Saarländer Heiko Maas wird Außenminister
Erneuter Karrieresprung: Der scheidende SPD-Landeschef löst Sigmar Gabriel ab, der der neuen Bundesregierung nicht angehört.
SAARBRÜCKEN/BERLIN (SZ/dpa/ afp) Ein weiterer Saarländer bekommt einen zentralen Posten im politischen Berlin: Der aus Schwalbach-Elm stammende bisherige Justizminister Heiko Maas (SPD, 51) soll in der neuen Bundesregierung das prestigeträchtige Außenamt übernehmen und damit Nachfolger von Sigmar Gabriel werden. Parteikreise bestätigten gestern übereinstimmende Berichte mehrerer Medien. Offiziell soll die Liste mit den sechs SPD-Ministern im neuen Kabinett der großen Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erst heute Vormittag von der designierten SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles und dem kommissarischen SPDChef Olaf Scholz vorgestellt werden.
Der Wechsel von Maas ins Außenamt wurde gestern aber ausgerechent von Gabriel in seiner letzten Pressekonferenz indirekt bestätigt. „Wenn es stimmt, dass er der neue Außenminister werden soll“, verlasse er sein Ministerium mit einem „außerordentlich guten Gefühl“, sagte Gabriel. Maas werde „das exzellent machen“.
Neben Maas wird mit dem CDU-Schwergewicht Peter Altmaier weiterhin ein weiterer Saarländer dem Bundeskabinett angehören. Der 59-Jährige war bislang Chef des Kanzleramts und übernimmt nun das Wirtschaftsressort. Mit der langjährigen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (55), seit Ende Februar neue Generalsekretärin der CDU, ist das Saarland in der Hauptstadt damit außergewöhnlich stark vertreten.
Mit Gabriels erzwungenem Rückzug verlässt der derzeit beliebteste SPD-Politiker das Kabinett. Er twitterte gestern, Nahles und Scholz hätten ihn darüber informiert, dass er der Regierung nicht angehören werde. Nahles hatte zuvor „Teamfähigkeit“als Eignungskriterium für das neue Kabinett genannt – eine Eigenschaft, die dem zu Alleingängen neigenden Gabriel parteiintern von vielen abgesprochen wird.
Der Ex-SPD-Chef schrieb, er bleibe Abgeordneter des Bundestags. „Aber nun endet die Zeit, in der ich politische Führungsaufgaben für die SPD wahrgenommen habe.“Er habe 18 Jahre lang für Deutschland und die SPD in leitenden Funktionen gearbeitet. Er wünsche der neuen Regierung und seiner Partei „von Herzen“Erfolg. Gabriel hatte im Februar der damaligen SPD-Spitze um Martin Schulz Wortbruch vorgeworfen – als sich abzeichnete, dass er raus ist und Schulz Außenminister werden will, was dann am Widerstand der Partei scheiterte.
So wurde der Weg frei für Maas, der bei einem heute beginnenden Landesparteitag in Dillingen den Vorsitz der Saar-SPD nach mehr als 17 Jahren an Anke Rehlinger abgeben wird. Um sich dann voll auf seine neue Aufgabe zu konzentrieren: Am Mittwoch sollen Merkels neue Minister vom Bundespräsidenten ernannt und dann im Bundestag vereidigt werden.
(SZ/dpa) Auf eine grundlegende Eigenschaft, über die ein Außenminister verfügen sollte, kann Heiko Maas durchaus selbstbewusst verweisen: Er hat Ausdauer. Maas ist passionierter Triathlet, der 51-Jährige joggt regelmäßig, er hat also einen langen Atem. Den wird der Saarländer künftig mehr denn je benötigen, wenn er in der Welt der Diplomatie unterwegs ist. Denn in keinem anderen Amt muss man so beharrlich dicke Bretter bohren, um dann womöglich doch nicht erfolgreich zu sein.
Mit Misserfolgen kennt sich der SPD-Mann freilich aus. Im Saarland ging er dreimal als Spitzenkandidat seiner Partei ins Rennen, dreimal scheiterte er. Das brachte ihm den Ruf des Verlierers ein. Umso überraschender war es, als der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel den Saarländer 2013 als Justiz- und Verbraucherminister auf die Berliner Bühne holte. Ausgerechnet Gabriel löst Maas nun im Außenamt ab. Seit seinem Wechsel nach Berlin hat Maas eine enorme Wandlung durchlaufen. Auch persönlich: Er trägt schicke Anzüge, ist viel smarter als früher und inzwischen mit der Schauspielerin Natalia Wörner liiert. Von der 50-Jährigen könnte Maas jetzt durchaus Unterstützung für den Start ins neue Amt bekommen. Sie spielte vor zwei Jahren die Hauptfigur in der Fernsehserie „Die Diplomatin“. Als Vorbereitung für ihre Rolle als Außenamtsmitarbeitern für schwierige Fälle reiste sie auch mal im Regierungsflieger des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier mit. Künftig wird ihr Lebensgefährte in dieser Maschine sitzen.
