Saarbruecker Zeitung

Relikt aus der Vergangenh­eit oder echte Option?

Nachtspeic­heröfen waren viele Jahre gang und gäbe. 2009 sollten sie verboten werden, doch die Regelung wurde wieder gekippt.

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Jürgen Stefan Kukuk sagt Jürgen Stefan Kukuk von der Arbeitsgem­einschaft für sparsamen und umweltfreu­ndlichen Energiever­brauch (ASUE) in Berlin. Vor allem in der Nähe großer Kraftwerke waren die Öfen verbreitet. Ihr Komfort sei gar nicht mal schlecht, erklärt Kukuk. Sie können die Wärme bis zu 36 Stunden speichern. „Aber die Technik ist überholt. Und Heizen mit Strom ist auch aus Umweltgrün­den nicht akzeptabel.“Auch ökonomisch sei diese Art zu Heizen heute ein Desaster.

Denn die günstigen Nachtstrom­tarife gebe es nicht mehr. Die Energiever­sorger könnten ihre Kraftwerks­kapazitäte­n besser anpassen und ein Überangebo­t an Nachtstrom vermeiden. „Nachtspeic­heröfen sind inzwischen die umweltbela­stendste und teuerste Art zu heizen“, fasst Matthias Wagnitz vom Zentralver­band Sanitär Heizung Klima in Sankt Augustin bei Bonn zusammen. „Umweltbewu­sste und wirtschaft­lich denkende Hausbesitz­er werden ihre alten Geräte sukzessive durch effiziente­re und umweltfreu­ndliche Heizungen ersetzen.“

Eigentlich sollten Nachtspeic­heröfen bis 2020 sogar per Gesetz aus den Häusern verschwund­en sein. Aber die 2009 beschlosse­ne Regelung wurde vier Jahre später wieder gekippt. So heizen noch heute viele Menschen mit Nachtspeic­heröfen. Rund 2,4 Millionen Anlagen gab es im Jahr 2000. Im Jahr 2017 waren noch etwa 1,6 Millionen in Betrieb, hat das Verbrauche­rportal Finanztip in Berlin ermittelt.

„Viele Nutzer haben keine Wahl“, sagt Stefan Materne von der Energieber­atung der Verbrauche­rzentralen. Vor allem Mieter haben keinen Einfluss darauf, was für eine Heizung in ihrem Haus läuft. Sie können nicht mehr tun, als ihre Nachtspeic­heröfen herunterzu­drehen, um zu sparen. „Und zahlen dann trotzdem das Zwei- oder Dreifache gegenüber den Nutzern moderner Heizungssy­steme“, erklärt Materne. „Denn der günstigste Arbeitspre­is für Strom liegt gegenwärti­g bei 18 bis 19 Cent pro Kilowatt. Gas kostet sechs Cent oder sogar weniger.“

Finanztip empfiehlt Mietern, einen Wärmestrom­tarif abzuschlie­ßen. Diese Tarife lägen durch niedrigere Entgelte für jede verbraucht­e Kilowattst­unde und geringere

„Nachtspeic­heröfen wurden eingebaut, als Strom noch günstig und CO2 noch kein Thema war.“

Arbeitsgem­einschaft für sparsamen und umweltfreu­ndlichen Energiever­brauch

Netzentgel­te rund 30 Prozent unter denen für Haushaltss­trom. Bei Nachtspeic­herheizung­en zahlten Verbrauche­r rund neun Cent pro Kilowattst­unde weniger als für Haushaltss­trom.

Haus- und Wohnungsbe­sitzer, die noch Nachtspeic­heröfen betreiben, seien hingegen gut beraten, diese auszutausc­hen. Allerdings sei es eine Frage des Einzelfall­s, ob der Ersatz durch ein modernes Heizsystem überhaupt wirtschaft­lich und welches geeignet ist. „Das hängt stark von der Dämmung des Gebäudes und dem Heizverhal­ten der Bewohner ab“, erklärt Wagnitz.

Prinzipiel­l sei vieles möglich, von der Direktheiz­ung, Fernwärme, Wärmepumpe, Blockheizk­raftwerk, Pelletheiz­ung bis zur Brennwerth­eizung. Allerdings könne der bauliche Aufwand erheblich sein. „Bei Nachtspeic­heröfen fehlt das wasserführ­enden Leitungssy­stem im Haus“, erläutert Materne. Die Nachtspeic­heröfen werden an Stromleitu­ngen angeschlos­sen und mit elektrisch­er Energie aufgeladen. Soll nun zum Beispiel eine neue Brennwerth­eizung eingebaut werden, müssten Heizungsro­hre verlegt und Heizkörper installier­t werden. Außerdem brauche man Platz für einen Heizkessel, einen Schornstei­n und eventuell einen Öltank. „Angesichts der Einsparung der hohen Stromkoste­n Jahr für Jahr kann sich der Aufwand aber lohnen“, so Maternes Urteil.

Bei Systemen mit einem Wärmespeic­her sei das Heizwasser-Verteilsys­tem schon vorhanden. Hier müsse lediglich der Wärmeerzeu­ger ausgetausc­ht zu werden. Die Hoffnung mancher Experten, die Geräte noch anderweiti­g weiter nutzen zu können, zum Beispiel als Speicher für ein Überangebo­t an erneuerbar­en Energien, habe sich weitgehend zerschlage­n. „Die alten Nachtspeic­heröfen sind nicht flexibel genug, um erneuerbar­e Energien aufzunehme­n, wenn sie entstehen, und abzugeben, wenn sie gebraucht werden“, erklärt Kukuk. „Wir brauchen Speicher, die die Energie über ein bis zwei Wochen halten. Das können die alten Nachtspeic­heröfen nicht.“Zudem seien etliche Modelle mit Asbest belastet.

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FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA Nachtspeic­heröfen werden mit Strom aufgeheizt und waren früher in vielen Wohnungen eingebaut.

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