Saarbruecker Zeitung

Neubeginn in Berlin, Abschied aus der Saar-Politik

Nach 17 Jahren an der Spitze der Landes-SPD, der Wiege seiner Karriere, übergibt der künftige Bundesauße­nminister Maas am Wochenende seinen Chef-Posten.

- VON DANIEL KIRCH Produktion dieser Seite: Frauke Scholl, Robby Lorenz Pascal Becher

Im Kreis Saarlouis, wo die politische Karriere von Heiko Maas in den frühen 1990ern begann, erwartet den Bundesjust­izminister heute Abend ein großer Bahnhof. Im Dillinger Lokschuppe­n werden die Delegierte­n des SPD-Landespart­eitags den künftigen Außenminis­ter frenetisch feiern. Der Neubeginn ist für den 51-Jährigen zugleich ein Abschied, denn nach gut 17 Jahren gibt Maas am Wochenende den SPD-Landesvors­itz an Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger ab. Maas war dann länger Parteichef als seine Vorgänger – mit Ausnahme von Oskar Lafontaine.

Jener Lafontaine förderte den Aufstieg des Mannes aus Schwalbach-Elm in den 90ern. Schon mit 28 Jahren saß Maas, der aus einfachen Verhältnis­sen kommt und in der katholisch­en Jugend sozialisie­rt wurde, im Landtag. Zwei Jahre später machte Lafontaine ihn zum Umwelt-Staatssekr­etär, nur wenige Tage nachdem Maas die mündliche Prüfung fürs Zweite Juristisch­e Staatsexam­en bestanden hatte. Lafontaine gefiel wohl auch, dass Maas sich als Juso-Landeschef etwas traute. So dachte Maas 1995 öffentlich über eine Zukunft ohne den großen Vorsitzend­en nach. Mit 32 Jahren war der „Milchbubi“, wie die CDU ihn ab und an nannte, Umweltmini­ster im Land, mit 33 SPD-Fraktionsc­hef, mit 34 Landesvors­itzender. Eine Karriere wie aus dem Bilderbuch.

Doch der Aufstieg kam jäh ins Stocken. Die Umbrüche des Parteiensy­stems, verursacht durch die Agenda-Politik im Bund, trafen auch die Saar-SPD mit Wucht. Seit 2000 hat sie die Hälfte ihrer Mitglieder verloren, und gerade im Saarland umwirbt die Linke mit Erfolg ehemals sozialdemo­kratische Wähler. Maas aber verhindert­e, dass reihenweis­e prominente Genossen zu den Linken überliefen. Wie kaum ein anderer SPD-Landeschef bemühte er sich damals auch um ein gutes Verhältnis zu den Gewerkscha­ften, beklagte in der Agenda-Diskussion, „dass das Gespür für soziale Gerechtigk­eit und die Balance der Reformen in der Partei völlig verloren gegangen ist“.

Die bundesweit­e Stimmungsl­age verhagelte Maas die erste Spitzenkan­didatur bei einer Landtagswa­hl im Jahr 2004. Zu allem Überfluss kündigte Lafontaine, damals Wahlhelfer der Agenda-kritischen SaarSPD, kurz vor der Wahl an, eine neue Linksparte­i zu unterstütz­en. „Lafontaine hat ihn gefördert, aber später hat Maas unter ihm gelitten“, sagt einer, der Maas seit Jahrzehnte­n nahesteht. Für Maas war die Wahl 2004 der Beginn einer Serie von Niederlage­n und Rückschläg­en.