Vom politisch Abgehängten wurde Maas, der Vater von zwei Kindern, seit 2013 zum fleißigsten und wohl auch anerkanntesten SPD-Minister in der schwarz-roten Bundesregierung. Kaum ein anderer Ressortchef machte sich an so vielen Vorhaben zu schaffen – Mietpreisbremse, Frauenquote, Anti-Doping-Gesetz, Änderungen im Sexualstrafrecht, um nur einige Beispiele zu nennen. Er handelte sich auch jede Menge Kritik ein: Etwa mit seinem Schwenk bei der Vorratsdatenspeicherung (wo er unter anderem mit Sigmar Gabriel aneinander geriet) oder seinem umstrittenen Gesetz gegen Internethetze. Häufig drängte er mit neuen Initiativen in die Medien, was ihm zugleich den Ruf des Ankündigungsministers einbrachte. Kein anderer Bundesminister setzte sich allerdings so vehement für die Grundrechte ein. Keiner keilte so kräftig zurück gegen AfD und Pegida wie er. Das hat Maas ebenso zum meistgehassten Minister in der rechten Szene gemacht. Vor einigen Monaten wurde eine Neun-Millimeter-Patrone im Briefkasten seiner Privatwohnung in Berlin gefunden.
Als „Hoffnungsträger“der SPD wurde Maas immer mal wieder gehandelt, was bei den Genossen allerdings ziemlich schnell geht. Manch einer sah in ihm schon einen möglichen Kanzlerkandidaten. Dass Maas im Kabinett verbleiben würde, galt als sicher. Nun also Außenminister. Dass er Diplomatie kann, hat der Saarländer zumindest in der Bundesregierung schon bewiesen: Mit Innenminister Thomas de Maizière (CDU) konnte er sich meist rasch auf gemeinsame Linien unter anderem bei den Gesetzesverschärfungen im Asylbereich einigen; die traditionellen Spannungen zwischen Justiz- und Innenressort verstand Maas gut zu umschiffen. Poltern ist nicht sein Ding, dennoch kann Maas hart in der Sache und in der Wortwahl sein. Als großer Außenpolitiker ist er, der etwas Französisch und gut Englisch spricht, bislang noch nicht in Erscheinung getreten. Chefdiplomatin ist inzwischen ja auch Kanzlerin Angela Merkel – aus deren Schatten muss Maas sich nun vor allem befreien, um sich im Kabinetts-Team zu behaupten.
Der Mann, den Maas jetzt ablöst, ist über seine mangelnde Teamfähigkeit gestolpert. Die hatte die künftige SPD-Chefin Andrea Nahles als ein Kriterium für die Personalauswahl ihrer Partei genannt. Und Sigmar Gabriel kann vieles. Ministerpräsident von Niedersachsen, Umwelt-, Wirtschafts- und Außenminister, Vizekanzler, SPD-Vorsitzender. Was er aber sicher nicht kann, ist Team. Gestern endete die Karriere des 58-Jährigen aus Goslar: „Andrea Nahles und Olaf Scholz haben mich darüber unterrichtet, dass ich der nächsten Bundesregierung nicht mehr angehören werde“, teilte er mit. Er werde nun als einfacher Abgeordneter weitermachen. Manche Kommentatoren finden seinen Rauswurf töricht. Denn schließlich ist er der beliebteste Politiker der Partei. Und ein politisches Urgestein, wie es nur selten vorkommt. Redegewandt, emotional, wandlungsfähig, empathisch, es gibt viele gute Eigenschaften. Wenn da nicht die andere Seite wäre: Illoyalität, Rücksichtslosigkeit, Sprunghaftigkeit, Egomanie – eben Teamunfähigkeit. Er hat viele vor den Kopf gestoßen, von Nahles bis Schulz, von Maas bis Scholz. Und: Gute Umfragewerte hat fast jeder Außenminister, egal was er leistet. Einfach wegen der häufigen TV-Präsenz.
Gabriels objektive Bilanz als oberster deutscher Diplomat ist nicht so gut. Mit Israel provozierte er unnötige Eklats, ebenso mit Iran und Saudi-Arabien. Es gab Probleme mit der Türkei und Russland. Vor zwei Wochen sagte Gabriel noch, er halte nichts davon, „um Ämter zu kämpfen und sich daran zu klammern“. Ein typischer Gabriel-Satz: Mit so viel Gefühl vorgetragen, dass er ihn selbst glaubt, aber nicht wahr.
In der SPD-Führung herrscht nach den jüngsten Turbulenzen ein anderer Geist. Viel kooperativer, viel offener will man sein. Gabriel wie auch Ex-Parteichef Martin Schulz erscheinen da inzwischen wie Dinosaurier. Schulz manövrierte sich mit seinem Anspruch, Außenminister zu werden, Anfang Februar ins politische Abseits. Gabriel am Tag drauf mit seinem Konter, seine Tochter freue sich, dass er nun mehr Zeit für sie habe, statt für diesen „Mann mit den Haaren im Gesicht“. Künftig hat er nun wirklich mehr Zeit.