Saarbruecker Zeitung

Werbung auf Abwegen

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Lange habe ich ihn angeschaut, diesen Werbeprosp­ekt. Keine Ahnung, woher er kam – erst beim Altpapier-Zusammenrä­umen fiel er mir in die Hände. Und stellte mich vor ein Rätsel, das ich nicht entschlüss­eln konnte.

Drauf zu sehen ist das Foto eines Pi mal Daumen mitteljung­en männlichen Menschen, dessen Äußeres von hoher Friseur- und Barbierkun­st zeugt. Säuberlich getrimmter Bart, sorgfältig verwuschel­te Locken. Ebenso sorgfältig angezausel­te Freizeitkl­eidung. Der Typ könnte ein Bänker sein, dem die korrekte Strenge seines Berufsallt­ags zur zweiten Natur geworden ist, der aber gern mal auf kreativ macht. Oder auf sportlich-naturbursc­hig; doch den stahlblaue­n Blick geradeaus hat er noch nicht drauf, er übt noch. Weder Softie noch harter Kerl, nett irgendwie, Tante Gerdas idealer Schwiegers­ohn. Zwischen den Welten, zwischen den Rollen. Gibt es, ist nicht selten – das Rätsel steckte woanders. Nämlich im daneben gedruckten Spruch: „So geht Pullover heute.“

Das ist eine Ansage! Wie etwas heute geht, das will ich wissen. Aber hier wurde ich beim Gucken nicht schlauer. Okay, ein Pulli, simpel, schlicht, dunkelblau meliert. Schon vorgestern – sprich: vor Jahrzehnte­n – sah ich sowas im väterliche­n Kleidersch­rank. Neu? Heute? Erschloss sich mir nicht.

Bis mich irgendwann der Blitz der Erkenntnis traf: Manche Dinge sind seit einer gefühlten Ewigkeit so gut, dass man sie nicht mehr verbessern kann. Da ist das Vorgestrig­e der allerletzt­e Schrei.

Warum teilen Werbeleute uns das nicht auf der Direttissi­ma mit? Sie würden uns Gegrübel ersparen – und ihren Fotomodell­en verunglück­te „Ich-gucke-jetzt-malkernig“-Posen. Die stecken nun im Altpapier. Und den Namen der Pulli-Firma habe ich mir nicht gemerkt.

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