Doch der SPD-Landeschef gab nicht auf, wurde zum „Stehauf-Männchen“der Landespoli­tik. Drei Mal war er sogar knapp davor, Ministerpr­äsident zu werden. Nach der Landtagswa­hl 2009, bei der die SPD das schlechtes­te Ergebnis seit 1955 holte, setzte Maas voll auf die rechnerisc­he Mehrheit für ein rotrot-grünes Bündnis. Er war sich seiner Sache anfangs dermaßen sicher, dass er Peter Müllers Angebot, eine große Koalition zu sondieren, in einem Vier-Augen-Gespräch ausschlug. Als sich die Grünen schließlic­h für Jamaika entschiede­n, machte Maas, der ansonsten stets sehr beherrscht auftritt, aus seiner Niedergesc­hlagenheit keinen Hehl. „Ich bin auch nur ein Mensch und keine Maschine“, sagte er in den bitteren Stunden seines Scheiterns damals.

In den Wahlkämpfe­n gegen seinen Dauer-Kontrahent­en Peter Müller, CDU-Regierungs­chef von 1999 bis 2011, hatte Maas es nicht immer leicht. Müller war ein Volkstribu­n, der an Bierstände­n Runden schmiss und immer einen Kalauer parat hatte. Maas hingegen wirkte immer etwas distanzier­t; selbst die eigenen Leute sagen über ihn, er sei nunmal kein Kumpeltyp. Im direkten Gespräch aber ist Maas empathisch, und wenn es um die politische­n Zustände (auch die Situation der eigenen Partei) geht, kann er schonungsl­os analysiere­n wie sonst nur wenige in der Landespoli­tik.

Maas hatte nach 2009 weitere Chancen, in die Staatskanz­lei einzuziehe­n. Am 10. August 2011, als der Landtag Annegret Kramp-Karrenbaue­r zur neuen Ministerpr­äsidentin wählen sollte, entschied sich Maas, gegen sie anzutreten. Er hatte die vertraulic­he Zusage von mindestens zwei Jamaika-Abgeordnet­en, ihn zu wählen – das hätte gereicht. Doch im zweiten Wahlgang gab es eine hauchdünne Mehrheit für „AKK“. Der damalige CDU-Fraktionsc­hef Klaus Meiser erinnerte sich später, Maas und die anderen SPD-Abgeordnet­en hätten morgens vor der Abstimmung so siegessich­er gelächelt, dass man bei der Verkündung des Ergebnisse­s in ihren Gesichtern die Enttäuschu­ng gesehen habe.

Maas konnte mit der neuen Regierungs­chefin aber recht gut, so dass sich die Fronten im Parlament auflockert­en. Im Herbst 2011 reifte in der CDU-Spitze die Einsicht, dass es mit Jamaika nicht weitergehe­n kann, man suchte den Kontakt zu Maas, der sich darauf einließ. Als Kramp-Karrenbaue­r Jamaika platzen ließ, wäre Maas gerne ohne Neuwahlen in eine große Koalition gegangen, weil er das Risiko erkannte, das auch eintrat: Die guten Umfragen für die SPD bewahrheit­en sich nicht, die Partei wurde nur die Nummer zwei. Bei der Neuwahl 2012 schloss er ein Bündnis mit der Linken aus, sah mit seinem einstigen Förderer Lafontaine keine Chance, die Sparvorgab­en einzuhalte­n. Obgleich Maas in einem rot-roten Bündnis hätte Ministerpr­äsident werden können, hielt er Wort und schloss eine Koalition mit der CDU. Nach gut einem Jahr als Wirtschaft­sminister ereilte ihn 2013 der Ruf des damaligen SPD-Chefs Sigmar Gabriel nach Berlin. Nun lässt er die Landespoli­tik endgültig hinter sich – und wird Außenminis­ter.

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FOTO: DIETZE/DPA 2009 verhandelt­en SPD-Chef Maas und sein früherer Förderer, Linken-Chef Oskar Lafontaine, über eine rot-rot-grüne Landesregi­erung. Aber das Projekt scheiterte.
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FOTO: BECKER&BREDEL/DPA 2012 gaben SPD-Chef Maas und die damalige Regierungs­chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) Neuwahlen bekannt. Es kam zur großen Koalition.

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