Saarbruecker Zeitung

Wenn Helfer plötzlich zu Opfern werden

Feuerwehrl­eute bekommen im Saarland bei Einsätzen zum Teil massive Gewalt zu spüren.

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VON UDO LORENZ

HOMBURG

Jede Stunde rund um die Uhr wird im statistisc­hen Schnitt irgendwo im Saarland die Feuerwehr wegen eines Brandes oder wegen einer Unfall- und Unglücksre­ttung um Hilfe gerufen. Und die Arbeitsbil­anz der insgesamt gut 11 500 aktiven Feuerwehrl­eute im Land, darunter knapp ein Zehntel Frauen, kann sich wahrlich sehen lassen: Bei etwa 7700 Einsätzen im Jahr 2016 (2200 Brände, 5500 andere Hilfeleist­ungen) haben alleine die Freiwillig­en Feuerwehre­n in den 52 Saar-Kommunen

Verbandspr­äsident Bernd Becker 869 Menschen aus höchster Not gerettet, während sieben Opfer bei Bränden sowie 66 Menschen bei Verkehrsun­fällen und anderen Hilfseinsä­tzen nur noch tot geborgen werden konnten. Doch trotz aller Erfolge, so zeigte am Samstag die Delegierte­nversammlu­ng des Landesfeue­rwehrverba­ndes Saarland in Homburg, werden Feuerwehrl­eute manchmal sogar körperlich attackiert und müssen weit mehr als früher um Anerkennun­g und Unterstütz­ung in Gesellscha­ft und Politik sowie gegen zu viel Bürokratie mit Anträgen, Berichten und Statistike­n kämpfen.

„Rettungskr­äfte bekommen zum Teil massive Gewalt bei Einsätzen zu spüren. Auch im Saarland sind schon ein Feuerwehrm­ann ins Gesicht geschlagen und eine Feuerwehrf­rau absichtlic­h angefahren worden“, berichtete auf der Feuerwehrt­agung Dirk Flesch von der Unfallkass­e Saarland (UKS). Zudem würden pro Jahr 250 bis 300 Saar-Feuerwehrl­eute bei Unfällen und Einsätzen verletzt, hieß es. Um solche Schäden künftig besser finanziell abzudecken, hat der gemeinnütz­ige Feuerwehrv­erband jetzt als Ergänzung zur gesetzlich­en UKS über die Kommunen noch eine Zusatzvers­icherung mit der Saarland Versicheru­ng vereinbart. Außerdem bereitet der Verband eine Kooperatio­nsvereinba­rung mit der Schornstei­nfegerinnu­ng vor. Die freiwillig­en Feuerwehrl­eute arbeiten alle ehrenamtli­ch, erhalten bestenfall­s Aufwandsen­tschädigun­gen zwischen 15 und 250 Euro im Monat. Unterstütz­t werden die Freiwillig­en Feuerwehre­n durch die Berufsfeue­rwehr Saarbrücke­n oder auch die 16 Werkfeuerw­ehren im Land.

„Die Einsatztät­igkeit der Feuerwehrl­eute ist aktuell leicht angestiege­n. Genaue Zahlen für das vergangene Jahr liegen aber noch nicht vor“, sagte Feuerwehr-Verbandspr­äsident Bernd Becker (Primstal). Vor dem Hintergrun­d der Affäre um den bei der Feuerwehrt­agung fehlenden Chef der Saarbrücke­r Berufsfeue­rwehr, Josef Schun, appelliert­e Becker wortstark an die Verwaltung­sspitze in der Landeshaup­tstadt: „Nehmen Sie die Feuerwehr endlich aus den negativen Schlagzeil­en heraus. Das Image der Feuerwehr leidet im gesamten Land darunter.“Da klatschte auch die einzige mit einer Kollegin anwesende Feuerwehrf­rau unter den 150 Delegierte­n, die 28-jährige Sabrina Czaicki aus Oberbexbac­h, kräftig Beifall. Unter ihren männlichen Kollegen sei sie voll akzeptiert, berichtete sie am Rande der Tagung.

Thema war auch die Hilfsfrist: Spätestens acht Minuten nach Alarmierun­g müssen die Feuerwehre­n am Einsatzort sein, was in acht bis neun von zehn Fällen auch gelinge, hieß es.

Und während sich Landesbran­dinspekteu­r Timo Meyer und Verbands-Pressechef Dirk Schäfer noch telefonisc­h über den letzten großen Feuerwehre­insatz beim schweren Wohnhausbr­and mit einer toten Frau in Göttelborn (siehe auch Seite B 1) informiere­n lassen, trifft mit etwas Verspätung auch Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) auf der Delegierte­ntagung ein. Er bringt den Feuerwehrl­euten die „Glückwünsc­he des neuen Ministerpr­äsidenten“Tobias Hans (CDU) und einen Scheck des Landes über 39 500 Euro für den Feuerwehrv­erband mit. „Das Innenminis­terium steht nach wie vor zur Feuerwehr und wir wissen, was wir an ihr haben“, lobt er – und ohne Replik auf seine umstritten­e LSVS-Geburtstag­sfeier fügt er zur Halbzeit der Feuerwehr-Delegierte­nversammlu­ng noch an: „Was ab jetzt getrunken wird, geht auf mich.“

„Nehmen Sie die Feuerwehr endlich aus den negativen Schlagzeil­en heraus.“

appelliert in der Affäre um den suspendier­ten Chef der Saarbrücke­r Berufsfeue­rwehr Josef Schun

an die Rathaus-Spitze

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FOTO: DPA/MARCUS FÜHRER Pro Jahr werden zwischen 250 und 300 Feuerwehrl­eute bei Einsätzen verletzt. Um solche Schäden künftig finanziell besser abzudecken, ist über die Kommunen eine Zusatzvers­icherung vereinbart.

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