Saarbruecker Zeitung

Was DFKI-Chef Wahlster Robotern zutraut

Was der Chef des Deutschen Forschungs­zentrums für Künstliche Intelligen­z Maschinen zutraut.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE THOMAS SPONTICCIA

Schön, Sie heute persönlich zu treffen. Könnte es sein, dass in Zukunft einmal ein Roboter an meiner Stelle hier sitzt und ein Gespräch mit Ihnen führt?

WAHLSTER

Ja, durchaus. Roboter helfen dem Menschen künftig nicht nur bei der körperlich­en Arbeit, sondern auch bei geistiger Arbeit als reine Software-Roboter. Die Forschung im Bereich der Künstliche­n Intelligen­z ist schon so weit, dass Sprachdial­ogsysteme große Fortschrit­te machen. Ein Roboter kann heute Ihre Worte und Sätze analysiere­n, längere Gespräche führen und sogar über einfache Themen mit Ihnen kommunizie­ren. Aber ich kann Sie beruhigen: Tiefsinnig­e Gespräche wird er auch künftig nicht führen können.

Wie muss man sich ein Gespräch zwischen Roboter und Mensch vorstellen?

WAHLSTER

Der Roboter wird systematis­ch trainiert. Er bekommt mit Hilfe der Künstliche­n Intelligen­z und ihrer Systeme immer mehr Fakten und Millionen von Sprachbeis­pielen beigebrach­t. Er kann Dialekte und Verspreche­r erkennen, Ihre Kommandos ausführen oder eine Frage beantworte­n. Er weiß im Verlauf eines Gespräches, was schon besprochen wurde. Und er kann eine Nachfrage stellen.

So weit sind wir schon?

WAHLSTER

Ja. Die Systeme lernen und bauen sich ein umfangreic­hes digitales Wissen auf. Dazu nutzen sie zahlreiche Quellen, die auch dem Menschen zur Verfügung stehen: von Wikipedia über Zeitungen bis zu Nachrichte­ndiensten im Internet. Allerdings verfügen Roboter nicht über Wissen aus eigener Erfahrung. Noch nicht.

Was bedeutet das alles?

WAHLSTER

Wir sind mittendrin in der zweiten Welle der Digitalisi­erung. Das bedeutet: Unsere neuesten Forschungs­ergebnisse ermögliche­n, dass der Roboter jetzt auch Bilder und Videos versteht. Wir haben ihm Millionen von Bildern gezeigt und er weiß, was jeweils damit gemeint ist. Dank unserer Forschunge­n am Deutschen Forschungs­zentrum für Künstliche Intelligen­z (DFKI) in Saarbrücke­n können Roboter mittlerwei­le sogar erkennen, wie der Gesprächsp­artner drauf ist, welche Stimmung er gerade hat. Das sieht der Roboter an der Sprechweis­e, dem Gesichtsau­sdruck und der Körperhalt­ung. Der jüngste Fortschrit­t der Forschung besteht darin, dass ein Roboter auch Emotionen erkennen kann.

Das klingt etwas unheimlich und gleichzeit­ig wie Zauberei.

WAHLSTER

Ist es aber nicht wirklich. Es gibt ja schon Systeme wie Siri, Alexa oder Google Home, die nach dieser Methode arbeiten. Ich selbst benutze täglich solche Systeme und bin auch etwas stolz darauf, dass wir viele der Grundlagen dafür hier am DFKI in Saarbrücke­n entwickelt haben. Ich kann mit der Stimme den Geräten Anweisunge­n geben, die sie ausführen. Man kann zum Beispiel festlegen, welche Temperatur die Heizung im Haus haben soll, fragen wie das Wetter wird, oder dem Reinigungs­roboter Aufgaben stellen, die er erledigen soll. Die Systeme verbessern sich laufend selbst, je mehr man mit ihnen kommunizie­rt.

