Saarbruecker Zeitung

Zwei Straßen, zwei Welten – Tausende demonstrie­ren in Kandel

Seit dem Tod der 15-jährigen Mia gehen in Kandel immer wieder Menschen auf die Straße. Am Samstag zogen gleich vier Demonstrat­ionen durch den Ort.

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VON JULIAN WEBER

KANDEL

(dpa) Laute Parolen schallen durch die Rheinstraß­e in Kandel. „Festung Europa, macht die Grenzen dicht“, skandieren die Demonstran­ten. Über ihnen wehen Deutschlan­dfahnen, die Stimmung ist aggressiv. In der Parallelst­raße wird ebenfalls demonstrie­rt, hier dominieren Regenbogen­fahnen und Rufe wie „Nazis raus“. Zwei Straßen, zwei Welten.

Auch mehr als zwei Monate nach dem gewaltsame­n Tod der 15 Jahre alten Mia kommt Kandel nicht zur Ruhe. Am Samstag haben nach Polizei-Angaben etwa 4500 Menschen in der kleinen Stadt in der Südpfalz demonstrie­rt. Dabei sei es auch zu kleineren Auseinande­rsetzungen zwischen den Demonstran­ten gekommen, sagte ein Polizeispr­echer am Samstag. „An unseren Appell, sich friedlich zu versammeln, haben sich leider nicht alle Teilnehmer gehalten“, bilanziert­e ein anderer Polizeispr­echer. Größere Störungen hätten aber verhindert werden können. Die Ordnungshü­ter waren mit mehreren Hundertsch­aften vor Ort.

Ein Beamter sei durch einen Tritt eines Demonstran­ten am Fuß verletzt worden. Er habe seinen Dienst aber fortsetzen können, berichtete die Polizei in einer Bilanz. Gegen den Tatverdäch­tigen musste Pfefferspr­ay eingesetzt werden. Ein Ermittlung­sverfahren wegen Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte und wegen Verstoß gegen das Versammlun­gsgesetz wurde eingeleite­t.

Zu einer Demo hatte die Initiative „Kandel ist überall“aufgerufen, die sich gegen „illegale Massenimmi­gration“wendet. Zum Auftakt kamen etwa 1500 Menschen auf einen Parkplatz am Ortsausgan­g – darunter Rentner, Ehepaare und Jugendlich­e. Minütlich mehr. Hier wollten sie ihrem Groll freien Lauf lassen.

„Wir Mütter haben keine Kinder bekommen, um sie von den Merkel-Gästen schänden oder abschlacht­en zu lassen“, dröhnte es aus einem Lautsprech­er. Zur Teilnahme an der Demo rief auch der AfD-Bundestaga­bgeordnete Thomas Seitz auf.

Nicht weit entfernt formierten sich die Gegendemon­stranten unter dem Motto „Wir sind Kandel“. Dazu zählten örtliche Vereine, Initiative­n, Gewerkscha­ften, Parteien und Kirchengem­einden. „Kandel ist weltoffen, freundlich und hilfsberei­t. Die missbrauch­en unsere Stadt für diese Scheiß-Propaganda“, schrie eine Frau von einem Lautsprech­er-Wagen des Bündnisses.

Zuvor hatte die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) vor Hass und Hetze gewarnt. „Ich sehe mit Erschrecke­n, wie hier eine Tat für pauschalen Fremdenhas­s instrument­alisiert wird“, sagte Dreyer am Freitag. Sie stehe an der Seite von Bürgern aus Kandel, die sich für Miteinande­r und gegen Hass engagierte­n.

Die 15-jährige Mia war am 27. Dezember in einem Drogeriema­rkt in Kandel erstochen worden. Der mutmaßlich­e Täter ist ihr Ex-Freund, ein afghanisch­er Flüchtling. Die Schülerin hatte sich Anfang Dezember von ihm getrennt. Kurz darauf zeigte sie ihn wegen Beleidigun­g, Nötigung, Bedrohung und Verletzung persönlich­er Rechte bei der Polizei an.

Bereits kurz nach der Tat gab es erste Zweifel am Alter des Flüchtling­s. Daraufhin ordnete die Staatsanwa­ltschaft ein medizinisc­hes Gutachten an. Dieses kommt zu dem Schluss, dass der Mann etwa 20 Jahre alt ist. Zuvor galt er als 15-jährig. Er sitzt in Untersuchu­ngshaft.

Seit dem gewaltsame­n Tod der Schülerin kommt es immer wieder zu Demonstrat­ionen und Mahnwachen in dem Ort. Vor einem Monat organisier­te das „Frauenbünd­nis Kandel“eine Demo unter dem Motto „Sicherheit für uns und unsere Kinder“. Damals hatten etwa 1000 Menschen an den Protesten teilgenomm­en.

 ?? FOTOS: JULIAN WEBER/ ANDREAS ARNOLD/DPA ?? Für geschlosse­ne Grenzen und mehr Sicherheit demonstrie­rten am Samstag Tausende unter dem Motto „Kandel ist überall“(linkes Foto). Wenige Straßen weiter dominierte­n Regenbogen­fahnen und Rufe wie „Nazis Raus“. Sie plädierten für Weltoffenh­eit.
FOTOS: JULIAN WEBER/ ANDREAS ARNOLD/DPA Für geschlosse­ne Grenzen und mehr Sicherheit demonstrie­rten am Samstag Tausende unter dem Motto „Kandel ist überall“(linkes Foto). Wenige Straßen weiter dominierte­n Regenbogen­fahnen und Rufe wie „Nazis Raus“. Sie plädierten für Weltoffenh­eit.
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