Saarbruecker Zeitung

Der Front National versucht die Wiedergebu­rt

Mit einem neuen Namen wollen die Rechtspopu­listen aus dem Stimmungst­ief kommen. Die Franzosen misstrauen der Partei von Marine Le Pen aber weiterhin.

- VON CHRISTINE LONGIN Produktion dieser Seite: Pascal Becher, Robby Lorenz Gerrit Dauelsberg

Über die Stimmungsl­age von Marine Le Pen ist in den vergangene­n Monaten viel spekuliert worden. Ist die Chefin des Front National ihres Amtes überdrüssi­g? Will sie sich aus der Politik zurückzieh­en? Die 49-Jährige hatte die Gerüchtekü­che noch angeheizt, als sie im Radiosende­r France Inter sagte: „Ich könnte alles aufgeben, etwas anderes machen. Zum Beispiel Katzen züchten.“Vorerst wird es allerdings nichts werden mit den Katzen, denn der FN-Parteitag wird sie am Wochenende ohne Gegenkandi­daten erneut zur Parteichef­in wählen. „Es gibt niemand anderen, der die Partei verkörpern kann“, sagt der Rechtsextr­emismus-Experte JeanYves Camus im Gespräch mit der SZ. „Sie ist gezwungen zu bleiben.“

Und so wird die Juristin das tun, was sie schon am Abend ihrer Niederlage bei den Präsidents­chaftswahl­en angekündig­t hatte: den FN neu aufstellen. Dazu gehört ein neuer Name für die Partei ihres Vaters Jean-Marie Le Pen. „Die Nationalen“könnten sich die „Frontisten“nun nennen und damit Rechtsextr­emismus, Rassismus und Antisemiti­smus des Gründers übertünche­n. Gleichzeit­ig will die Chefin damit ihre Partei für mögliche Koalitione­n öffnen. „Front bedeutet eine Opposition gegen jemanden. Wir müssen das jetzt überwinden. Wir müssen unseren Willen zeigen, zu regieren“, fordert Le Pen in der Zeitung „Le Figaro“. Aber mögliche Verbündete, die es für eine Regierungs­übernahme braucht, sind nicht in Sicht. Anders als in Österreich, wo die rechtspopu­listische FPÖ mit der konservati­ven ÖVP regiert, sind die französisc­hen Konservati­ven gegen eine Allianz.

Stattdesse­n versucht Parteichef Laurent Wauquiez, mit einem strammen Rechtsauße­n-Kurs dem FN Stimmen abzujagen. Gleichzeit­ig darf der grauhaarig­e 42-Jährige allerdings die Wähler der Mitte nicht vergraulen, ohne die er bei den Europawahl­en im nächsten Jahr kaum Erfolg haben kann. Ein schwierige­r Spagat, der Le Pen erspart bleibt. Die Rechtspopu­listin kann ungeniert den nationalis­tischen und anti-europäisch­en Wahlkampf machen, der sie schon bei den Europawahl­en 2014 zur stärksten Partei Frankreich­s werden ließ.

Der Wahlsieg war der Höhepunkt ihrer politische­n Karriere, die mit der Übernahme des Parteivors­itzes 2011 von ihrem Vater begann. Schnell versuchte die neue Chefin, den Front National aus der rechtsextr­emen Schmuddele­cke zu holen und ihm ein gemäßigter­es Image zu geben. Die Strategie der „Entteufelu­ng“zahlte sich aus: 2012 schaffte die jüngste Tochter von Jean-Marie Le Pen bei den Präsidents­chaftswahl­en mit 18 Prozent ein besseres Ergebnis als der Patriarch, mit dem sie inzwischen zerstritte­n ist. Im vergangene­n Jahr kam die FN-Kandidatin dann auf knapp 22 Prozent und zog damit in die Stichwahl ein.

Ihr Höhenflug endete allerdings jäh am Abend des 4. Mai, als Le Pen im Fernsehdue­ll mit Emmanuel Macron ein jämmerlich­es Bild abgab. „Die Debatte hat sie nicht nur einige Prozentpun­kte, sondern auch Glaubwürdi­gkeit gekostet“, bemerkt der Politologe Camus. Seither stecken die Partei und ihre Chefin, die in der Opposition weitgehend unsichtbar ist, im Stimmungst­ief. Eine Umfrage des Instituts TNS Kantar ergab diese Woche, dass nur 16 Prozent der Franzosen in Marine Le Pen eine gute Präsidenti­n sehen. 28 Prozent halten den Front National für regierungs­fähig – ein Minus von zehn Punkten gegenüber dem Frühjahr 2017. Dazu kommen finanziell­e Schwierigk­eiten, die sich aus den Ermittlung­sverfahren gegen mehrere EU-Parlamenta­rier, darunter auch Le Pen, wegen Scheinbesc­häftigung ergeben. Das Europaparl­ament könnte sieben Millionen Euro zurückford­ern.

Der Parteitag am Wochenende in Lille dürfte deshalb zur Gruppenthe­rapie für das verunsiche­rte Parteivolk werden. „Ich rechne nicht mit einer tiefgreife­nden Umwälzung“, sagt Camus. „Dazu braucht es eine politische Vision und nicht nur eine Namensände­rung.“Seine Ausrichtun­g hatte der FN schon nach den Präsidents­chaftswahl­en korrigiert, als Le Pen ihre Forderung nach einem Austritt aus dem Euro erst einmal verschob. Die Parteichef­in will ihren dem Euro verhaftete­n Landsleute­n mit dem „Frexit“keine Angst mehr machen, auch wenn die Souveränit­ät Frankreich­s ihr langfristi­ges Ziel bleibt. Überzeugen kann sie die Franzosen mit ihrem Schlingerk­urs nicht: 66 Prozent sagen, dass sie nie für den FN gestimmt haben und es auch nicht tun wollen – auch nicht unter einem neuen Namen.

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FOTO: CAILLET/IMAGO Im Rampenlich­t der rechten Partei: Marine Le Pen will den FN neu aufstellen – mit einem anderen Namen und weniger Frexit-Debatte.

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