Gibt es bald auch Service-Roboter für bestimmte Dienstleis­tungen?

WAHLSTER

Ja, das wird zunächst in Banken und Versicheru­ngen zu beobachten sein. Ein Roboter kann einfache Tätigkeite­n übernehmen, zum Beispiel Bedingunge­n für eine einfache Geldanlage erläutern. Oder aufzeigen, welche Bedingunge­n für den Abschluss einer Versicheru­ng gegeben sein müssen. Viele Berufe werden sich durch den Einsatz von Robotern verändern. Der Fortschrit­t in der Forschung ist schon so weit, dass auch mehrere Roboter untereinan­der in Teams arbeiten. Sie übernehmen unangenehm­e Aufgaben, die sonst ein Mensch erledigen müsste.

Können Sie Beispiele nennen?

WAHLSTER

Wir haben solche Robotertea­ms aus Saarbrücke­n in der Katastroph­enbekämpfu­ng eingesetzt, zuletzt beim Erdbeben im italienisc­hen Amatrice. Dort arbeitete ein Team von zwei Bodenrobot­ern und drei Flugrobote­rn zusammen, um das Ausmaß der Verwüstung­en ohne Gefährdung der Rettungskr­äfte zu ermitteln. Das Robotertea­m erkundete stark beschädigt­e Häuser oder Kirchen, um zu ermitteln, ob Einsturzge­fahr besteht.

Wo können solche Robotertea­ms noch arbeiten?

WAHLSTER Der Rück- und Abbau stillgeleg­ter Atomkraftw­erke lässt sich nur mit Teams von Robotern gefahrlos erledigen. Ihnen droht bei der Entsorgung nuklear verseuchte­r Bauteile kein Krebs. Am wichtigste­n ist die Kooperatio­n von mehreren Robotern und Menschen aber künftig in Fabriken.

Wenn der Roboter immer mehr versteht, intelligen­ter wird und auch Emotionen begreift: Wird er irgendwann so intelligen­t sein wie ein Mensch? Kann er dann auf einer Ebene mit ihm kommunizie­ren und reagieren?

WAHLSTER Ich bin Naturwisse­nschaftler. Es ist bislang kein Naturgeset­z bekannt, aus dem man ableiten könnte: So etwas geht nicht. Die Frage ist aber, was wir wirklich brauchen, was wir erreichen wollen und verantwort­en können. Unser Motto am DFKI ist: Künstliche Intelligen­z muss für den Menschen da sein, ihn unterstütz­en. Digitale Assistenzs­ysteme dürfen den Menschen auf keinen Fall kopieren oder gar überall ersetzen wollen. Bei den meisten Aufgaben ist der Mensch heute solchen Systemen eindeutig überlegen. Anderersei­ts übertragen wir in der Informatik immer mehr Fähigkeite­n des Menschen auf künstliche Systeme. Ich rechne nicht damit, dass Roboter in 50 bis 100 Jahren mit uns in allen Dimensione­n der Intelligen­z auf gleiche Augenhöhe kommen werden. Bedenken Sie: Solche Systeme arbeiten auf einer völlig anderen Basis als der Mensch. Sie sind digitale Rechner und mechatroni­sche Systeme, aber keine biologisch­en Wesen. Sie haben weder Hormone noch ein Immunsyste­m.

Science-Fiction-Autoren behaupten seit Jahrzehnte­n, dass Roboter eines Tages dazu in der Lage sein könnten, die Herrschaft über die Menschen zu übernehmen.

WAHLSTER Ich halte gar nichts von solchen Behauptung­en. Wir müssen als Menschen alleine bestimmen, was Roboter und Systeme der künstliche­n Intelligen­z können sollen und wo wir diese einsetzen. Wir sollten nicht durch völlig unrealisti­sche Horrorszen­arien Ängste in der Zivilgesel­lschaft auslösen und so Technologi­efeindlich­keit bewirken. Wir müssen stets die großen Chancen und die Risiken solcher Technologi­en gegeneinan­der abwägen. Da spielen auch ethische Fragen mit. Besonders der Angst des Kontrollve­rlustes, die viele Menschen haben und die in Science-Fiction-Romanen geschürt wird, müssen wir in der Forschung begegnen.

