentlich finanziert­en

Rundfunks wankt.

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