Saarbruecker Zeitung

Die Mitglieder retten die Ehre der SPD

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Belächelt, beschimpft, bemitleide­t hat man die SPD. Welch ein Drama aber auch, welch ein Ringen. Das war der Eindruck. Zur Ehrenrettu­ng der Sozialdemo­kraten muss man sich aber mal fragen, was wohl in der CDU los wäre, wenn diese Wahl um Wahl verloren hätte. Eigentlich hat sich die SPD gut aus der Affäre gezogen, die die 20,5 Prozent-Klatsche vom 24. September 2017 für sie bedeutet hat. Sie hat eine sehr sachliche, ja sogar regelrecht beispielha­fte Diskussion über eine Grundsatzf­rage geführt: Wo beginnt und endet Verantwort­ung für das Ganze? Wo beginnt und endet demgegenüb­er das Interesse einer Partei? Die SPD hat das sehr demokratis­ch entschiede­n, sehr transparen­t und ohne große innere Verletzung­en zu hinterlass­en. Gut gemacht? Nun ja, Martin Schulz, der gewesene Vorsitzend­e nicht, der in der Schlusspha­se das Flattern gekriegt und persönlich­e Interessen mit denen seiner Partei vermischt hat. Sigmar Gabriel ist sogar persönlich verletzend geworden.

Und richtig gut war wohl auch die Funktionär­sschicht nicht, die noch vor sechs Wochen beim Parteitag in Bonn beinahe sogar die Fortsetzun­g von Verhandlun­gen mit der Union torpediert hätte. Sie muss sich fragen lassen, warum sie in diesem Ausmaß Erdung verloren hat. Vor allem die Sprecher der Parteilink­en. Erst eine offenbar noch mit beiden Beinen im Leben stehende Basis hat wieder für Klarheit gesorgt: Natürlich wäre ein Nein der Anfang vom Ende der SPD gewesen. Es hätte den Rücktritt der gesamten Führung der Partei, Neuwahlen und ein regelrecht­es Desaster bedeutet, von dem sich die Partei sehr lange nicht mehr erholt hätte. Jetzt bekommt sie wenigstens die Chance, anders weiterzuma­chen.

Zu einer verantwort­ungsbewuss­ten Partei gehört es, Kompromiss­e zu machen. Jeder Kompromiss aber ist ein Verrat an den Idealen. Das macht Realpoliti­k so schwer für Idealisten. Linke und AfD haben dieses Problem nicht, sie vertreten einfach Maximalpos­itionen oder wollen gar nicht regieren. Eine Volksparte­i aber kann so nicht handeln, dann hat sie als Volksparte­i keine Zukunft. Und es wird ihr auch nichts nützen, wenn sie versucht, unangenehm­en Entscheidu­ngen auszuweich­en. Die Erfolglosi­gkeit der SPD liegt nicht an Personen, es gibt keine Wunderführ­er. Nicht einmal Macron ist das in Frankreich noch, seit er mit den Reformen ernst macht. Und Martin Schulz dilettiert­e erst so richtig nach der verlorenen Bundestags­wahl.

Der Grund für die Misserfolg­e liegt auch nicht am Programm und schon gar nicht an Programmen, die wie die Agenda 2010 nun wirklich schon 15 Jahre alt sind. Die Ursache liegt in erster Linie an der mangelnden Fähigkeit der Partei, zu ihren Kompromiss­en zu stehen und sie den eigenen Wählern und Anhängern zu vermitteln. Sie liegt an mangelndem Selbstvert­rauen. Erst wenn die Sozialdemo­kraten begreifen, dass sie keinen Grund haben, für ihre Politik in Sack und Asche zu gehen, wenn sie wieder selbstbewu­sster auftreten, werden sie auch wieder gewinnen. Die Art der Entscheidu­ngsfindung über die Groko war dafür ein guter Anfang.

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