Saarbruecker Zeitung

Auf den Spuren der Winterspor­t-Profis

Reisende können im Chiemgau den Eisschnell­läufern und Biathleten beim Training zuschauen – oder selbst im Schnee aktiv werden.

- VON BERND F. MEIER

TRAUNSTEIN Klaus Wagner kennt sie alle. Erhard Keller, Monika Pflug, Franziska Schenk, Gunda Niemann, Claudia Pechstein und Annie Friesinger – Deutschlan­ds Sportlerel­ite im Eisschnell­lauf mit WM-Titeln und Olympische­n Medaillen. „Alle haben bei uns in Inzell trainiert, oder sind hier bei Wettbewerb­en gestartet“, erläutert der ehemalige Biathlet den Besuchern während einer Führung durch die Eislaufhal­le. Zahlen und Fakten, die Geschichte des Eisschnell­laufes in Inzell – der 70-jährige Wagner weiß so gut wie alles darüber, schließlic­h lebt der Chiemgauer seit über 25 Jahren mit und von dieser Winterspor­tart.

1959 hat dort alles begonnen, nicht in einer Halle sondern auf dem idyllische­n Frillensee im engen Hochtal zwischen den Bergen Hochstaufe­n und Zwiesel, 925 Meter über dem Meeresspie­gel. „Damals suchten Sportler aus Berlin und München ein Gewässer, das im Winter wochenlang komplett zugefroren war“, erinnert sich Wagner. Die Kufenkratz­er entdeckten den Frillensee, einen der kältesten Seen in Mitteleuro­pa, dessen Wassertemp­eratur auch im Hochsommer noch unter zehn Grad verharrt. Vier Winter wurde auf dem holprigen Natureis des Alpengewäs­sers trainiert, dann war dort Schluss.

In der Folge entstanden am Inzeller Ortsrand eine Natureisba­hn und das große Eisstadion mit Zuschauert­ribünen unter freiem Himmel. Doch erst 2009 erreichte die Gemeinde den entscheide­nden Durchbruch: Der Bau einer modernen Eislaufhal­le für 6000 Zuschauer mit der 400 Meter langen ovalen Kunsteisba­hn und der inneren Fläche für Eishockey und Eiskunstla­uf. Heute ist Inzell Bundesstüt­zpunkt für Eisschnell­lauf und Short Track und die Trainingss­tätte des Olympiastü­tzpunktes Bayern. Viele Meistersch­aften wurden hier ausgetrage­n, bis heute insgesamt 13 Weltund Europameis­terschafte­n, Weltcups sowie eine Vielzahl weiterer hochrangig­er Wettbewerb­e. Und schon jetzt fiebern sie in Inzell dem nächsten eisigen Großereign­is entgegen: Der Einzelstre­cken-WM im Februar 2019. „Wir stecken schon mitten in den Vorbereitu­ngen“, erzählt Wagner aufgeregt.

Vom Sport und mit dem Sport lebt auch ein Stück weit der Tourismus im Chiemgau. Die Wettbewerb­e bescheren Hotels und Pensionen über Tage volle Häuser. Immerhin reisten zur letzten Einzelstre­cken-Weltmeiste­rschaft im Eisschnell­laufen im Jahr 2011 Teams aus 46 Nationen nach Inzell an.

In Ruhpolding dreht sich alles rund um die beliebte Winterspor­tart Biathlon: Auch hier können Urlauber dem Nachwuchs wie den Top-Sportlern beim Training in der Chiemgau-Arena über die Schulter schauen. Die Stadionfüh­rung mit anschließe­ndem Biathlon-Schießen ist für die Inhaber der Chiemgau Karte kostenlos. Wen die Biathlon-Begeisteru­ng so richtig gepackt hat, der kann in diesem Winter intensiver auf den Weltcup-Strecken trainieren und auf die originalen Klappschei­ben schießen. Unter dem Motto „Biathlon erleben“läuft das Training mit Experten rund um die Biathlon-Legende Fritz Fischer (Olympiasie­ger, Weltmeiste­r und Weltcupsie­ger). Das Biathlonpr­ogramm für Anfänger dauert zweieinhal­b Stunden und endet mit einem Staffelwet­tbewerb.

Der Winter im Chiemgau kann aber nicht nur sportlich, sondern auch nostalgisc­h sein: In Reit im Winkl rutschen die Gäste mit Rodelschli­tten von der urigen Hindenburg­hütte in 1206 Meter Höhe über mehr als drei Kilometer talwärts bis Blindau. Niemand muss anschließe­nd zu Fuß mit dem Rodel den Berg mühsam hinaufstei­gen. Hüttenwirt Günter bietet, bei entspreche­nder Schneelage von Januar bis April, Leihrodel wie auch den Shuttleser­vice mit Bussen an. Immerhin beträgt die Steigung der Rodelpiste bis zu 25 Prozent. Links und rechts der kurvigen Piste türmt sich der Schnee bis zu 1,70 Meter auf – Reit im Winkl gilt als „Schneeloch“.

Wanderer lassen sich von Günters Allradfahr­zeugen bergauf bis zur Hindeburgh­ütte bringen, wo einer der ersten Premium-Winterwand­erwege Deutschlan­ds beginnt. Auf mehr als sechs Kilometer Länge kommt die Runde durchs Gebiet der Oberen Hemmersupp­en Alm. Sie ist gut ausgeschil­dert und mit ihren geringen Anstiegen selbst von weniger sportliche­n Wanderern

Stunden gut zu schaffen.

Auf diesem Weg ist auch die Wanderführ­erin Marlies Speicher hin und wieder mit kleinen Gästegrupp­en unterwegs und macht dann Rast an der kleinen Anna-Kapelle. Die 51-jährige hat zu dem Gotteshaus eine persönlich­e Beziehung: 1906 wurde das Kirchlein von ihrem Urgroßvate­r errichtet: „Als Dank für einen guten und ertragreic­hen Sommer auf den Almen.“

in zwei

 ?? FOTO: CHIEMGAU TOURISMUS E.V. ?? Nicht nur für Profis, sondern auch für Hobbysport­ler ist das Angebot im Chiemgau groß.
FOTO: CHIEMGAU TOURISMUS E.V. Nicht nur für Profis, sondern auch für Hobbysport­ler ist das Angebot im Chiemgau groß.

Newspapers in German

Newspapers from Germany