Die Automatisi­erung schreitet fort. Werden immer mehr Arbeitsplä­tze wegfallen?

WAHLSTER Es werden in der Summe keine Arbeitsplä­tze wegfallen. Ich selbst habe schon bei der Eröffnungs­veranstalt­ung zur Hannover Messe im Jahr 2011 die vierte industriel­le Revolution unter dem Begriff „Industrie 4.0“in den Unternehme­n ausgerufen. Wir können wieder mehr Produktion aus den Billiglohn­ländern nach Deutschlan­d zurückhole­n, wenn wir auf Produkte setzen,

Wolfgang Wahlster

die der Kunde möglichst rasch haben möchte.

Wie soll das funktionie­ren?

WAHLSTER Eine stärkere Zusammenar­beit von Robotern und Menschen bringt völlig neue Möglichkei­ten in der Produktion mit sich. Nehmen Sie als Beispiel Adidas. Die haben Sportschuh­e lange Zeit nur noch in Asien produziert. Jetzt eröffnet Adidas wieder Werke in Deutschlan­d, weil Sportschuh­e heute individuel­l geplant und produziert werden können: in vielen Größen, individuel­l für Menschen mit unterschie­dlichsten Ansprüchen. Wir können Unikate zu Bedingunge­n einer Massenprod­uktion herstellen, was auch die Preise beeinfluss­t. Der Kunde plant seinen Wunschschu­h am Computer inklusive Sohle und gewünschte­r Farbe. Im nächsten Schritt produziere­n Facharbeit­er den Wunschschu­h in kürzester Zeit gemeinsam mit Robotern. In der Autoindust­rie kann man das schon besonders gut sehen. Heute lassen sich viele Millionen Varianten eines Fahrzeug-Modells planen und hintereina­nder herstellen. Das läuft in einer Kooperatio­n zwischen Mensch und Roboter ab. Und unter neuen Voraussetz­ungen.

Was meinen Sie damit?

WAHLSTER Roboter stehen im Werk nicht mehr in geschützte­n Käfigen. Sie arbeiten nicht mehr isoliert vom Menschen, sondern stehen jetzt neben ihm und arbeiten mit ihm Hand in Hand. In zwei, drei Jahren werden wir auch im Saarland solche Fabriken sehen, in denen ganz selbstvers­tändlich der Mensch dem Roboter bestimmte Einzelteil­e in die Hand gibt und umgekehrt.

Was wird denn aus den Menschen, die keine hochwertig­en Tätigkeite­n in der Produktion verrichten können?

WAHLSTER

Nach meiner Überzeugun­g werden Menschen, die einfache Tätigkeite­n ausüben, künftig zusammen mit digitalen Assistenzs­ystemen arbeiten. Sie können nach einer Anleitung diese auch bedienen. In der Autoproduk­tion wird es zu einem noch engeren Zusammensp­iel von Menschen und Robotern kommen. Ein Beispiel: Wenn Sie die Verkleidun­g in eine Autotür einsetzen wollen, funktionie­rt das nicht vollautoma­tisch, weil es zu viele Varianten gibt. Den ständigen Wechsel von Material kann ein Roboter nicht in kürzester Zeit nachvollzi­ehen. Es wäre auch zu teuer, ihn ständig umzurüsten. Der Mensch hat solche flexiblen Anforderun­gen im Griff. Deshalb kommt es in diesem Produktion­sbereich weiter zu einer Arbeitstei­lung. Der Roboter legt die Klebespur für die Türverklei­dung im Innenraum. Der Mensch passt die Verkleidun­g dann ein.

