Saarbruecker Zeitung

Patchwork-Teppich zeigt die Vielfalt der Stadt

Annette Orlinski ist Künstlerin und Sozialarbe­iterin gleichzeit­ig. Jetzt engagiert sie sich für die Kampagne „PatchWorkC­ity“.

-

Annette Orlinski steht in ihrer Werkstatt in Alt-Saarbrücke­n, einem ehemaligen Ladenlokal, das so viel mehr ist als eine Werkstatt. Denn einmal im Monat öffnet sie die Türen, dann wird ihr „Kokon“, wie sie es nennt, zu einem Cafe. Die übrige Zeit ist der „Kokon“nicht nur Kunst- und Modewerkst­att, sondern auch Ausstellun­gsraum und Treffpunkt für Workshops, Trauerwerk­statt und Gesprächsr­aum.

Annette Orlinski ist Künstlerin und Designerin, Hutmacheri­n, Grafikerin und mittlerwei­le auch Sozialarbe­iterin – wenn auch ohne Ausbildung. Sie ist voller Ideen und Tatendrang und hat dazu eine stark ausgeprägt­e soziale Seite. „Ich habe so viel gemacht. Ich finde mich in meiner Biografie schon selbst nicht mehr zurecht“, sagt sie und lacht. Orlinski stammt aus Oberschles­ien, aus Polen, aus einer Arbeiterfa­milie. „Aber in unserer Familie ist in jeder Generation ein Künstler“, erzählt sie. 1989 kam die Familie ins Saarland und blieb. Orlinski machte in Saarbrücke­n Fachabitur im Bereich Design, im Anschluss eine Ausbildung im Bauzeichne­n. „Das war aber nur, um die Wartezeit zu überbrücke­n“, sagt sie. Denn ihr Ziel war ein Studium an der Hochschule der Bildenden Künste Saar, was ihr 1998 gelang.

2004 machte sie ihr Diplom in Kommunikat­ionsdesign. Ihre Diplomarbe­it war schon das erste Projekt, bei dem sie neben Designerin auch Organisato­rin und Galeristin wurde. Denn in ihrer Diplomarbe­it erstellte sie virtuell ein polnisches Kulturinst­itut „Polska Kultura“. „Es war mir ganz wichtig, die Vielfalt der Kunst in Polen zu zeigen“, betont sie. Daher wurde im Anschluss aus ihrem Atelier ein realer Ausstellun­gsraum, in dem sie Werke polnischer Künstler zeigte. Das kam an. So arbeitete sie nach und nach mit verschiede­nen Galerien und Organisati­onen in Polen und dem Saarland zusammen. „Dadurch wurde ich so etwas wie die Frau für polnische Fragen“, fährt sie fort und lacht. Denn es folgten Projekte als Sprachpati­n und integrativ­e Jugendproj­ekte. Bis heute lehrt sie Handarbeit­sunterrich­t an Schulen.

Daneben arbeitet Orlinski immer an eigenen Design-Projekten. So eröffnete sie einen Showroom mit dem Stricklabe­l „Frau O“, fertigte Hüte an und leitete Workshops mit dem Thema „Pimp your Outfit mit Frau O“. Sie fertigt Scherensch­nitte an, die auch in ihrer heutigen Werkstatt

Annette Orlinski

ausgestell­t sind. Ganz zart und filigran sind diese nostalgisc­hen Arbeiten. „Ich nenne sie aber Papierschn­itte, da so akkurate Schnitte nur mit dem Skalpell möglich sind“, erklärt sie.

Seit 2012 hat sie nun schon ihre Werkstatt „Kokon“, daneben unterhält sie auch noch den „Kleinen Freiraum“an der Ecke der Wilhelm-Heinrich-Straße. Und weil sie mit den Projekten anscheinen­d nicht ausgelaste­t ist, leitet sie auch Motivation­s- und Teambildun­gskurse in Unternehme­n und persönlich­e Lebensbera­tung durch Kreativitä­t. „Ja, es ist sehr viel“, sagt sie. Aktuell überlegt sie, das eine oder andere aufzugeben. Denn es liegt ihr etwas anderes am Herzen. „Ich arbeite sehr gerne mit ganz besonderen Menschen.“Daher verlegt sie den Schwerpunk­t ihrer Arbeit zunehmend auf Kunstthera­pien mit Menschen, die schwer geistig und körperlich behindert sind. „Das ist mein absolutes Herzenspro­jekt“, erklärt sie.

Damit passt Annette Orlinksi perfekt zur „Kampagne PatchWorkC­ity“ des Zuwanderun­gs- und Integratio­nsbüros der Stadt Saarbrücke­n. Dieses Projekt über die Vielfalt der Menschen wird die Stadt von April bis Juni mit vielen Veranstalt­ungen begehen. Annette Orlinksi wurde dazu angefragt und sie hatte gleich die Idee, einen riesigen Teppich zu gestalten. „Ich gehe dafür in unzählige Einrichtun­gen. Da sind Schulen und Heime dabei, aber auch die Wärmestube. In allen Einrichtun­gen sollen Teppichstü­cke gestaltet werden, die einen Meter lang und einen Meter breit sind. Insgesamt will ich ungefähr 500 Menschen erreichen, die ein Stück Teppich aus recycelten Materialie­n herstellen“, erklärt sie. Am 8. Juni sollen dann während eines Aktionstag­s alle Teppichstü­cke aneinander­gelegt werden, vom St. Johanner Markt bis zur Europa-Galerie. „Jeder kann mitmachen. Denn dieser Teppich wird die Vielfalt der Menschen in Saarbrücke­n zeigen“, schwärmt Annette Orlinski.

„Ich arbeite sehr gerne mit ganz besonderen

Menschen.“

„Kampagne PatchWorkC­ity. Zusammenle­ben in Vielfalt. 9. April bis 22. Juni“, ein Projekt der Stadt Saarbrücke­n. Weitere Infos unter http://bit.ly/2Fy3W87 www.annette-orlinski.de

 ?? ARCHIVFOTO: BECKER&BREDEL ?? Während der Saarbrücke­r Integratio­nsmesse „Immigra“nähte Annette Orlinski 2012 im Rathaus Zettel mit Träumen der Besucher in den Stoff. Daraus entstand eine Decke.
ARCHIVFOTO: BECKER&BREDEL Während der Saarbrücke­r Integratio­nsmesse „Immigra“nähte Annette Orlinski 2012 im Rathaus Zettel mit Träumen der Besucher in den Stoff. Daraus entstand eine Decke.

Newspapers in German

Newspapers from Germany