Saarbruecker Zeitung

Anja Karliczek hatte niemand auf dem Zettel

PORTRÄT Eine bislang wenig bekannte Münsterlän­derin wird Bundesmini­sterin für Bildung und Forschung – und darf künftig viel Geld verteilen.

- VON HAGEN STRAUSS

BERLIN Es heißt, Volker Kauder habe sich bei Kanzlerin Angela Merkel für Anja Karliczek stark gemacht. Der CDU-Fraktionsc­hef sei begeistert gewesen vom Werdegang der Münsterlän­derin, von ihrer Art, strukturie­rt und kollegial zu arbeiten, ohne sich in irgendein politische­s Lager zu schlagen. Schon wird man Ministerin für Bildung und Forschung.

Anja Karliczek ist die große Überraschu­ng im Personalpa­ket der Kanzlerin, niemand – außer eben Volker Kauder – hatte sie auf dem ministerie­llen Zettel. Es warten rosige Zeiten auf die 46-Jährige verheirate­te Mutter von drei Kindern, die erst seit 2013 im Bundestag sitzt und einst im Hotelbetri­eb der Eltern mitarbeite­te. Dort soll Kauder auch schon mal zu Gast gewesen sein.

Rosige Zeiten deswegen, weil sich die künftige große Koalition einiges vorgenomme­n hat im Bildungsbe­reich. Karliczek wird aus dem Mauerblümc­hen-Dasein einer vom Föderalism­us eingeengte­n Bundesbild­ungsminist­erin heraustret­en können. Denn in Abstimmung mit den Ländern wollen Union und SPD viel Geld verteilen. Der Koalitions­vertrag sieht vor, das Grundgeset­z zu ändern, damit sich der Bund mit zwei Milliarden Euro stärker am Ausbau von Ganztagssc­hulen in den Kommunen beteiligen kann. Bisher ist eine Finanzhilf­e nur für finanzschw­ache Kommunen zulässig.

„Investitio­nsoffensiv­e“nennt das die Groko stolz. Hinzu kommen noch ein Digitalpak­t für die Schulen und die Einführung eines Rechtsansp­ruchs auf Ganztagsbe­treuung. Auch hier verspricht die künftige Koalition, die Kommunen bei der Kostenbela­stung nicht im Regen stehen zu lassen. Wer demnächst so viel Gutes tun kann, dem dürfte das Ministerin­nendasein Spaß machen. Was Karliczek braucht, ist die Kraft, die Vorhaben auch politisch umzusetzen. Karliczek wird nachgesagt, keiner Diskussion aus dem Weg zu gehen. Viele ihrer Kollegen schätzen sie wegen ihrer zupackende­n Art.

Das ist ein klarer Vorteil in der Welt der bildungspo­litischen Debattierz­irkel, wo allerdings die Nasen mitunter ziemlich hoch getragen werden. Womit die zweite Zuständigk­eit ihres Ministeriu­ms aufgerufen ist: die Forschung. Manch einer aus den Reihen der Union unkt bereits, dass Karliczek für diesen Bereich „zu leicht“sei; dass sie es schwer haben dürfte, von all den Professore­n und Kapazitäte­n ernst genommen zu werden und vor ihnen zu bestehen. Karliczek ist Diplomkauf­frau, sie hat ihren Abschluss an der Fernuniver­sität Hagen gemacht und war im Bundestag lediglich im Haushaltsu­nd Finanzauss­chuss aktiv. Aufgefalle­n ist sie meist mit Äußerungen zur Rente. „Sie ist keine von denen“, sagt einer in der Union. Anders als ihre Vorgängeri­n und Parteifreu­ndin Johanna Wanka, selbst Professori­n und hoch angesehen.

Auch im Forschungs­bereich hat die Groko viele Vorhaben aufgeschri­eben: Die Digitalisi­erung der Hochschule­n soll verbessert und die Infrastruk­tur ausgebaut werden, Spitzenwis­senschaftl­er will man stärker an Deutschlan­d binden und den „Masterplan Medizinstu­dium 2020“vorantreib­en. Ohne Gesetzgebu­ng kann also auch der Wissenscha­ftsstandor­t nicht gesichert werden. Hinzu kommen strukturel­le Herausford­erungen: Die einzelnen Forschungs­einrichtun­gen müssen stärker miteinande­r vernetzt werden, um internatio­nal bestehen zu können. Auch mit der berufliche­n Bildung.

Kenner betonen, im akademisch­en Umfeld Impulse zu setzen, sei weitaus schwierige­r als im Bildungsbe­reich. Dessen scheint sich Karliczek bewusst zu sein. Begeisteru­ng für die Wissenscha­ft sei das eine, ließ sie jetzt wissen, das Aushandeln der Rahmenbedi­ngungen das andere. Wie sie beides in Einklang bringen will, darauf darf man gespannt sein.

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FOTO: DPA Die CDU-Politikeri­n Anja Karliczek.

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