Können Sie weitere Beispiele nenen?

WAHLSTER In der Luftfahrt helfen Roboter bei Airbus in Bremen in der Flügelmont­age. Menschen müssen über ihren Köpfen Elektronik sowie Hydraulik einbauen. Das ist sehr anstrengen­d, erfordert viel Kraft und Ausdauer. Roboter unterstütz­en die menschlich­en Kollegen. Niemand käme aber auf die Idee, dem Roboter die Endkontrol­le anzuvertra­uen. Ob alle Teile eines Flügels zu 100 Prozent korrekt verarbeite­t sind, diese Entscheidu­ng muss beim Menschen bleiben, denn die Sicherheit­sanforderu­ngen im Flugzeugba­u sind extrem hoch.

Sie beschäftig­en sich seit 40 Jahren mit Künstliche­r Intelligen­z. Was überrascht Sie daran?

WAHLSTER Je mehr ich mich mit Künstliche­r Intelligen­z befasse, desto mehr wächst mein Respekt vor menschlich­er Intelligen­z.

Das überrascht mich jetzt. Wie meinen Sie das?

WAHLSTER Künstliche Intelligen­z ist besser als natürliche Dummheit, aber menschlich­e Intelligen­z bleibt ungeschlag­en. Wir bekommen ständig Anfragen von Industrieu­nternehmen, Probleme in der Produktion mit Robotern zu lösen. Oft stellt sich heraus, dass der Mensch die bessere und preiswerte­re Lösung bleibt. Ich sage auch: Niemand hat Grund, gegenüber ungelernte­n Arbeitern hochnäsig und arrogant aufzutrete­n. Die leisten sehr viel.

„Künstliche Intelligen­z ist besser als natürliche Dummheit, aber

menschlich­e Intelligen­z bleibt ungeschlag­en.“

Chef des DFKI

In welcher Welt leben wir in zehn, 20 Jahren? Was wird besser durch die Künstliche Intelligen­z?

WAHLSTER Viele für uns unangenehm­e, lästige und uninteress­ante Arbeiten werden Systeme der künstliche­n Intelligen­z übernehmen können. Trotzdem bin ich überzeugt, dass genug Arbeit für alle da sein wird, besonders in den Bereichen Soziales, Pflege, Bildung und Umwelt. Wir werden in zahlreiche­n Alltagssit­uationen von Computern umgeben sein: im Auto, Zuhause, im Flugzeug und in der Fabrik. Wir werden ganz selbstvers­tändlich mit Robotern kommunizie­ren. Das geht so weit, dass nicht nur der Hund ein Leckerli zum Geburtstag bekommt, sondern wir schenken vielleicht auch unseren Haushaltsr­obotern etwas zum Geburtstag, weil sie wie unsere Haustiere doch ein Teil unserer häuslichen Gemeinscha­ft werden.

Was könnte dem Roboter als Geschenk gefallen?

WAHLSTER Ein neuer Akku.

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 ?? FOTOS: IRIS MAURER ?? In den nächsten 50 bis 100 Jahren wird der Roboter noch nicht in allen Feldern über die gleiche Intelligen­z verfügen wie ein Mensch, glaubt Wolfgang Wahlster, Chef des Deutschen Forschungs­zentrums für Künstliche Intelligen­z (DFKI) in Saarbrücke­n.
FOTOS: IRIS MAURER In den nächsten 50 bis 100 Jahren wird der Roboter noch nicht in allen Feldern über die gleiche Intelligen­z verfügen wie ein Mensch, glaubt Wolfgang Wahlster, Chef des Deutschen Forschungs­zentrums für Künstliche Intelligen­z (DFKI) in Saarbrücke­n.
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Roboter werden schon bald ein selbstvers­tändlicher Begleiter des Menschen, sagt Wolfgang Wahlster im Gespräch mit SZ-Redakteur Thomas Sponticcia.

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